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# taz.de -- Regierungswechsel in Griechenland: "Er ist das Gegenteil von Berlus…
> Der Bremer Ex-Bürgermeister Henning Scherf bewundert seinen griechischen
> Weggefährten Giorgos Papandreou. Europa werde den Sozialisten noch
> vermissen.
Bild: Europa wird den ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten noch vermiss…
taz: Herr Scherf, am Dienstag hat die griechische Regierung Platz gemacht
für ein neues Kabinett. Für viele ein überfälliger Schritt. Sie aber
trauern Giorgos Papandreou nach, dem scheidenden Ministerpräsidenten.
Weshalb?
Henning Scherf: Weil ich ihn sehr schätze und für einen ganz starken
Menschen halte. Ich kenne die Papandreous. Ich habe sie über die
Sozialistische Internationale kennengelernt und auf Tagungen in
Griechenland und Paris getroffen. Ich kannte den Großvater von Giorgos
Papandreou. Auch er war Ministerpräsident, ein der ganz großen.
Er hat Griechenland in der wilden Nachkriegs- und Bürgerkriegszeit
demokratisch gerettet und trotz der Faschisten und Kommunisten neu
auferstehen lassen. Er war ein Held. Vergleichbar mit Willy Brandt. Ich
kannte auch Papandreous Vater, auch er war Ministerpräsident. Papandreou
selbst wollte, anders als sein Vater und Großvater, nicht in die Politik.
Er studierte im Ausland und ging in die Wissenschaft
Warum entschied er sich um?
Aus Trotz und Verzweiflung über die Korruption in seinem Land. Er wollte
das Land von bürokratischem Unsinn befreien.
Keine leichte Aufgabe.
Sicher nicht, er hätte als Wissenschaftler ein schönes Leben führen können.
Er war ein hoch angesehener Mann. Doch er entschied sich, als verzweifelter
Retter, das schwierige Erbe seines Vater und Großvaters anzutreten. Er
gewann die Wahl, dank seiner Klarheit. Dann brach die Wall Street ein, weil
einige Leute gezockt hatten. Das erreichte auch Griechenland. Kaum war
Papandreou angetreten. Doch er schaffte es, seine Landsleute davon zu
überzeugen, dass die Zukunft nur innerhalb der Europäischen Union und der
Eurozone liegt. In der Folge musste er die europäischen Sparauflagen
umsetzen, die grob und brutal waren. Ausgerechnet er als linker Politiker.
Sie bewundern ihn.
Ja, er ist das Gegenteil von Berlusconi. Der italienische Ministerpräsident
hat geschummelt und gemogelt, wo es nur ging. Papandreou hat immer Klartext
geredet, er musste fürchterliche Prügel einstecken. Auch für seine Idee,
das Volk über die Finanzhilfen abstimmen zu lassen. Er musste die Idee
fallen lassen, weil die europäischen Politiker und die Märkte nicht bereit
waren, zwei Monate zu warten. Das hat man ihm beigebracht, grob und hart.
Haben Sie Mitleid?
Ich weiß nicht, ob ich ausgehalten hätte, was er aushält. Wir brauchen
Politiker wie ihn. Jetzt ist er zurückgetreten, um das Land zu schützen. Im
Rücktritt hat er noch eine neue Regierung gebildet. Das war ein starker,
ein großer Abgang. Können Sie sich das bei Berlusconi vorstellen?
Manch einer wirft Papandreou und ihn in den selben Topf.
Ja, die Bild. Viele deutsche Medien haben ihn aber wohlwollend begleitet,
wie ich finde. Papandreou hat hierzulande, wie in seiner Heimat, viele
Bewunderer. Nur die gehen natürlich nicht auf die Straße und demonstrieren.
Die sitzen in Griechenland am Arbeitsplatz und beißen die Zähne zusammen.
Die wissen genau, dass Papandreou einer ihrer Besten ist. Auch jene, die
mit ihm verhandelt haben, die Bundeskanzlerin zum Beispiel, werden ihn als
sehr integeren, Vertrauen stiftenden und angenehmen Zeitgenossen erlebt
haben. Vielleicht werden ihn die europäischen Politiker noch vermissen.
Glauben Sie, dass Papandreou in die griechische Politik zurückkehrt oder
hat er die Schnauze voll?
Ich könnte verstehen, wenn er genervt ist. Ich wünsche mir, dass er jetzt
ein normales Leben führen kann und nicht mehr angemacht und angegiftet
wird.
Stellen Sie sich vor, Sie laufen Papandreou in den nächsten Tage über den
Weg. Was sagen Sie ihm?
Ich würde ihn erst einmal in den Arm nehmen und ordentlich drücken. Dann
würde ich ihm sagen, dass ich ihm eine Auszeit wünsche, in der er sich
erholen soll von dieser unendlichen, alptraumähnlichen Erfahrung.
9 Nov 2011
## AUTOREN
Felix Dachsel
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