| # taz.de -- Visualisierung Rechtsextremismus: So braun ist Deutschland | |
| > In den Wahlergebnissen zeigt sich der Osten als rechtsextremes | |
| > Problemgebiet. Doch rassistische und neonazistische Straftaten sind | |
| > bundesweit gleichmäßiger verteilt. | |
| Bild: Ein bisschen braun ist es überall in Deutschland. | |
| BERLIN taz | Rechtsextremismus ist in Deutschland ein gesamtdeutsches | |
| Phänomen, doch häufig wird es zu einem typisch ostdeutschen Problem | |
| stilisiert. Dieser Eindruck ließe sich auch bei der aktuellen Diskussion um | |
| die Zwickauer Neonazi-Trio gewinnen: Neonazis aus Thüringen tauchen unter | |
| und agieren als Terrorzelle vor allem von Sachsen aus. | |
| In der ersten Karte unten sieht man tatsächlich einen regionalen, | |
| tiefbraunen Schwerpunkt im Osten der Republik. Dort sitzt die | |
| Neonazi-Partei NPD in zwei Landesparlamenten, in Sachsen und | |
| Mecklenburg-Vorpommern, und holt auch in den anderen neuen Ländern gute | |
| Werte - ohne jedoch dort die Fünfprozenthürde zu überspringen. | |
| Die [1][Ergebnisse aller deutschen Landtagswahlen] zeigen noch krassere | |
| Unterschiede: In bestimmten Ländern mobilisiert die NPD mehr, in anderen | |
| deutlich weniger WählerInnen. Und die hohen Werte für die NPD in Thüringen, | |
| Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind auch [2][bei der Bundestagswahl] | |
| nicht zu übersehen. Doch die eigentliche Stärke der NPD liegt vor allem auf | |
| regionaler und lokaler Ebene: In den meisten Bundesländern ist sie | |
| inzwischen in Kommunalparlamenten vertreten. Auch hier ist der Osten | |
| Spitze: von geschätzten 300 Abgeordneten bundesweit, sitzen [3][74 in | |
| Sachsen]. | |
| Doch Rechtsextremismus ist ein gesamtdeutsches Phänomen, wie man an der | |
| Verteilung rechtsextremer Straftaten sieht, und an der Liste der Menschen, | |
| die durch rechte Gewalt seit 1990 zu Tode gekommen sind. In vielen Fällen | |
| wurden Linke, Obdachlose, dunkelhäutige Menschen oder Polizisten gezielt | |
| getötet, wie beispielsweise bei den zehn Morden, die von der | |
| Neonazi-Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" begangen worden | |
| sein sollen. | |
| Andernorts sahen rechtsextremistische Täter es nicht auf Einzelpersonen ab, | |
| sondern nahmen durch Brandanschläge, beispielsweise auf Unterkünfte von | |
| Asylsuchenden in Schleswig-Holstein, Saarland oder Nordrhein-Westfalen, | |
| bewusst den Tod mehrerer Menschen in Kauf. Und in einigen Fällen lässt sich | |
| nur vermuten, dass rassistische Motivationen eine Rolle gespielt haben | |
| könnten, wie im Fall von Oury Jalloh, der 2006 in Polizeigewahrsam | |
| verbrannte. | |
| Die hier visualisierten Daten basieren auf [4][der Zählung der | |
| Antonio-Amadeu-Stiftung]. Die offizielle Statistik umfasst nur ein Viertel | |
| der Menschen, insgesamt 47. Die Vorsitzende der Stiftung, Anetta Kahane | |
| kommentiert die Differenz so: "Der Umgang mit Rechtsextremismus seitens der | |
| Behörden ist unprofessionell und der Umgang mit den Opferzahlen würdelos." | |
| Diese Unprofessionalität zeigt sich auch im aktuellen Skandal um das | |
| Neonazi-Terrortrio, das 13 Jahre lang töten und rauben konnte, während die | |
| Ermittler hinter den Morden an Unternehmern mit Migrationshintergrund | |
| Wettschulden oder mafiöse Machenschaften als Motive vermutete - Annahmen, | |
| die wahrscheinlich durch einen strukturell-rassistischen Blick auf tote | |
| Migranten erzeugt wurden. | |
| Die Gewalttätigkeit von Neonazis zeigt sich aber auch in den kleineren | |
| Straftaten, die sie begehen: 2010 wurden [5][vom Bundesverfassungsschutz | |
| 15.905 Straftaten registriert], die als rechtsextrem motiviert galten. | |
| Davon waren mehr als 700 Gewalttaten, die in der Karte oben visualisiert | |
| sind. Während ostdeutsche Länder auch in dieser Statistik recht weit oben | |
| wiederzufinden sind, führt Nordrhein-Westfalen die Liste an. Auch | |
| Niedersachsen und Bayern sind unter den Bundesländern mit den höchsten | |
| Zahlen an rechtsextremen Gewalttaten zu finden. | |
| ## Update 2.12.2011: Zahlen pro 100.000 Einwohner | |
| Zahlreiche Kommentatoren unter diesem Artikel als auch [6][Publikative.org] | |
| wiesen in der vergangenen Woche darauf hin, dass ein Vergleich der obigen | |
| Grafiken nur sinnvoll ist, wenn die Gewalttaten und Todesopfer auch als | |
| relative Zahlen kartiert würden. Die späte Reaktion tut uns Leid und die | |
| geforderte Grafik ist oben eingebaut. | |
| Tatsächlich zeigt sie, dass die dunkle Färbung von Nordrhein-Westfalen ein | |
| Artefakt der Darstellung absoluter Zahlen ist. Auch hier ist ein | |
| Schwerpunkt im Osten erkennbar - wie auch oben beschrieben. Allerdings | |
| bilden bei den rechtsextremen Gewalttaten Schleswig-Holstein, Hamburg und | |
| Niedersachsen westdeutsche Schwerpunkte. Auch bei den Todesopfern durch | |
| rassistische Gewalt bildet Schleswig-Holstein einen westdeutschen | |
| Schwerpunkt. | |
| 20 Nov 2011 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.bundeswahlleiter.de/de/landtagswahlen/ergebnisse/ | |
| [2] http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_09/ergebnisse/l… | |
| [3] http://www.statistik.sachsen.de/wpr_neu/pkg_w04_nav.prc_index?p_anw_kz=GR09 | |
| [4] http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/chronik-der-gewalt/todesopfer-re… | |
| [5] http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2011/vsb2010.html | |
| [6] http://www.publikative.org/2011/11/30/im-osten-nichts-neues/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lalon Sander | |
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