# taz.de -- Demos gegen Banken und Sparzwänge: Bewegte Welt | |
> Die Proteste beim weltweite Aktionstag verliefen größtenteils friedlich. | |
> Hunderttausenden demonstrierten in 82 Ländern und 951 Städten gegen die | |
> Macht der Banken. | |
Bild: Platzbesetzer mit Attac-Fahnen auch vor dem Berliner Kanzleramt. | |
Weltweit haben am Wochenende Hunderttausende Menschen gegen die Macht der | |
Banken und Börsen und gegen die staatlichen Sparmaßnahmen demonstriert. | |
Nach dem Vorbild der spanischen "Empörten" und der "Occupy Wall | |
Street"-Bewegung. | |
SPANIEN Die spanische Protestbewegung der "Empörten" ist vitaler, als viele | |
geglaubt hatten. 500.000 Menschen waren in Madrid dem Aufruf zur Kundgebung | |
nach Angaben der Veranstalter gefolgt, in Barcelona 140.000. Auch in | |
Valencia, Sevilla, Bilbao und sogar im asturianischen Mieres demonstrierten | |
jeweils mehr als 10.000 Menschen. | |
In Madrid war die Freude über den Erfolg so groß, dass die Debatten der | |
anschließenden öffentlichen Vollversammlung diesmal weniger im Vordergrund | |
standen. Zum von zahlreichen fliegenden Händlern herbeigeschafften | |
Dosenbier setzten sich die meisten einfach auf den Platz und feierten ihre | |
Fiesta. Dazu hatten sie allen Grund. In den Diskussionsrunden der vielen | |
kleinen konservativen Digitalkanäle war die Bewegung immer wieder verhöhnt | |
worden als Ansammlung Flöten spielender Obdachloser, die politisch nicht | |
ernst zu nehmen seien, und von denen sich die Spanier zunehmend | |
distanzierten. | |
Das Bild am Samstag war jedoch genau das Gegenteil: Die Basis der | |
Protestbewegung ist in Spanien breiter geworden. Ursprünglich waren die | |
Proteste von Schulen, Hochschulen und Kollektiven wie "Jugend ohne Zukunft" | |
ausgegangen, diesmal trieb die schlechte finanzielle Situation in den | |
öffentlichen Gesundheitszentren und Krankenhäusern auch viele ältere | |
Menschen auf die Straße. Statt neuer Rettungspakete für Finanzinstitute | |
forderten die Demonstranten "eine Räumungsklage gegen die Banken" - eine | |
Anspielung auf die 160.000 Zwangsversteigerungen, die die Banken in diesem | |
Jahr gegen spanische Wohnungskäufer eingeleitet haben. | |
GRIECHENLAND In Athen kamen etwa 7.000 Menschen vor das Parlament auf den | |
Syntagmaplatz, wo ein Protestkonzert stattfand, bei dem griechische | |
Rockstars und Alternativmusiker auftraten. Es wurde zu weiteren | |
Protestaktionen aufgerufen, griechische Fahnen wurden geschwenkt und | |
Parolen gegen EU, EZB und IWF skandiert. Umjubelt wurde ein Konvoi aus | |
hunderten Motorradfahrern, die gegen die Sparpolitik der Regierung | |
protestierten. Eigentlich wollten die Veranstalter an die | |
Massendemonstrationen der "empörten Bürger" vor dem Parlament im | |
vergangenen Sommer anknüpfen, aber das ist ihnen wohl nicht ganz gelungen. | |
Vielleicht liegt es auch nur daran, dass "die Demonstranten sich erst warm | |
machen müssen für den Generalstreik" am Mittwoch, wie die linke Athener | |
Tageszeitung Avgi kommentierte. | |
FRANKREICH In Paris versammelten sich rund 5.000 vorwiegend jüngere Leute | |
auf dem Platz vor dem Rathaus. Diese "Indigné(e)s" sind indirekt Stéphane | |
Hessels "Enkelkinder". Der 94-Jährige hatte mit seinem Manifest | |
"Indignez-vous!" ("Empört euch!") einen Appell lanciert, der mittlerweile | |
in mehr als vier Millionen Exemplaren verbreitet und mehr als zwanzig | |
Sprachen übersetzt worden ist. | |
Ein Zwanzigjähriger rief den jungen Demonstranten in Erinnerung, dass sich | |
Gleichaltrige während der Besetzung in der Widerstandsbewegung für | |
