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# taz.de -- Finanzkrise weitet sich aus: Belgien droht der Staatsbankrott
> Keine Regierung und kein Geld. Belgien droht die Pleite. Nach dem
> Scheitern der Koalitionsverhandlungen verlieren die Märkte das Vertrauen
> in das einstige EU-Musterland.
Bild: Und tschüss: der designierte belgische Premierminister Di Rupo gibt auf.
BRÜSSEL taz | Für Belgien wird es eng. Nachdem die schon monatelangen
Regierungsverhandlungen am späten Montagabend wieder einmal für gescheitert
erklärt worden sind, muss das Land damit rechnen, in den Abwärtsstrudel der
europäischen Schuldenländer zu geraten.
Am Dienstag musste das Land für mehrjährige Staatsanleihen bereits über 5
Prozent Zinsen anbieten - so viel wie seit 2008 nicht mehr. Verschiedene
Ratingagenturen hatten bereits in den vergangenen Monaten mit einer
Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes gedroht, das seit den Wahlen
im Juni vergangenen Jahres keine funktionierende Regierung mehr hat.
Dringend notwendige Strukturreformen bleiben deshalb in der Schublade.
Zusätzlich zur Wirtschaftskrise muss Belgien darüber hinaus die Rettung der
belgisch-französischen Dexia-Bank stemmen, die den Staatshaushalt weitere
Milliarden kosten wird. Die Märkte verlieren das Vertrauen, dass eine
Regierungsbildung überhaupt noch möglich ist.
Diesmal scheiterten die Koalitionsverhandlungen an der Ausarbeitung des
Haushalts für 2012. Die flämischen und frankofonen Parteien konnten sich
nicht darauf einigen, wo das Land im kommenden Jahr sparen soll.
Einsparungen von mindestens elf Milliarden Euro sind notwendig, um die von
der EU vorgeschriebene Defizitgrenze von drei Prozent Neuverschuldung nicht
zu überschreiten.
## 700 Millionen Euro Strafe
Die Europäische Kommission hat das Land bereits mehrfach verwarnt und
verlangt schon im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt. Sonst droht
Belgien eine Strafzahlung von bis zu 700 Millionen Euro. Spätestens Mitte
Dezember muss die belgische Regierung der EU-Kommission einen
Haushaltsentwurf vorlegen. Noch ist unklar, ob diese auch einen Entwurf von
der geschäftsführenden Regierung akzeptieren würde, der lediglich die
gleichen Ausgaben wie 2011 beinhalten könnte. Einsparungen oder
Mehrausgaben darf die geschäftsführende Regierung nämlich nicht
beschließen.
Die Wirtschaftskrise und die Streitereien zwischen den flämischen und
frankofonen Parteien haben aus dem ehemaligen Musterschüler der EU ein
Sorgenkind gemacht. Anfang des Jahrtausends hatte es das Land noch
geschafft, sechsmal in Folge ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Die
Staatsschulden konnten mit konsequenten Sparprogrammen von über 130 auf
rund 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden. Von diesen
Anstrengungen ist kaum etwas übrig geblieben. Heute liegt die Verschuldung
wieder über 100 Prozent.
In Brüssel wird deshalb fieberhaft nach einer Lösung gesucht. Der belgische
König hat den Rückzug des bisherigen Verhandlungsführers Elio Di Rupo von
den frankofonen Sozialdemokraten noch nicht akzeptiert. Er könnte ihn
anweisen, weiterzumachen. Immer lauter werden aber die Stimmen, die eine
Expertenregierung nach italienischem Vorbild fordern. Bereits im kommenden
Frühjahr könnten dann Neuwahlen stattfinden.
22 Nov 2011
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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