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# taz.de -- Griechischer Aktivist über Krise: "Es fühlt sich so an wie 1941"
> Es wird keinen sozialen Konsens über die Sparmaßnahmen geben, sagt
> Aktivist Christos Giovanopoulos. Seine zentrale Forderung lautet: Raus
> aus dem Euro!
Bild: Kommunisten demonstrieren auf dem Syntagma-Platz in Athen.
taz: Herr Giovanopoulos, Referendum, kein Referendum: Was ist da los bei
Ihren Politikern?
Christos Giovanopoulos: Es herrscht große Unsicherheit. Auf der einen Seite
ist den Machthabern klar, dass sie keinen sozialen Konsens erreichen können
- egal wie sie entscheiden. Auf der anderen Seite ist der starke Druck der
EU, von Deutschland und Frankreich, mit Bail-out und Haircut
weiterzumachen.
Halten Sie diese Maßnahmen der EU für richtig?
Selbst wenn sich die politische Führung Griechenlands dafür entscheidet,
ist es zweifelhaft, ob sie die geforderten Maßnahmen überhaupt in die Tat
umsetzen kann - und ob diese ausreichen. So müsste ein Haircut mehr als 75
Prozent umfassen, um sich auf die Praxis auszuwirken. Persönlich habe ich
ohnehin eine ganz andere Meinung darüber, was passieren sollte.
Und die wäre?
Griechenland müsste die Zahlung aller Schulden verweigern und aus dem Euro
aussteigen. Damit würde der griechische Staat seine Souveränität über seine
Wirtschafts- und Finanzpolitik zurückgewinnen.
Der Ausstieg aus dem Euro würde eine Abwertung der eigenen Währung
bedeuten.
Zumindest für eine gewisse Zeit, ja, aber das wird Zeit geben, um die
Wirtschaft wiederaufzubauen. Das größte Problem sind nicht die Schulden,
das größte Problem ist die Rezession: die hohe Arbeitslosenquote, die
Umgehung von Steuerzahlungen und die Schließung vieler Betriebe. Die
Summen, die der öffentliche Sektor verliert, sind immens.
Was halten Sie von Neuwahlen?
Ich glaube nicht, dass die eine Lösung bringen werden. Keine der Parteien,
von den Kommunisten bis zur Ultrarechten, wollte das Referendum, weil es
einen viel radikaleren Effekt auf das politische System ausgeübt hätte als
Neuwahlen. Sie wollten keine klare Position zur EU, sie wollen Sitze im
Parlament. Die Wahlen werden das Misstrauen und die Unzufriedenheit der
Griechen und damit die Instabilität nur verstärken.
Sie hätten also ein Referendum zum Euro begrüßt?
Um das klar zu sagen: Ich würde mir einen Aufstand wünschen, der die
Regierung stürzt und alle ihre Vertreter von der Bühne fegt. Gleichwohl war
die Idee des Referendums so kritisch, weil alle, von Merkel und Sarkozy bis
zum letzten griechischen Parlamentsmitglied, wussten, dass ein Nein zum
Euro die Wirtschaftspolitik seit den fünfziger Jahren infrage gestellt
hätte.
Im Sommer gab es starke Proteste; jetzt, wo die Lage noch kritischer ist,
scheint sich die Bewegung zurückzuziehen.
Die Bewegung ist nicht verschwunden, auch wenn sie nicht mehr auf dem
Syntagmaplatz in Athen ist. Es gibt zwei Formen des Ausdrucks sozialer
Unruhe in Griechenland. Zum einen die dauerhafte Präsenz draußen, wie bei
den "Empörten" oder wie beim Widerstand gegen die Invasion der Nazis. Es
war der Protest, der Papandreou dazu gebracht hat, das riskante Manöver
eines Referendums anzustreben. Die zweite Form findet an konkreten Orten
statt - Arbeitsplätzen, Unis, Nachbarschaften, überall. Und das wird dafür
sorgen, dass die Maßnahmen nicht zu verwirklichen sein werden. Zum Beispiel
gibt es starke Institutionen, die den Athenern, die keine Eigentumssteuer
zahlen wollen, rechtlichen Beistand anbieten.
Sie vergleichen die Politik der EU mit der Invasion der Nazis von 1941?
Für die Griechen fühlt es sich so an. Die gegenwärtige Situation ist
natürlich nicht die gleiche, aber in einer Hinsicht halte ich sie für
vergleichbar: Die EU ist ein wirtschaftlicher Superstaat, komplett
undemokratisch, der alle Möglichkeiten nationaler Souveränität unterdrückt.
7 Nov 2011
## AUTOREN
Frauke Böger
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