# taz.de -- Bilderbuch-Apps für Kinder: Jeder Satz ein Erlebnis | |
> Verlage drängen mit Bilderbuch-Apps für Kinder auf den Markt. Der ist in | |
> Deutschland noch recht klein, die Idee kommt aus den USA: Das Lesen soll | |
> zum Event werden. | |
Bild: Lesen kann man hier auch: 3-D-Bilderbuch-App "Aschenputtel". | |
Es gibt ein Video bei YouTube, da haut ein kleines Kind ratlos auf einem | |
Magazin herum: Die Bilder bewegen sich nicht, nichts blinkt, fiept oder | |
klingelt. Das Kind ist irritiert: Ein Magazin ist offensichtlich kein iPad. | |
Das Video wurde über drei Millionen mal geklickt, knapp 3.000 | |
TouTube-Nutzer fühlten sich zu einem Kommentar berufen: Manche wähnten die | |
Kulturtätigkeit Lesen an sich in Gefahr, andere fragten, was die ganze | |
Aufregung soll. Einjährige Kinder hauen eben auf allem rum. | |
Kinderbuch-Apps für Tablet-Computer und Smartphones werden in den USA | |
bereits seit einiger Zeit zur pädagogisch wertvollen Bespaßung eingesetzt: | |
Mums for Apps oder Best Apps for Kids heißen einschlägige Internetseiten, | |
auf denen sich die modernen Eltern Empfehlungen für den nächsten Download | |
holen - Mums for Apps bietet gar Workshops an, wie man sein eigenes | |
Kinder-App auf den Markt bringt. In Deutschland ist das Thema relativ neu. | |
Vor gut einem Jahr, passend zu Weihnachten, warf der Hamburger Verlag | |
Oetinger die erste Bilderbuch-App für Kinder auf den deutschen Markt. Mit | |
Erfolg: Die Olchis aus Schmuddelfing schafften es kurz nach Verkaufsstart | |
in Apples Onlineladen unter die zehn umsatzstärksten Apps. | |
Wenig später zog dann der Carlsen Verlag nach und brachte die beliebten | |
Pixi-Bücher für Tablet und Smartphone heraus - "erfreulich", nennt Markus | |
Dömer, Bereichsleiter Business Development bei Carlsen, die Verkaufszahlen. | |
Man wolle das Engagement im Segment Kinder-Apps nun weiter ausweiten: | |
"Strategisch messen wir den Apps für Kinder einen hohen Stellenwert bei." | |
Für strategisch wichtig hält auch Till Weitendorf, Geschäftsführer bei | |
Oetinger, das Geschäft mit den Kinderbuch-Apps - auch wenn das Buchgeschäft | |
die tragende Säule der Verlage sei: "Rein von den Umsatzzahlen her gesehen | |
ist der App-Markt noch sehr klein." | |
## Konzentration auf analoges Lesen fällt schwerer | |
Eine Gefahr für die Lesekultur will Dirk Zorn, Leiter des Programmbereichs | |
Kindertagesstätten bei der Stiftung Lesen, in den Apps nicht erkennen. "Wir | |
sehen hier vor allem ein riesiges pädagogisches Potenzial." Im Idealfall, | |
sagt Zorn, funktioniere eine App genauso gut wie das Printprodukt: "Das | |
Vorlesen kann zum Event werden - ein gutes App liefert neben der Geschichte | |
auch Ideen, wie man sie weiter umsetzen kann - zum Beispiel mit Bildern, | |
einem Puzzlespiel oder passenden Liedern." | |
Einen "ganzheitlichen Ansatz" nennt Zorn das. Ganzheitlich funktioniert | |
aber auch jedes analoge Bilderbuch. War die Geschichte über Räuber, Drache | |
oder Prinzessin gut, braucht es kein Animationskonzept, um die Kinder zum | |
Malen oder Spielen zu bringen. Die Neurowissenschaftlerin Maryanne Wolf von | |
der Bostoner Tufts University warnte 2010 in einem Buch davor, der | |
kindlichen Fantasie zu viel Hilfestellung geben zu wollen. In "Das lesende | |
Gehirn" schreibt sie, wenn das Gehirn nur auf seine mögliche | |
Aufmerksamkeitsspanne hin zugeschnittene digitale Sequenzen serviert | |
bekomme, falle die Konzentration auf das analoge Lesen irgendwann schwerer. | |
Und: Die Fähigkeit, interpretierend zu lesen, leide zugunsten des | |
informationsverarbeitenden Lesens. | |
Ob man nun tatsächlich Gefahr läuft, Thomas Manns "Zauberberg" irgendwann | |
wie eine Mail zu scannen oder nicht: Ein Buch würde man einem Kind wohl | |
kaum aus Sorge über mediale Übersättigung aus der Hand reißen. Ein Tablet | |
schon: In Internetforen begeistern sich Eltern für die neuen multimedialen | |
Möglichkeiten für den Nachwuchs - mit der Stoppuhr in der Hand. Zu lange | |
auf die bunten Bilder gucken soll der Nachwuchs nicht. Ganzheitlicher | |
Ansatz hin oder her. | |
23 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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