# taz.de -- Forderungen nach NPD-Verbot: Zwei Hürden bleiben | |
> Das Verfassungsgericht hat bereits 2003 klargestellt, was die Politik | |
> beachten muss, um mit einem NPD-Verbot nicht erneut zu scheitern. Aber | |
> die Vorgaben sind unbequem. | |
Bild: Die NSU war ebenfalls eng mit Kameradschaften und NPD verbunden. | |
FREIBURG taz | Wenn ein neuer Verbotsantrag gegen die NPD gestellt wird, | |
dann soll er auf keinen Fall erneut im Bundesverfassungsgericht scheitern. | |
Darin sind sich Politiker aller Fraktionen einig. Sie studieren deshalb | |
genau den Karlsruher Beschluss von 2003, mit dem das damalige | |
Verbotsverfahren wegen "nicht behebbarer Verfahrenshindernisse" eingestellt | |
wurde. | |
So forderten die Verfassungsrichter damals, dass V-Leute in der NPD-Spitze | |
künftig "unmittelbar vor und während der Durchführung eines | |
Parteiverbotsverfahrens" abgeschaltet werden. Die Richter sahen eine | |
unzulässige Schwächung der Partei im für sie existenziellen | |
Verbotsverfahren, wenn wichtige Funktionäre der Partei zugleich für Partei | |
und Staat tätig sind. Diese Funktionäre seien dann "einander | |
entgegengesetzten Loyalitätsansprüchen" ausgesetzt. | |
Der Staat müsse seine Spitzel selbst dann abschalten, wenn er sie nicht | |
benutzt, um die NPD zu steuern oder deren Prozessstrategie auszuforschen. | |
Gemeint sind damit aber nur Spitzel im NPD-Bundesvorstand und in den 16 | |
NPD-Landesverbänden. Sonstige V-Leute auf unteren Ebenen der Partei können | |
weiterarbeiten. | |
Realistischerweise muss der Verfassungsschutz in Kauf nehmen, dass er die | |
NPD-Spitze rund zwei Jahre nur begrenzt beobachten kann. So muss die | |
Abschaltung der V-Leute laut Karlsruher Beschluss "spätestens mit der | |
öffentlichen Bekanntmachung der Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen" | |
erfolgen. Von der Ankündigung bis zur offiziellen Einreichung der Anträge | |
durch Bundestag, Bundesregierung und/oder Bundesrat werden dann einige | |
Monate vergehen. | |
## Ohne Komplikationen wären es zwei Jahre | |
Rund ein Jahr dauerte es beim letzten Anlauf von der Antragsstellung bis | |
zur Gerichtsverhandlung. Das Urteil wäre einige Monate später erfolgt. | |
Macht zusammen rund zwei Jahre, wenn es nicht wieder Komplikationen gibt. | |
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte am Montag, nur noch CDU-regierte | |
Bundesländer weigerten sich, ihre V-Leute für die Dauer des | |
Verbotsverfahrens abzuschalten. | |
Die zweite Karlsruher Hürde betrifft den Inhalt der Verbotsanträge. Diese | |
dürfen sich nur in "unerheblichem Umfang" auf Aussagen von Funktionären | |
stützen, die zugleich als V-Leute für den Staat arbeiteten. Soweit doch | |
solche Funktionäre zitiert werden, muss die Doppelfunktion der Urheber | |
kenntlich sein. | |
Die V-Leute werden durch diese Vorgaben nicht wertlos, denn die | |
Informationen, die sie liefern, können durchaus verwendet werden. Wenn sie | |
sich aber selbst als Politiker äußern - öffentlich oder im Hinterzimmer -, | |
soll dies nur ganz eingeschränkt zur Charakterisierung der Partei | |
herangezogen werden dürfen. | |
Diese Forderung ist leicht zu erfüllen, schließlich sind ja genügend | |
NPD-Funktionäre nicht als V-Leute tätig. Allerdings könnte es die V-Leute | |
gefährden, wenn sie in Schriftsätzen an das Gericht als solche geoutet | |
werden müssen. Ähnliches gilt, wenn hetzerische Reden von V-Leuten gezielt | |
(und damit auffällig) weggelassen werden. | |
## Wie verbindlich sind die Vorgaben? | |
Weil die Vorgaben unbequem sind, wird natürlich darüber nachgedacht, wie | |
verbindlich sie überhaupt sind. So wurden die beiden Hürden nur von einer | |
Minderheit von drei Richtern formuliert - die Mehrheit hatte keine Einwände | |
gegen eine Beobachtung der NPD während des Verbotsverfahrens. Die drei | |
Richter der Minderheit hatten aber ein Vetorecht, weil im | |
Parteiverbotsverfahren alle wichtigen Entscheidungen mit | |
Zweidrittelmehrheit im achtköpfigen Senat entschieden werden müssen. | |
Gegen eine Fortgeltung der Hürden könnte sprechen, dass alle drei | |
RichterInnen der damaligen Sperrminorität inzwischen aus dem Zweiten Senat | |
ausgeschieden sind: die Linken Winfried Hassemer und Lerke Osterloh und der | |
Konservative Siegfried Broß. Allerdings gab es aus dem Zweiten Senat unter | |
Präsident Andreas Voßkuhle bisher keinerlei Hinweis darauf, dass die | |
damaligen Hürden nun ignoriert werden könnten. | |
Theoretisch wäre auch eine Änderung des Grundgesetzes möglich. So könnte | |
dort geregelt werden, dass eine Partei während eines Verbotsverfahrens mit | |
Spitzeln überwacht werden darf. Allerdings greift eine solche Regelung | |
stark in die Prinzipien eines rechtsstaatlichen Prozesses ein und könnte | |
von manchen Richtern als verfassungswidriges Verfassungsrecht qualifiziert | |
werden. Ein Verbot ohne jedes Risiko wäre auf diesem Weg also auch kaum | |
möglich. | |
Eines sollte man aber nicht vergessen: Alle heiklen Punkte betreffen | |
Verfahrensfragen. In Karlsruhe bezweifelt kaum jemand, dass die NPD als | |
verfassungswidrige Partei verboten würde - wenn dem | |
Bundesverfassungsgericht ein korrekter Antrag vorgelegt wird. | |
21 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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