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# taz.de -- E-Book-Absatz in Deutschland: 1.000 Exemplare reichen für Platz 5
> Vor Weihnachten wurde E-Readern und E-Books in Deutschland der große
> Durchbruch prophezeit. Was ist aus diesen Ankündigungen geworden?
Bild: Längst kein Flop mehr. Aber Top? Amazons Kindle.
Weihnachten, Fest der Wünsche. Noch kurz vor den Feiertagen freute sich die
Marketing-Abteilung von Amazon, Deutschland werde "zur E-Reading-Nation".
Ähnlich euphorisch klang nach den Feiertagen der Weltbild-Verlag: "E-Books
und e-Reader sind der absolute Renner", jubelte man, das E-Book sei "in
Deutschland angekommen" - endlich, möchte man hinzufügen, denn seit Jahren
prophezeit sich die Branche selbst den Durchbruch.
Auf den ersten Blick scheinen die Freudentänze berechtigt: Weltbild
beispielsweise konnte eine "hohe sechsstellige Zahl an Readern" veräußern,
und der diesjährige Weihnachtsverkauf von E-Books liegt mehrere hundert
Prozent über dem des letzten Jahres. Amazon freute sich, dass das Kindle
mit der deutschen Menüführung das meistverkaufte Produkt seit dem 1.
November 2011 ist. "Nun ist das digitale Lesen in Deutschland angekommen",
schallt es aus der Marketingabteilung.
Trotzdem haben die PR-Mitteilungen was von einer Selbstbeschwörung: Der
Marktanteil in Deutschland liegt immer noch bei knapp über einem Prozent.
Auf 13 Millionen Euro beläuft sich der Umsatz im ersten Halbjahr 2011 – bei
1,4 Millionen verkauften E-Books. In den USA hat Amazon seit April des
letzten Jahres mehr digitale als gedruckte Bücher verkauft. Hier ist der
E-Book-Markt nach wie vor eine Nische, so sehr gar, dass sich die großen
Anbieter noch nicht einmal auf eine einheitliche Schreibweise von E-Book
einigen konnten.
## Gewinne knapp über Taschengeldniveau
"Es gibt einen Markt, wenn auch nur einen kleinen", sagt auch Johnny
Haeusler, der das Weblog Spreeblick.com betreibt. Ein paar Tage vor
Weihnachten kompilierte er 15 Kurzgeschichten, die er bereits auf
Spreeblick veröffentlicht hatte, zu einem "eBuch", für 99 Cent pro
Download. Nicht nur, um damit ewigen Ruhm und genug Schotter zu erlangen,
"um sich endlich eine Yacht leisten zu können", sondern auch als
Experiment: Haben die Verlage Recht, die behaupten, mit E-Books sei kein
Geld zu verdienen? Oder doch die Vertriebsplattformen mit ihrer
Selbstbejubelung?
Von Anfang an hat Haeusler die Verkaufszahlen veröffentlicht und
dokumentiert, wie ihn zunächst die Spreeblick-Leser in die diversen Charts
katapultierten. Nach vier Tagen reichten knapp 1.000 verkaufte Exemplare
für Platz 5 der Kindle-Bestsellercharts. Bis jetzt hat er 2.000 Bücher
verkauft, bei einer Marge von 35 Cent das Stück.
"Für ein Taschenbuch bekommt man als Autor auch nicht mehr", sagt Haeusler.
Ein Drittel der Käufer, schätzt er, seien regelmäßige Spreeblick-Leser
gewesen – der Rest sei wohl anderweitig auf das Buch aufmerksam geworden.
Jetzt ist der erste Run vorbei, um das Buch jetzt oben zu halten, müsste
man mehr Marketing machen, also bräuchte man einen Verlag.
Stimmt also, was die Wochenzeitung Der Freitag neulich schrieb – 2.000
verkaufte Exemplare, und schon hat man "einen Bestseller geschrieben"? Bei
einem Preis, der bei Erfolg aufs Jahr Gewinne knapp über Taschengeldniveau
abwirft? Haben die Verlage doch recht, wenn sie behaupten, mit E-Books
ernte man zwar Zeitungsartikel, aber fürs Geschäft sei das völlig
uninteressant?
## Buchpreisbindung und Buchhandlungen
Klar ist: Der Markt ist nach wie vor eine Nische, allerdings eine sehr
interessante. Die Käufergruppe – überwiegend jung, männlich, gebildet und
wohlhabend – gilt allgemein als Trendsetter. Was heute von dieser Gruppe
konsumiert wird, ist morgen im Mainstream. Wobei die Meinungen, was
"morgen" heißt, weit auseinandergehen. Die Unternehmensberatung
PricewaterhouseCoopers erwartet eine Verfünffachung des Marktanteils bis
2015.
[1][Eriginals Berlin] hat den Run auf die Lesegeräte am eigenen Leib
erfahren. Der Verlag macht elektronische Originalausgaben, also Bücher, die
(zunächst oder nur) als E-Book erscheinen. Sascha Lazimbat, Vertriebsleiter
bei Eriginals, glaubt, dass die Unterschiede zwischen den USA und
Deutschland zwar abnehmen, aber doch bestehen bleiben werden.
Dafür gebe es kurzfristige Gründe, die sich aber mit der Zeit einebneten,
zum Beispiel die Geräteverbreitung: Das Kindle gibt es in den USA bereits
seit 2008. Gleichzeitig aber "wird das Thema da über den Preis gespielt":
Amazon hat lange versucht, alle Bücher für 9,99 Dollar zu verkaufen. Das
geht in Deutschland schon wegen der Buchpreisbindung nicht. Und es gebe in
Deutschland eine funktionierende Buchhandelslandschaft. "In Miami hat man
in ganzen Berzirken keinen einzigen Buchladen mehr, da sind die Leute
darauf angewiesen, sich ihre Lektüre herunterzuladen."
Dass die Prognose von PricewaterhouseCoopers zutrifft, hält Lazimbat für
wahrscheinlich. Interessant sei allerdings, dass "andere Genres in den
Charts stehen als in Bestseller-Listen". Viele Public-Domain-Werke etwa wie
die Gebrüder Grimm oder auch Lektüre, die sich schneller runterreißen
lässt: kurze Texte, Liebesromane. "Den großen Roman stellen sich die Leute
immer noch lieber ins Regal, und wahrscheinlich wird das auf absehbare Zeit
so bleiben."
4 Jan 2012
## LINKS
[1] http://www.eriginalsberlin.com/
## AUTOREN
Frédéric Valin
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