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# taz.de -- Spaniens neuer Regierungschef Rajoy: Der bekannte Unbekannte
> Der künftige spanische Regierungschef Mariano Rajoy gilt als Langweiler.
> Drei Anläufe hat der Spitzenpolitiker der Partido Popular (PP) für seinen
> Wahlsieg gebraucht.
Bild: Ein strahlender Wahlsieger: Mariano Rajoy.
MADRID taz | Große Worte finden sich wenige, wenn es darum geht, den
spanischen Wahlsieger und künftigen Regierungschef Mariano Rajoy zu
beschreiben. "Er redet, als würde er eine Unterrichtseinheit wiederholen",
bestätigt dem 56-jährigen Konservativen die Tageszeitung El País
Langeweile. Als "Meister der Zweideutigkeit" oder "immer mit einem flachen
Profil" sehen andere den Politiker, der drei Anläufe gebraucht hat, um als
Kandidat der spanischen Volkspartei (PP) endlich in den Regierungspalast
einziehen zu können.
Wenn Rajoy, der 1990 nach einer steilen, regionalen Karriere im
nordwest-spanischen Galicien unter dem PP-Gründer und ehemaligem Minister
der Franco-Diktatur, Manuel Fraga, nach Madrid kam, eines hat, ist es
Ausdauer, Überlebenswille oder einfach nur Geduld.
Als Rajoy 2003 an die PP-Spitze rückte, war sein innerparteilicher
Spielraum lange denkbar gering. Denn nicht die Parteibasis hatte ihn
gewählt. José María Aznar brachte Rajoy ins Spiel, als er, wie versprochen
nach acht Jahren als Regierungschef nicht erneut zu den Wahlen antreten
wollte.
Aznar dankte dem Mann in seinem Schatten für dessen treue Dienste in
verschiedenen Ministerien. Alle große Krisen bewältigte Rajoy für seinen
Herrn. Auch wenn er sich damit selbst oft an den Rand der völligen
Unglaubwürdigkeit und Lächerlichkeit brachte.
Eine dieser Episoden passierte während des Unglücks des Öltankers Prestige
2002 vor der Küste Galiciens. Die Regierung Aznar beschloss das
angeschlagene, randvolle Schiff aufs offene Meer zu schleppen. Es brach
schließlich auseinander und sank.
## Zwei verlorene Wahlen
"Einige Ölfäden" stiegen auf erklärte Rajoy, damals stellvertretender
Regierungschef unter Aznar und dessen Sprecher gegenüber der Presse, als
längst schon Luftaufnahmen zeigten, dass ein Ölteppich so groß wie Berlin
auf die Küste zuschwappte.
Alle Umfragen sahen Rajoy 2004 dennoch als Wahlsieger. Dann explodieren die
Bomben in den Pendlerzügen in Madrid. Der noch regierende Aznar suchte aus
wahltaktischen Gründen die Urheber bei der baskischen ETA und leugnete
einen Zusammenhang mit den Islamisten und damit mit dem unpopulären Einsatz
spanischer Truppen im Irak, gegen den über eine Million Menschen auf die
Straße gegangen waren.
Rajoy zahlte für die Lüge. Der Sozialist José Rodríguez Zapatero gewann
2004 und auch wieder 2008.
Beide Male wurde der begeisterte Hobbyradsportler Rajoy nicht nur von
seinen politischen Gegnern, sondern auch von vielen in den eigenen Reihen
für politisch tot erklärt. Die Kritik wurde immer lauter, vor allem von
denen, die sich bei der Ernennung Rajoys übergangen fühlten.
## Ein "normaler Bürger"
Er habe keinen Führungsstil, sei zu wenig aggressiv, warfen ihm viele in
der PP vor. Rajoy saß die Krisen aus. Und machte sich, ohne bei den hitzige
Debatten mitzumischen, ganz pragmatisch daran, langsam aber sicher seine
eigene Führungsriege aufzubauen.
Der in einer Kleinstadt aufgewachsene Vater zweier Kinder stellt sich gerne
als "normaler Bürger" dar und bezeichnet sich als "absolut vorhersehbar".
Und doch kann niemand sagen, wofür Rajoy eigentlich steht.
Die Jahre der Krise beschränkte er sich darauf die Regierung zu
kritisieren. Politische Alternativen legte er keine vor. Auch den Wahlkampf
bestritt er ohne wirkliches Programm. Nicht einmal sein Schattenkabinett
stellte er vor.
Und so manchem macht die Vorstellung unter einer Regierung Rajoy leben zu
müssen Angst. Denn es ist völlig unklar ob Rajoy seiner radikal-religiösen
Basis, die die PP in den Jahren der Opposition gerne gegen Zapatero auf die
Straße mobilisiert hat, Rechnung trägt und die Abtreibung verbieten und die
Homoehe abschaffen wird.
22 Nov 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
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