# taz.de -- Neues Tablet "Kindle fire": Amazons verlängerte Ladentheke | |
> Amazons neuer Tablet-Computer soll zum Kampfpreis Apples iPad Konkurrenz | |
> machen. Für die Kunden hat dies aber seinen Preis. Er muss sich dem | |
> Amazon-Netz ergeben. | |
Bild: Beliebtes Fotomotiv: Der "Kindle fire" von Amazon. | |
Die Technik-Auguren hatten erstaunlich recht. Als Amazon-Chef Jeff Bezos am | |
Mittwoch vor die Pressse trat, konnte er nur noch wenige mit seinem Produkt | |
überraschen. Genau wie vorhergesagt hat der lang erwartete | |
iPad-Herausforderer ein 7 Zoll-Display, läuft mit einer angepassten Version | |
von Googles Mobil-Betriebssystem Android und heißt "Kindle fire". Womit die | |
Gerüchteküche nicht rechnete ist der niedrige Preis des Geräts, das vorerst | |
nur in den USA vertrieben wird. Nur knapp 200 Dollar verlangt der | |
Amazon-Konzern für das neue Gerät und schlägt damit die Konkurrenz um | |
Längen. | |
Diesen erstaunlich günstigen Preis kann Amazon nur deshalb anbieten, weil | |
die neuen Geräte subventioniert sind. Amazon will seine Verkäufe ankurbeln. | |
Denn der Kindle funktioniert eigentlich nur ideal, wenn man Bücher, Musik | |
und Videos bei Amazon einkauft. Statt dem Kunden einen mobilen Computer zu | |
liefern hat Amazon seine virtuelle Ladentheke verlängert. | |
Auch Apple ist bekannt dafür, das "Ökosystem" der iPhones und des iPads | |
kompromisslos auszubeuten. Wer auf den Geräten Musik oder Videos kaufen | |
will, kann dies nur in Apples iTunes Store tun. Wer eine App oder eine | |
digitale Zeitschrift kauft, zahlt an Apple eine saftige Verkaufsprovision. | |
Die Apple-Geräte spielen Gewinne ein, lange nachdem sie über den Ladentisch | |
gewandert sind. Nur langsam öffnet sich Apple dem Netz. So laufen | |
inzwischen auch die Kindle-Anwendungen von Amazon auf dem iPad, auf Flash | |
wartet man bisher vergebens. | |
Den Gefallen wird Amazon wohl kaum erwidern. Wer auf dem Amazon-Tablet | |
Bücher kaufen will, muss auf den Apple iBookstore verzichten. Schon bei den | |
bisherigen Kindle-Geräten konnte man zwar PDF-Dateien darstellen, | |
kommerzielle E-Books von anderen Anbietern blieben aber außen vor. | |
## Missliebige Konkurrenz fernhalten | |
Obwohl Amazon sein neues Gerät auf dem im Prinzip offenen | |
Google-Betriebssystem Android basiert, hat der Handelskonzern die | |
Möglichkeiten stark beschnitten. Den „Android Market“, Googles | |
Vertriebskanal für Android-Anwendungen, hat Amazon ebenso ausgebaut wie | |
Anwendungen, die auch Google-Dienste wie Maps oder YouTube zugreifen. | |
Stattdessen kann man nur die Anwendungen installieren, die Amazon im | |
eigenen App Store anbietet. So kassiert der Konzern nicht nur Provisionen | |
für verkaufte und installierte Software, er kann auch missliebige | |
Konkurrenten von dem neuen Kindle fernhalten. | |
Dass ein Handelskonzern mal eben einen erfahrenen Hardware-Hersteller | |
herausfordern kann, wäre ohne offene Software kaum möglich – alleine die | |
Entwicklung eines Browsers für ein solches Gerät würde Jahre beanspruchen. | |
So feiert Forbes-Blogger [1][Timothy Lee] den neuen Kindle schon als | |
"Triumpf von Open Source. Andere sind da kritischer. So „>entgegnet der | |
[2][Berliner Organisationsforscher Leonhardt Dobusch]: "Insgesamt | |
betrachtet mag der Kindle ein Triumph für neue Open-Source-Software sein. | |
Aber ein Sieg für Offenheit allgemein muss das nicht sein." Denn Vielfalt | |
und Konkurrenz sind bei dem Kindle nicht vorgesehen. | |
## Schwachbrüstiger Kindle | |
So viel über den Kindle in der Presse geschwärmt wird, so schwachbrüstig | |
ist er auch. Gerade acht Gigabyte Speicher sind in dem Gerät eingebaut – | |
für ein Gerät, das gerade auch zum Abspielen von Videos eingesetzt werden | |
soll, ist das erstaunlich wenig. Der Speicher lässt sich anders als bei | |
vielen Android-Konkurrenten nicht durch eine Speicherkarte erweitern. Doch | |
das gehört zum Konzept. Wer viele Videos sehen oder Musik hören will, soll | |
die nicht auf dem Tablet abspeichern, sondern sich lieber direkt auf den | |
Servern von Amazon bedienen. Das Video-on-Demand-Geschäft floriert und | |
Amazon will daran teilhaben. | |
In die gleiche Richtung weist auch der neue "revolutionäre" Browser namens | |
Silk, den Amazon anstelle des Google-Browsers installiert hat. Statt | |
Webseiten direkt auf dem Gerät zu laden, läuft der gesamte Web-Traffic über | |
die Server von Amazon. Die berechnen den Datenstrom vor und zeigen | |
Webseiten auf diese Weise schneller an als normale Tablets, die auf die | |
eigenen rechenkraft angewiesen sind. | |
Das Prinzip ähnelt dem des Mobilbrowsers Opera Mini, doch Amazon will das | |
System für weitere Synergien nutzen. Dass der Kindle-Nutzer seine gesamte | |
Surfhistorie an Amazon sendet, sorgt bei Datenschützern schon für erste | |
Bedenken. Denn auch im Werbegeschäft will der Konzern sich weiter | |
verankern. So bekommen US-Kunden bei den kleineren Geschwistern des "Kindle | |
fire" in Zukunft 30 bis 40 Dollar Rabatt, wenn sie auf ihrem Gerät "Special | |
Offers" anzeigen lassen, sobald diese in den Standby-Betrieb gehen. | |
Angesichts der hohen Gewinnspanne, die Amazon schon heute beim Verkauf von | |
E-Books einfährt, ist dieser Preisnachlass schnell wieder erwirtschaftet. | |
30 Sep 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.forbes.com/sites/timothylee/2011/09/28/the-kindle-fire-and-the-t… | |
[2] http://governancexborders.com/2011/09/29/kindle-fire-open-source-triumph-or… | |
## AUTOREN | |
Torsten Kleinz | |
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