# taz.de -- Karl-Theodor zu Guttenberg in Buchform: Gescheitert und gescheitelt | |
> Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg spricht in seinem neuen Buch mit | |
> "Zeit"-Chef Giovanni di Lorenzo. Auch über ein mögliches Comeback des | |
> Promotionsschwindlers. | |
Bild: Weg ist nur die Brille: Karl-Theodor zu Guttenbergs mediales Comeback. | |
Ein gefallener Minister entscheidet sich, zurückzukehren: Machen wir als | |
Journalisten sein Geschäft, wenn wir darüber berichten? Giovanni di | |
Lorenzo, der Chefredakteur der Zeit, hat den gefallenen Minister | |
interviewt: Er hat sein Porträtbild, einen unbebrillten und gescheitelten | |
Guttenberg, auf den Titel der Zeit gesetzt und veröffentlicht das gesamte | |
Gespräch in einem Buch, das heute erscheint. Kann man dieses Buch | |
ignorieren? | |
Es gibt gute Gründe, das Gegenteil zu tun: weder die Rückkehrambitionen | |
Guttenbergs zu ignorieren noch die mediale Inszenierung, die imstande ist, | |
seine Rückkehr zu beschleunigen. Der erste Grund: Karl-Theodor zu | |
Guttenberg drängt zurück in die Politik. Er hat nach wie vor Anhänger. Sie | |
goutieren, wie sich Guttenberg inszeniert: Als Antipolitiker. | |
Die Zeiten der politischen Orientierungslosigkeit, der Schulden- und | |
Eurokrise begünstigen diese Inszenierung, sie geben ihr eine Bühne. | |
Guttenberg wird somit erneut zum politischen Faktor, wie groß auch immer, | |
ob in Bayern oder Berlin. | |
Der zweite Grund: Das Buch, di Lorenzo im Gespräch mit zu Guttenberg, ist | |
ein Anlass, sich mit der Fähigkeit des Exministers auseinanderzusetzen, | |
"fast in alle wichtigen Redaktionen dieses Landes belastbare Beziehungen | |
aufzubauen, mit ungeheurem Charme", wie es der Politikchef der FAZ, Volker | |
Zastrow, geschrieben hat. Ist es ebenjener Charme, dem der Chef der Zeit | |
erlegen ist? Wirkt er noch, nach allem was vorgefallen ist? | |
## "Guttenberg ist seinen Doktor jur. los. Das ist angemessen" | |
Di Lorenzo kann als Verteidiger Guttenbergs gelten, als einer der wenigen | |
verbliebenen in den Häusern der Qualitätsmedien. Im Februar 2011, als der | |
Rücktritt des Ministers drohte, ergriff di Lorenzo für Guttenberg Partei. | |
"Karl-Theodor zu Guttenberg ist seinen Doktor jur. los. Das ist angemessen. | |
Sein Amt soll er behalten", schrieb di Lorenzo in einem Leitartikel. | |
Die Redaktion, mehrheitlich eher aufseiten der Guttenberg-Kritiker, murrte. | |
In einer freitäglichen Redaktionssitzung entlud sich der Ärger über die | |
Linie des Chefredakteurs. Sollte sich ausgerechnet die Zeit, das Blatt der | |
Doktoren und Professoren, auf die Seite des Promotionsschwindlers stellen? | |
Nun das Buch, ein Gespräch auf 208 Seiten, geführt in einem Londoner Hotel | |
in "der zweiten Oktoberhälfte", wie di Lorenzo im Vorwort schreibt. Die | |
Kapitelnamen, die das Gespräch gliedern, bewegen sich in ihrer | |
Monumentalität zwischen Dostojewski und Thomas Mann: Aufstieg und Fall, | |
Herkunft und Prägung, Politik und Parteien, Gegenwart und Zukunft. | |
Es gibt Familien, in denen jene Melange aus Pathos und Verlogenheit | |
gepflegt wird: Vielleicht ist dieses Buch ein gutes Weihnachtsgeschenk. | |
## Erschwerte Lebens- und Arbeitsbedingungen | |
Frage di Lorenzo, erstes Kapitel: "Sie wollen, dass dieses Gespräch noch | |
vor Jahresende erscheint. Warum diese Eile?" Antwort Guttenberg: "Es sind | |
viele Menschen auf mich zugekommen, die mir gegenüber sehr positiv | |
eingestellt sind, die aber noch viele Fragen an mich haben, vor allem mit | |
Blick auf die Affäre um meine Dissertation. Mir war es wichtig, diese | |
Fragen zu einem Zeitpunkt zu beantworten, an dem meine Erinnerung noch klar | |
genug ist." | |
Man könnte dieser Passage entnehmen, dass der Star seiner enttäuschten | |
Gemeinde ein "vorerst gescheitert" vermitteln will. Abgesehen von der | |
Frage, warum das in einem Zeit-Titel und einem Interviewbuch geklärt werden | |
muss (wie wäre es mit Facebook oder Twitter?), muss man nach der Lektüre | |
des Buchs konstatieren, dass man wenig Neues über die Affäre um die | |
Dissertation erfährt. | |
Guttenberg erklärt den Betrug nach wie vor mit erschwerten Lebens- und | |
Arbeitsbedingungen: mit der Doppelbelastung Familie und Wissenschaft, der | |
Doppelbelastung Politik und Wissenschaft, mit dem zeitlichen Verschleppen | |
der Dissertation, dem Verteilen der Arbeitsmaterialien auf 80 Datenträger. | |
"Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler", sagt zu Guttenberg | |
auf Seite 13. Mehr Bekenntnis gibt es nicht. | |
Das Gespräch endet, wie es enden muss: mit der Frage nach den | |
Rückkehrambitionen des gescheiterten Ministers. Er halte sich alles offen, | |
sagt zu Guttenberg. Und er wäre nicht Karl- Theodor zu Guttenberg, würde er | |
die Frage nach seiner Rückkehr nicht mit einer allgemeinen Einschätzung | |
über den Zustand der Demokratie verbinden. "Man muss auch von politischen | |
Führungskrisen sprechen, in Deutschland und anderswo", sagt zu Guttenberg. | |
Kluge Erkenntnis. Doch er meint nicht sich. Er meint die anderen. | |
29 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Dachsel | |
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