# taz.de -- Digitalisierung des Büchermarktes: eRevolution unterm Weihnachtsba… | |
> eBook Reader und Tablets galten bislang als Nischenprodukte, doch nun | |
> wollen immer mehr Menschen digital lesen. Die Marktführer sind fürs | |
> Weihnachtsgeschäft präpariert. | |
Bild: Kleiner und leichter als sein gedruckter Konkurrent: der eBook Reader ero… | |
Am Donnerstag vor einer Woche staunten die Zuhörer im prall gefüllten | |
Hörsaal 1A am geistes- und sozialwissenschaftlichen Institut der FU Berlin | |
nicht schlecht. Die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Ruth Klüger | |
sollte im Rahmen der Vorlesung "Einführung in die Neue Deutsche Literatur" | |
eigentlich über das Wesen des Buchs sprechen – hielt stattdessen aber ein | |
flammendes Plädoyer für das eBook. | |
Es sei schlicht praktisch, jederzeit Hunderte Klassiker und Krimis in einem | |
eBook Reader platzsparend und federleicht in der Tasche dabei haben zu | |
können, erklärte Klüger. Mit einem eBook Reader müsse man auch nicht | |
überlegen, ob man seinen dicken Wälzer im Sitzen oder Liegen, auf dem Bauch | |
oder Rücken lesen solle. Schließlich funktioniert Blättern auf einem eBook | |
Reader mit einem Klick und einer Hand. | |
Zuvor hatte Klüger einen kurzen Abriss über den bisherigen Werdegang | |
schriftlicher Erzeugnisse gegeben – von den 10 Geboten auf primitiven | |
Steintafeln über die Erfindung des Buchdrucks hin zur Veränderung der | |
Lesegewohnheiten im 19. Jahrhundert und dem zunehmenden Konsum von Büchern | |
zur einfachen Unterhaltung heute – ehe sie die eRevolution ausrief. | |
Sich über die Digitalisierung des Buchmarktes zu beklagen, findet Klüger | |
sinnlos, schließlich werde sie so oder so erfolgen. | |
## Geteilte Meinung zu eBooks | |
Die Begeisterung der immerhin schon 80-Jährigen für den digitalen | |
Nachfolger des guttenbergschen Druckerzeugnisses teilte die Mehrheit der | |
zuhörenden Studenten, vornehmlich Erstsemester um die 20, nicht – und taten | |
dies durch kollektives Kopfschütteln und zahlreiche Wortmeldungen kund, | |
obwohl gerade sie diejenigen sind, die sonst gerne mit elektronischen | |
Hilfsmitteln wie Netbooks, Smartphones und mittlerweile auch Tablets in der | |
Vorlesung spielt. | |
Bis vor einem Jahr hat die breite Masse der Konsumenten der ablehnenden | |
Haltung des Auditoriums im Hörsaal 1A der FU Berlin zugestimmt. Einer | |
repräsentativen Umfrage von media control zufolge konnten bis Januar 2011 | |
lediglich 450.000 eBook Reader abgesetzt werden – obwohl es schon damals | |
über ein Dutzend Gerätemodelle hierzulande gab. | |
Diejenigen, die sich bereits ein Lesegerät angeschafft hatten, nannten | |
hingegen ähnliche Vorteile wie Klüger. Fast 55 Prozent gaben an, dass eBook | |
Reader kleiner und leichter seien als gedruckte Bücher. Für ebenso viele | |
Befragte war es besonders wichtig, viele digitale Bücher in einem Gerät | |
speichern und damit immer dabei haben zu können. Rund 50 Prozent empfanden | |
es als besonderen Vorteil, von zu Hause aus das gewünschte Buch kaufen zu | |
können. | |
## eBook Reader Verkaufszahlen ziehen an | |
"Ich dachte bisher, dass eBook Reader nie den Massenmarkt erreichen werden | |
und eine kurzlebige und aussterbende Produktgattung sind", sagt Sascha | |
Pallenberg vom Branchenblog netbooknews.de, der sich überwiegend mit Trends | |
