# taz.de -- Streit um den Staatstrojaner: Zehn Jahre veraltete Technik | |
> Offenbar testen Behörden ihre Staatstrojaner nicht vor dem Einsatz - oder | |
> die Tester sind inkompetent. Netzaktivisten und Informatiker fordern nun | |
> eine unabhängige Prüfinstanz. | |
Bild: Unsichere Schadsoftware: Wurde der Staatstrojaner überhaupt getestet? | |
BERLIN taz | Warum benutzte das bayrische Landeskriminalamt mangelhaft | |
gesicherte Trojaner für die Onlineüberwachung? Die Frage bleibt weiterhin | |
ungeklärt. Im Bericht von vergangener Woche hatte der CCC die simple | |
Verschlüsselung der staatlichen Schadsoftware stark kritisiert. Die Behörde | |
wies den Vorwurf zurück. Allerdings geht auch die Gesellschaft für | |
Informatik davon aus, dass die Technik mindestens zehn Jahre veraltet war. | |
Der sogenannte „Bayerntrojaner" aus dem Jahr 2009 verfügte über die | |
simpelste und unsicherste Art der Verschlüsselung, so die Analyse des CCC. | |
Die Kommunikation mit dem ausländischen Server des LKA sei dagegen gänzlich | |
unverschlüsselt gewesen. „Wir haben nur wenige Tage gebraucht, um dem | |
Trojaner vorzugaukeln, wir seien der Kommandoserver“, sagt Constanze Kurz | |
vom CCC. | |
„Dass die Verschlüsselung der Datenströme mangelhaft gewesen sein soll, | |
stellen wir in Frage“, sagte ein Sprecher der Behörde der taz. Die Software | |
sei sicher gewesen, versichert die Behörde und verweist auf eigene Tests | |
durch hausinterne Informatiker. Der Hersteller Digitask, dagegen verschanzt | |
sich hinter dem Satz: „Wir haben damals den Stand der Technik geliefert“. | |
## BKA widerspricht Innenministerium | |
Doch Experten bezweifeln beide Aussagen. „Hätte man nur einmal in den | |
Quellcode der gelieferten Software hineingeschaut, wäre klar gewesen, dass | |
sie leicht angreifbar ist", sagt Constanze Kurz. Sie glaubt nicht, dass die | |
Software getestet wure – andernfalls habe man sich gegen das Programm | |
entscheiden müssen. Auch Hartmut Pohl, der Sprecher des Arbeitskreises | |
Informationssicherheit der Gesellschaft für Informatik sagt: „Ich habe | |
meinen Partnern schon vor zehn Jahren bessere Verschlüsselungen empfohlen.“ | |
Soll es also Tests durch die Behörde gegeben, muss die Qualität ihrer | |
Experten angezweifelt werden. | |
Auch auf Bundesebene ist unklar, wie staatliche Spionagesoftware ausgewählt | |
und getestet wird und selbst deren Sprecher scheinen die eigene Behörden | |
nicht zu kennen. Am Mittwoch sagte der Sprecher des | |
Bundesinnenministeriums, Jens Teschke, den Bundesbehörden mangele es an | |
Kompetenzen, um eigene Tests zu entwickeln. Dem widersprach jedoch das | |
Bundeskriminalamt auf taz-Anfrage heftig. Man habe eigene Experten, die | |
eigene Tests durchführten, so eine Sprecherin. Sie wundere sich über die | |
Äußerungen der übergeordneten Behörde. Am Freitag nahm dann auch das | |
Innenministerium die Aussage ihres Sprechers zurück. | |
## Unabhängige Prüfbehörde gefordert | |
Ob des Chaos fordern Netzaktivisten, Informatiker und die Piratenpartei | |
eine neue Prüfinstanz. Laut taz-Information wurde das Bundesamt für | |
Sicherheit in der Informationstechnik mit seinen rund 550 Informatikern, | |
Physikern und Mathematikern 2008 bereits einmal informell angefragt. Doch | |
da das Amt sich lieber dem Schutz des Privatbürgers widmet, lehnte es ab. | |
„Es muss ein unabhängiges Kontrollgremium für alle staatlich veranlassten | |
verdeckten Ermittlungen geben“, sagte der Vizevorsitzender der Partei, | |
Bernd Schlömer, der taz. Hartmut Pohl von der Gesellschaft für Informatik | |
fordert, diese bei bestehenden Behörden wie den Datenschutzbeauftragten des | |
Bundes und der Länder anzusiedeln. „Diese Juristen und Techniker könnten | |
dann endlich dafür sorgen, dass rechtlich und technisch fragwürdige | |
Programme gar nicht erst bestellt werden“. | |
16 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Karen Grass | |
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