# taz.de -- Machtpoker in Griechenland: Die politische Klasse sortiert sich neu | |
> Eine Übergangsregierung soll Griechenland zu Neuwahlen führen. Doch die | |
> Personaldiskussion geht weiter, verschiedene Politiker bringen sich in | |
> Stellung. | |
Bild: Retten sie Griechenland? Der konservative Oppositionsführer Antonis Sama… | |
ATHEN taz | Nach wochenlangem Taktieren und einem noch nie da gewesenen | |
Machtpoker zwischen Regierung und Opposition glaubt man in Athen zu wissen: | |
Die Tage von Ministerpräsident Giorgos Papandreou sind gezählt. Laut | |
übereinstimmenden Medienberichten sind die beiden großen Volksparteien auf | |
einem guten Weg, eine Regierung der nationalen Einheit ins Leben zu rufen, | |
die mindestens sechs oder acht Wochen an der Macht bleibt und das von der | |
EU verabschiedete Rettungspaket bringt, bevor Neuwahlen stattfinden. | |
Zuvor hatte der private TV-Sender Skai unter Berufung auf Regierungskreise | |
berichtet, es bestehe die Gefahr, dass Griechenland von der Währungsunion | |
ausgeschlossen werde, wenn die Politiker weiterhin auf ihrer | |
Blockadehaltung beharren. Auch EU-Währungskommissar Olli Rehn machte erneut | |
Druck auf die beiden Volksparteien, zudem drängte er auf eine schnelle | |
Umsetzung des jüngsten Rettungspakets. Daraufhin fühlte sich selbst das | |
Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche, Erzbischof Hieronymos, berufen, | |
an den Patriotismus und das Verantwortungsbewusstsein der griechischen | |
Politiker zu appellieren. | |
Der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras hat seit Tagen verlauten | |
lassen, er glaube dem sozialistischen Ministerpräsidenten kein einziges | |
Wort mehr und würde nur dann eine breitere Regierung unterstützen, wenn | |
Papandreou offiziell den Rücktritt erklärt. Offenbar hat Samaras seinen | |
Standpunkt auch dem Staatspräsidenten Karolos Papoulias am | |
Sonntagnachmittag klargemacht. Daraufhin kam es zu hektischen | |
Telefonverhandlungen zwischen den Volksparteien, und Papandreou berief sein | |
Kabinett zu einer außerordentlichen Sitzung ein. Bis zum letzten Moment | |
beharrten altgediente Politiker der regierenden Sozialisten auf einem | |
harten Kurs gegenüber Samaras mit dem Argument, das griechische Parlament | |
habe doch in der Nacht zum Freitag der Regierung Papandreou sein Vertrauen | |
ausgesprochen. | |
## Kaum Verhandlungsspielraum | |
Die neue Regierung hat eine Herkulesaufgabe vor sich: Sie muss die jüngsten | |
EU-Gipfelergebnisse sofort durch das Parlament bringen und direkt im | |
Anschluss schmerzhafte Sparmaßnahmen sowie einen noch nicht feststehenden | |
Haushaltsplan für 2012 verabschieden. Allein schon deshalb gilt es als | |
unwahrscheinlich, dass noch in diesem Jahr Neuwahlen stattfinden könnten, | |
wie es die konservative Nea Dimokratia will. Denn laut Verfassung muss das | |
Parlament nach der Ankündigung von Neuwahlen für mindestens 30 Tage seine | |
Tore schließen, was die Verabschiedung der nötigen Gesetze nur verzögern | |
würde. | |
Deutschland und Frankreich haben bereits signalisiert, dass für das | |
griechische Rettungspaket kaum Verhandlungsspielraum besteht, doch der | |
konservative Oppositionsführer Samaras scheint weiter auf Neuverhandlung zu | |
bestehen. "Ich verstehe die Aufregung nicht, die ganze EU ist doch ein | |
kontinuierlicher Verhandlungsprozess", belehrte noch am Wochenende sein | |
Pressesprecher Jannis Michelakis die stark zweifelnden Journalisten. | |
Als Hoffnungsträger für die sozialistische Partei bringt sich | |
Finanzminister Evangelos Venizelos ins Gespräch. Er gilt als | |
Machtpolitiker, der die Parteibasis wieder zusammenschweißen kann. Für ihn | |
spricht, dass er ungeachtet seiner Rivalität mit Papandreou Platz genommen | |
hat auf dem Schleudersitz des Finanzministers, um seinem Land zu helfen. | |
Zudem pflegt Venizelos seine Kontakte zu allen Parteiflügeln der | |
sozialistischen Pasok und auch zu Exministerpräsident Kostas Simitis, den | |
Papandreou aus der Partei verdrängt hat. | |
6 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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