Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krise in Italien: Berlusconi halb weggetreten
> Der Regierungschef will sein Amt abgeben - nach Verabschiedung des
> Reformgesetzes. Zuvor waren ihm bei einer Abstimmung die eigenen Reihen
> weggebrochen.
Bild: Es ist fast soweit: Berlusconi träumt schon von Bunga Bunga ohne lästig…
ROM taz | Der angeschlagene italienische Regierungschef Silvio Berlusconi
ist zum Rücktritt bereit. Zunächst wolle er noch, dass das Reformgesetz mit
Zusagen an die EU verabschiedet werde, dann werde er zurücktreten. Das
berichtete der Präsidentenpalast von Giorgio Napolitano nach einem Gespräch
zwischen Berlusconi und Napolitano am Abend.
Nach einer Abstimmung über die Maßnahmen im Stabilitätsgesetz werde es
Konsultationen mit den Parteien geben. Dabei wolle der Staatspräsident den
Vorschlägen und Positionen der politischen Kräfte in Italien "höchste
Aufmerksamkeit" widmen, hieß es weiter.
Berlusconis Schritt erfolgte nach dramatischen Stunden im italienischen
Parlament, das am Nachmittag zunächst über den Rechenschaftsbericht der
Regierung zum Haushaltsjahr 2010 abzustimmen hatte. Schon einmal, am 11.
Oktober, hatte Berlusconi beim Votum des Abgeordnetenhauses zu diesem Punkt
eine Niederlage einstecken müssen und daraufhin die Vertrauensfrage
gestellt, die er mit 316 der 630 Stimmen knapp für sich entscheiden konnte.
An der Abstimmung über den Rechenschaftsbericht nahmen am Dienstag nur noch
309 Abgeordnete teil, 308 stimmten mit Ja, einer enthielt sich. Damit
verfehlte Berlusconi die absolute Mehrheit von 316 Stimmen deutlich. Die
Oppositionsfraktionen hatten sich entschieden, am Votum nämlich erst gar
nicht teilzunehmen - in der Hoffnung, dass Berlusconi am Ende deutlich
unter der absoluten Mehrheit bleiben und die Krise seiner Regierung damit
offensichtlich sein würde. Genau dies ist geschehen.
Berlusconis Koalitionspartner Umberto Bossi, Chef der rechtsgerichteten
Lega-Nord, hatte noch kurz vor dieser Abstimmung offen dessen Rücktritt
gefordert. "Wir haben ihn gebeten zurückzutreten, einen Schritt
beiseitezutreten", sagte der Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei am
Dienstag. Danach solle ein Nachfolgekabinett unter dem bisherigen
Generalsekretär der Berlusconi-Partei (PdL), Angelino Alfano, versuchen,
die parlamentarische Mehrheit wiederherzustellen, indem die zahlreichen
Abtrünnigen zur Rückkehr in die eigenen Reihen bewegt würden.
## Ein Show-Sternchen sagt sich los
Dank der zahlreichen Abweichler aus seiner eigenen Partei - geschätzt
werden etwa 20 Abtrünnige - war es einsam um den Premier geworden. Dass
seine Zeit wirklich zu Ende geht, zeigte sich am Wochenende, als das
frühere Show-Sternchen Gabriella Carlucci ihm das politische Addio zurief.
Carlucci, die in den TV-Sendern des Cavaliere Karriere gemacht hatte und
dann 2001 ins Parlament eingezogen war, war bis vor wenigen Tagen glühende
Berlusconi-Verehrerin; jetzt aber trat sie aus dessen Popolo della Libertà
(PdL - Volk der Freiheit) aus und schloss sich der oppositionellen
christdemokratischen Zentrumsunion an.