dieselben Ziele der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit engagiert hatten. | |
Diese Grundwerte der Demokratie seien in Vergessenheit geraten. Jetzt | |
müssten andere Generationen "wie damals die Résistance" den Kampf | |
fortsetzen. Die für die französische Kapitale eher bescheidene | |
Demo-Mobilisierung soll erst ein Anfang sein. Es zirkuliert bereits ein | |
Aufruf, am 5. November das Business-Viertel "La Défense" im Westen der | |
Hauptstadt zu besetzen. | |
GROSSBRITANNIEN In London hielten in der Nacht zum Sonntag mehr als 400 | |
Demonstranten, umzingelt von der Polizei, den Platz vor der | |
Sankt-Pauls-Kirche neben der London Stock Exchange besetzt. "Noch müssen | |
wir uns erst mal finden", sagte die Sprecherin der Organisatoren der taz. | |
Doch mehr als 80 Zelte sind inzwischen aufgeschlagen, es gibt eine Küche | |
und - solange der Aggregator funktioniert - Strom. Scotland Yard hat am | |
Sonntagmorgen die Einsatzpolizisten, ausgestattet mit Helmen und | |
Handschuhen, abgezogen und die Polizeipräsenz verringert, nachdem Pastoren | |
der Kirche die Demonstranten willkommen hießen und die Polizei aufforderte | |
zu gehen. Bis zu 5.000 Menschen waren im Verlauf dieses Samstags an die | |
Kirche gekommen. Die Polizei hatte den Platz jedoch abgeriegelt und | |
hinderte die Demonstranten, an dem Protest teilzunehmen. | |
Der ursprüngliche Plan, am Samstag statt dem Kirchenvorplatz den | |
Börsenvorplatz zu besetzen, war ebenfalls an Blockaden der Polizei | |
gescheitert. Kurz nachdem die Besetzung am Samstag begonnen hatte, feierte | |
Wikileaks-Gründer Julian Assange unter Jubel und Pfiffen aus der Menge | |
einen Auftritt auf den Stufen vor dem Hauptportal der Kirche. Er prangerte | |
Geldwäsche an, zog Verbindungen zu den Protesten in Kairo und warf dann | |
Gummibärchen in die Menge, bevor er in einen feinen französischen | |
Brötchenladen ging, um dort zu Mittag zu essen. | |
CHILE In der derzeitigen Hochburg systemkritischer Proteste in Südamerika | |
gingen wieder Zehntausende auf die Straße. In Santiago zogen über 30.000 | |
Menschen vom besetzten Hauptgebäude der staatlichen Universität von Chile | |
über die Prachtallee Alameda. Neben SchülerInnen und Studierenden waren | |
viele Familien und auch Rentner unterwegs. Thematische Schwerpunkte der | |
Demonstranten waren ihre Forderungen nach einem guten und kostenlosen | |
Bildungs- und Gesundheitssystem, nach neuen Umweltgesetzen, der Abschaffung | |
der Verfassung aus der Pinochet-Diktatur. | |
Auch dem Finanzsystem, den Banken und großen Supermarktketten widmeten sie | |
eine Kundgebung. Schwerpunkt der "Empörten" aber war die Bildungsfrage. | |
Immer lauter werden die Rufe nach einer verbindlichen Volksabstimmung. Für | |
Dienstag und Mittwoch hat die Bildungsbewegung zu einem Generalstreik | |
aufgerufen. | |
USA Von ihrem Quartier auf der Liberty Plaza zogen die BesetzerInnen der | |
Occupy-Wall-Street-Bewegung am Samstag zum Washington Square und machten | |
mehrmals Halt an verschiedenen Banken. Die Kundgebung endete abends auf dem | |
Times Square, auf dem etwa 50 Leute festgenommen wurden. Insgesamt wurden | |
im Verlauf des Tages in New York mehr als 80 Demonstranten in Gewahrsam | |
genommen. | |
Insgesamt gab es in New York mehrere Demonstrationszüge. Da aber keine | |
Demoroute angemeldet worden war, marschierten die Leute auf den Trottoirs. | |
Auch in zahlreichen anderen US-amerikanischen Städten kam es am Samstag zu | |
Protesten. | |
AUTOREN: J. PAPADIMITRIOU / J. HIMMELREICH / H. KELLNER / D. HAHN / R. | |
BALMER / G. DILGER | |
16 Oct 2011 | |
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