auf dem Netbook- und Tablet-Markt beschäftigt. "Aber ich muss meine | |
Einschätzung revidieren." | |
Zwar besitze er erst seit einigen Wochen einen eBook Reader, aber schon | |
jetzt genieße er das Lesen auf dem elektronischen Tintendisplay in vollen | |
Zügen – auch wenn es nur schwarz-weiß anzeigen kann. | |
Ähnlich wie Pallenberg sind mittlerweile immer mehr Kunden vom digitalen | |
Lesen überzeugt. Im ersten Halbjahr 2011 registrierte die Gesellschaft für | |
Konsumforschung (GfK) nahezu eine Verdoppelung der Zahl verkaufter eBook | |
Reader. Rund 800.000 Stück gingen über den Ladentisch, davon profitierten | |
allen voran der elektronische Händler Amazon und der Elektronikhersteller | |
Sony. Im Weihnachtsgeschäft dürften weitere Kunden hinzukommen, nicht | |
zuletzt weil Amazon dem neuen Kindle 4 zum ersten Mal eine deutsche | |
Menüführung und einen Mini-Preis von unter 100 Euro verpasst hat. | |
Auch Sony hat pünktlich zum Weihnachtsgeschäft eine neue eBook | |
Reader-Generation veröffentlicht. Der PRS T1-Wifi kostet zwar fünfzig Euro | |
mehr als der Kindle, bietet aber auch einen Touchscreen. Mit dem | |
integrierten WLAN-Modul kann auch der Sony eBook Reader drahtlos mit | |
Büchern versorgt werden. | |
## Amazon feuert drauflos | |
Der passende Sony eBook Shop fehlt hingegen noch, auch wenn der | |
Elektronikhersteller einen solchen bereits angekündigt hat. Genau hier hat | |
Sony im Vergleich zu Amazon den größten Nachholbedarf. So bietet das | |
Online-Kaufhaus einen eBook Store mit über 940.000 elektronischen Büchern, | |
der direkt vom Kindle aus angesteuert werden kann. Kein Wunder also, dass | |
Amazon in den USA mehr eBooks als gedruckte Bücher verkauft – obwohl dort | |
erstandene eBooks wegen des hauseigenen azw-Formats nur auf Geräten, die | |
mit dem Kindle Reading-Programm ausgestattet sind, gelesen werden können. | |
Das Prinzip, mit einem geschlossenen System After-Sales zu generieren, | |
wendet Amazon nun auch bei seinem ersten Tablet an, dem Kindle Fire, das | |
seit Anfang dieser Woche in den USA erhältlich ist. "Man kann wohl davon | |
ausgehen, dass Amazon bis zum Jahresende 5 Millionen Kindle Fire absetzen | |
wird", so Pallenberg und schätzt damit die Tablet-Verkaufszahlen ungleich | |
höher ein als den Absatz des hauseigenen eBook Readers. | |
Ähnlich wie den Kindle für unter 100 Euro bietet Amazon auch sein Tablet | |
zum Kampfpreis an. Mit 199 US-Dollar ist das Kindle Fire mehr als doppelt | |
so günstig wie das iPad 2. "Amazon will kein Business-Tablet wie Apple | |
anbieten", erklärt Pallenberg die durchwachsenen Ergebnisse der ersten | |
Fire-Tests. "Es soll ein Schaufenster in das virtuelle Kaufhaus Amazon | |
sein." Durch dieses ist einerseits das bekannte Shopping-Angebot inklusive | |
eBook Store zu sehen. Andererseits sollen sich Kindle Fire-User auch mit | |
Apps, Games, Musik und Filmen eindecken. | |
Hierzulande wird der Blick ins Amazon-Schaufenster weiterhin nur via | |
Browser möglich sein. "Ich rechne erst im kommenden Weihnachtsgeschäft mit | |
einem Marktlaunch des Kindle Fire in Deutschland", sagt Pallenberg. Wenn es | |
nach Ruth Klüger geht, ist zumindest bis dahin klar, was Großeltern ihren | |
Enkeln unter den Weihnachtsbaum legen sollten. | |
22 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Aichner | |
## TAGS | |
Holocaustüberlebende | |
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