Doch Berlusconi wollte von solchen Szenarien nichts wissen. Er setzte auf
die parlamentarische Machtprobe, für die die Abstimmung vom Dienstag aus
seiner Sicht bloß den Auftakt bilden sollte. Berlusconi verfügt in der
zweiten Kammer, im Senat, weiterhin über eine Mehrheit. Dort sollte nach
seinen Plänen in den nächsten Tagen eine Vertrauensabstimmung über sein
Sparprogramm erfolgen. Sollte dann das Abgeordnetenhaus mit einem
Misstrauensvotum kontern, so hätte Berlusconi darauf verweisen können, dass
eine Patt-Situation entstanden ist, und sofortige Neuwahlen verlangen. Das
ganz offen verfolgte Ziel war: aus dem Amt des Ministerpräsidenten heraus
in den Wahlkampf zu ziehen - mit einem Wahltermin Ende Januar 2012.
## Geschlossene Opposition
Die Opposition dagegen zeigte sich geschlossen wie lange nicht mehr in dem
Ziel, zunächst eine Übergangsregierung zu bilden. Sowohl die größte
Oppositionskraft, die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) unter
Pierluigi Bersani, als auch die christdemokratische Zentrumsunion unter
Pierferdinando Casini wollen ein Kabinett unter dem früheren EU-Kommissar
Mario Monti. Anderenfalls befürchten sie eine katastrophale Entwicklung:
ein weiteres unkontrolliertes Heraufschnellen des Risikoaufschlags auf
italienische Staatsanleihen. Gangbar wäre der Weg hin zu einem Kabinett
Monti nur, wenn es im Abgeordnetenhaus und vor allem im Senat zu einer
bislang nicht feststellbaren Absetzbewegung von Berlusconi-Abgeordneten hin
zur Opposition käme. Die kommenden Tage versprechen eine hohe Dramatik.
8 Nov 2011
## AUTOREN
Michael Braun
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die graue Eminenz Mario Monti: Super-Mario mit strenger Hand
Als EU-Wettbewerbskommissar griff der Wirtschaftswissenschaftler Mario
Monti hart durch. Jetzt wird er als Kandidat für die Berlusconi-Nachfolge
gehandelt.
Berlusconis Nachfolger: Ex-EU-Kommissar soll es richten
Mario Monti hat beste Chancen, neuer Ministerpräsident Italiens zu werden.
Silvio Berlusconi dürfte spätestens am Sonntag zurücktreten.
Das Ende der Ära Berlusconi: Politik als Dauerwerbesendung
Zweiklassenjustiz, Klientelpolitik, Medienmonopol – das Erbe des Cavaliere.
Was für ein Land hinterlässt Silvio Berlusconi nach beinahe 20 Jahren an
der Macht?
Regierungskrise in Italien: Berlusconi wirbt für Alfano
Silvio Berlusconi hat bereits einen Nachfolger für sich selbst ausgesucht:
Angelino Alfano, Ex-Justizminister. Berlusconi ist erleichtert über seine
Entscheidung, nicht mehr anzutreten.
Kommentar Berlusconi: Unterschätzt ihn nicht!
Schon vor einem Jahr drohte Berlusconi der politische Untergang - er konnte
sich retten. Auch diesmal ist für ihn noch nicht alles verloren.
Regierungswechsel in Griechenland: "Er ist das Gegenteil von Berlusconi"
Der Bremer Ex-Bürgermeister Henning Scherf bewundert seinen griechischen
Weggefährten Giorgos Papandreou. Europa werde den Sozialisten noch
vermissen.
Kommentar Eurozone: Erst mal muss der Politclown weg
Berlusconi soll weg: Da sind sich alle in der Eurozone einig. Doch das ist
noch das geringste Problem. In größter Harmonie sparen die Euroländer sich
in die Rezession.
Italiener fordern Rücktritt: Silvio Berlusconis letztes Gefecht
Von Krise keine Spur? Hunderttausende Italiener gehen aus Protest gegen
Premier Berlusconi auf die Straße. Seinen bizarr wirkenden Optimismus
halten sie für Realitätsverlust.
Italien in der Krise: Ende des Schreckens
Die italienische Regierung zeigt sich in der Krise als handlungsunfähig.
Viele meinen, dies bedeute das Aus für Silvio Berlusconi.
Schuldenkrise in Italien: Die Hütte brennt
Italiens Politiker, Bankchefs und Wirtschaftslenker geraten in Panik. Würde
ein Abgang Berlusconis alle Probleme lösen? Das glaubt zumindest die
Opposition.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.