# taz.de -- Proteste in Spanien: "Ungerecht, unnütz und wirkungslos" | |
> Hunderttausende gehen in Spanien landesweit gegen eine Reform des | |
> Arbeitsmarktes auf die Straße. Die Gewerkschaften drohen mit einem | |
> Generalstreik. | |
Bild: Protest gegen die Arbeitsmarktreform am Sonntag in Madrid. | |
MADRID taz | Das Urteil über die Arbeitsmarktreform der konservativen, | |
spanischen Regierung unter Mariano Rajoy ist klar: "Ungerecht, unnütz und | |
wirkungslos." So lautete das Motto, unter dem am Sonntag weit mehr als eine | |
Million Menschen in 57 Städten auf die Straße ging. Zu den Protesten hatten | |
die Gewerkschaften CCOO und UGT aufgerufen. Die "Bewegung der Empörten" | |
sowie die Parteien links der Mitte schlossen sich an. Allein in Madrid | |
beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter eine halbe Million Menschen. | |
"Das ist eine Reform, die Entlassungen erleichtert", beschwert sich | |
CCOO-Chef Ignacio Fernández Toxo. Die Abfindungen für Entlassene werden auf | |
etwas mehr als die Hälfte gesenkt. Künftig macht es keinen Unterschied | |
mehr, ob ein Rausschmiss gerechtfertigt ist oder nicht. Dies stellte bisher | |
ein Richter fest. Außerdem können Massenentlassungen bereits durchgeführt | |
werden, wenn der Unternehmer für die nahe Zukunft Verluste befürchtet. | |
Schreibt ein Betrieb drei Quartale rote Zahlen, können die Löhne gesenkt | |
oder die Arbeitszeiten erhöht werden. Wer nicht einverstanden ist, hat das | |
Recht, "sich selbst zu entlassen". | |
Zudem wird die Probezeit in Betrieben mit bis zu 50 Mitarbeitern von drei | |
Monaten auf ein Jahr erhöht. Für Menschen unter 30 sieht das Gesetz einen | |
schlecht bezahlten, einjährigen Anlernvertrag vor. | |
Die Arbeitsmarktreform ist die letzte einer Reihe von unpopulären | |
Maßnahmen, die die Konservativen in zwei Monaten beschlossen haben. 2012 | |
sollen mehr als 40 Milliarden Euro eingespart werden. Der Betrag kann höher | |
sein, je nachdem, wie hoch das Defizit 2011 ausfällt. Redeten die | |
abgewählten Sozialisten von etwas mehr als 6 Prozent, kalkuliert Rajoy mit | |
mehr als 8 Prozent. Brüssel fordert zum Ende des Jahres 4,4 Prozent. | |
Während die Regierung die Steuern erhöht, wird vor allem in den Regionen | |
die Schere angesetzt. Im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen werden | |
Stellen abgebaut. Öffentliche Betriebe entlassen tausende Arbeitnehmer. | |
Längst gesteht die Regierung ein, dass die Arbeitslosigkeit steigen wird. | |
5,3 Millionen Spanier sind ohne Job - rund 23 Prozent. Bis Ende 2012 werden | |
es, schätzt das Wirtschaftsministerium, 5,7 Millionen sein. Die | |
Gewerkschaften befürchten 6 Millionen. Der Konflikt wird sich verschärfen. | |
Als Höhepunkt schließen die Gewerkschaften einen Generalstreik nicht aus. | |
Die Regierung kündigte eine Reform des Streikrechts an. | |
19 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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