| # taz.de -- Mordserie der Neonazis: Noch viele Geheimnisse zu lüften | |
| > Warum konnte das Nazitrio so lange im Untergrund agieren? Behördenchefs | |
| > stellten sich den Fragen der Parlamentarier – und ließen diese | |
| > unbeantwortet. | |
| Bild: Wer weiß was? Der oberste Verfassungsschützer Heinz Fromm (l.) und BKA-… | |
| BERLIN taz | Es sollte ein Tag der Aufklärung werden. Doch was die | |
| Parlamentarier am Montag im Bundestagsinnenausschuss von den Behördenchefs | |
| über mögliche Ermittlungsfehler bei der Mordserie des | |
| "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) hörten, befriedigte sie nicht. | |
| "Ich bin enttäuscht", sagte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz nach | |
| der Sitzung. "All die Fragen, die in der Öffentlichkeit gestellt werden, | |
| blieben unbeantwortet." Ähnlich äußerte sich auch der FDP-Innenexperte | |
| Hartfrid Wolff. "Die Puzzleteile sind noch nicht zusammengeführt", sagte | |
| er. | |
| Offen bleibt vor allem die zentrale Frage: Wie konnte es passieren, dass | |
| eine Gruppe von Neonazis in den Untergrund abtauchen und 13 Jahre unerkannt | |
| morden und rauben konnte? | |
| Zu der viereinhalbstündigen, vertraulichen Sitzung waren neben | |
| Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sechs Chefs von | |
| Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern nach Berlin gekommen. Der | |
| Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, und Generalbundesanwalt | |
| Harald Range referierten den Stand der Ermittlungen. | |
| ## Pässe, Wohnungen, Konten zur Verfügung gestellt | |
| Demnach soll die Zahl der mutmaßlichen Mitglieder und Helfer des NSU | |
| inzwischen auf 12 gestiegen sein. Fünf werden von der Bundesanwaltschaft | |
| als Beschuldigte geführt. Sie sollen dem Neonazi-Trio unter anderem Pässe | |
| überlassen, Wohnungen untervermietet, Konten zur Verfügung gestellt oder | |
| beim Herstellen der Bekenner-DVD geholfen haben. | |
| Der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, machte nach | |
| Angaben von Teilnehmern am Montag einen sehr nachdenklichen Eindruck. Die | |
| neonazistische Mordserie sei "eine Niederlage für die Sicherheitsbehörden", | |
| sagte er. Als erste Konsequenz soll es in seiner Behörde künftig eine | |
| eigene Abteilung "Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus" geben. Bisher sind | |
| der "Deutsche Links- und Rechtsextremismus" in einer Abteilung | |
| zusammengelegt, während es längst eine eigene für "Islamismus und | |
| islamistischen Terrorismus" gibt. | |
| Geht es nach dem Innenministerium, soll das Bundesamt für Verfassungsschutz | |
| noch deutlich mehr Befugnisse bekommen und etwa Daten über militante | |
| Rechtsextremisten länger speichern dürfen. Auch Neonazi-Seiten im Internet | |
| soll das Amt stärker beobachten - ähnlich wie es das "Gemeinsame | |
| Internetzentrum" seit 2007 im Bereich des islamistischen Terrorismus | |
| leistet. | |
| ## | |
| Unterdessen wurde bekannt, dass es sich bei dem Mord an der Polizistin | |
| Michèle K. 2007 in Heilbronn um eine gezielte Tat handeln könnte und sie | |
| von den Rechtsterroristen nicht als beliebige Vertreterin der Staatsgewalt | |
| ausgewählt und getötet wurde. Womöglich kannten sich Täter und Opfer. | |
| So soll die Familie der Polizistin nach Angaben aus Sicherheitskreisen | |
| versucht haben, einen Gasthof in Thüringen anzumieten, der am Ende aber an | |
| einen Mann aus dem Umfeld des NSU ging und dann als Rechtsextremistentreff | |
| galt. Michèle K. selbst habe lange gegenüber dem Gasthof gewohnt, hieß es. | |
| Welches Motiv es für den Mord in Heilbronn Jahre später aber gegeben haben | |
| könnte, ist noch völlig unklar. | |
| Das Bundesjustizministerium erklärte, dass die Angehörigen der Opfer der | |
| Zwickauer Zelle mit jeweils 10.000 Euro entschädigt werden sollen. Das Geld | |
| stammt allerdings nicht - wie die Ankündigung des Ministeriums vermuten | |
| lassen könnte - aus Extramitteln, sondern aus einem seit 2001 bestehenden | |
| Fonds für Opfer extremistischer Gewalt. Im aktuellen Haushaltsplan für 2012 | |
| sollen die Mittel für diesen Fonds von einer auf eine halbe Million Euro | |
| gekürzt werden. | |
| 21 Nov 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| W. Schmidt | |
| P. Wrusch | |
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