# taz.de -- Debatte "Die Zeit" und Guttenberg: Wenn das Marketing feiert | |
> Was vereint di Giovanni und zu Guttenberg? Der Hang zum Zusatzgeschäft | |
> und die Abscheu vor mühsamen Aushandlungsprozessen. | |
Bild: Genau abgepasst: Karl-Theodor zu Guttenberg will wieder zurück auf die p… | |
Die Zeit löst Reflexe aus. Zunächst den Reflex des Ausschüttelns. Es gibt | |
Ausgaben, da dauert es, bis der Käufer den unter Kursen, Konferenzen, CD-, | |
Wein-, Buch-, Akademie-, Wellness-, Video-, Kunst- und | |
Reise-Zusatzangeboten begrabenen Journalismus freigelegt hat; Handarbeit | |
gegen das mediale "Manufactum". | |
Der zweite Reflex: Helmut Schmidt ist Die Zeit. Das ist natürlich Unsinn. | |
Denn Bernd Ulrich, Jan Ross, Iris Radisch, Thomas Assheuer und viele | |
weitere blendende Schreiber sind Die Zeit. Aber irgendwie verstellt ständig | |
- zu allen Themen! - dieser knurrende Medizinmann der deutschen Politik den | |
Blick auf das Blatt: mit seinen Leitartikeln, Büchern, Jahresrückblicken, | |
Schachspielen, Zigaretten-Interviews, Auftritten auf hauseigenen | |
Konferenzen. Aus Sicht des Zeit-Marketing: ganz großes Kino. | |
Der dritte Reflex: Bauen die etwa auch noch die Rekrutierung von | |
Regierungspersonal zu einem Zusatzgeschäft aus? Helmut Schmidt schult und | |
segnet künftige Kanzlerkandidaten. In der Verlagswerbung heißt es dazu: | |
"Der Altkanzler schickt seinen Erben ins Rennen um die Macht." | |
Peer Steinbrück hat seine Kolumne, und mit KTG - noch in Aufnahmeprüfung | |
fürs Zeit-Politikercamp - wird ein Buch gemacht. Ein Chefredakteur, der das | |
alles repräsentieren und verkaufen muss, hat zu tun. Da tritt der | |
Journalismus - verständlich - in den Hintergrund. | |
Deshalb: Wenn der Chefredakteur dieser politisch bedeutenden und prägenden | |
liberalen Wochenzeitung zwar regelmäßig als Talk- und | |
Konferenzen-Moderator, aber nur gelegentlich als Leitartikler und | |
Interviewer in Sachen Politik präsent ist, dann schaut jeder genauer hin, | |
was dieser Mann als würdig wählt, von ihm persönlich journalistisch | |
behandelt zu werden. Das muss ihm besonders wichtig sein. | |
GdL macht ein Buch mit KTG. Der Chefredakteur der Zeit macht mit dem | |
CSU-Politiker ein Buch. | |
Puristen sagen: Es ist mit dem Ethos eines unabhängigen Journalismus | |
unvereinbar, sich mit einem Objekt der Berichterstattung so in Szene zu | |
setzen. Das macht befangen. Wenn es der Chefredakteur macht, nicht nur ihn, | |
sondern die Redaktion. | |
## Flucht in die Sackgasse | |
Aber da es heute keine Puristen mehr gibt, sagt das keiner. Und der Verlag | |
lässt verlauten: Aber das ist doch "ein Streitgespräch"! KTG wurden also | |
ordentlich die Leviten gelesen. | |
Aber auch dieser Fluchtweg ist eine Sackgasse. Denn es werden in dem Buch | |
nur Fragen gestellt, und die lassen sich meist auch noch nach dem | |
GdLschen-Dreiklang ordnen: Wie geht es Ihnen? Was werden Sie machen? Wollen | |
Sie noch etwas sagen? Übrigens: Es waren diese Gefälligkeiten, die den | |
Größenwahn von KTG zum Blühen brachten; aber auch das ist kein Verdienst | |
von GdL, bestenfalls Aufklärung wider Willen. | |
Das gemeinsame Werk ist also auch kein Streitgespräch, sondern tragender | |
Pfeiler einer Marketingkampagne: Auftritt Halifax, Einstellung der | |
Ermittlungen, Buch. GdL legt seine Fragen für KTG als Holzplanken über | |
dessen morastigen Weg zurück in die deutsche Politik; damit er nicht nur | |
auf Bild angewiesen ist. | |
## Gehandelt wird immer sofort | |
Warum entschied GdL, das zu tun? Zwei nicht haltlose Spekulationen. Die | |
erste: GdL sucht seine Themen nicht unter dem Aspekt der Relevanz, sondern | |
dem der Verkaufbarkeit aus; siehe Anmerkungen oben. | |
Die zweite nicht haltlose Spekulation: GdL positioniert sein Produkt in der | |
Mitte des Bürgertums und will diesem Bürgertum seine Zeit auch bei all | |
seinen autoritären Wirrungen treu zur Seite stellen; vermutlich decken sich | |
da Aspekte der Betriebswirtschaft (Auflage, Gewinn) mit eigenen | |
Überzeugungen. Wenn ihm schon der Vorabdruck von Thilo Sarrazin durch die | |
Lappen gegangen ist … | |
Wer mit KTG ein Buch macht, weiß um dessen Politikverständnis: Zu | |
Guttenberg entlässt sofort Spitzenbeamte, er verteidigt sofort den | |
Kundus-Einsatz, er verurteilt sofort den Kundus-Einsatz, er entlässt sofort | |
die Wehrpflicht-Armee, er stellt sofort eine Berufsarmee ein. Jeweils ohne | |
viele Worte. KTG handelt wie ein Manager. | |
Er stellt die Unbeschwertheit des Manager-Adels gegen Regeln und Sitten der | |
Verhandlungsdemokratie. Er dient gern Dritten als Anlass, die Demokratie | |
mit ihrem schwerfälligen Alltag des Abwägens und Austarierens | |
herabzuwürdigen und nicht als wertvoll zu begreifen. | |
## Feinstes Analysebesteck | |
GdL hat sich diesen Politikertyp bewusst herausgesucht. Anfang 2011 | |
plädierte er, KTG könne im Ministeramt bleiben, denn es gehe nicht um das | |
Plagiat. Sondern: "Es geht um den Mann, der eine Hoffnung für die | |
politische Klasse ist." | |
KTG geht es auch nicht um das Plagiat, sondern um diese bösen, bösen 80 | |
Datenträger, auf denen er seine Exzerpte verteilt habe und dann | |
durcheinanderkam. Und GdL entdeckt mit feinstem Analysebesteck ausgerechnet | |
dann "in einigen Medien etwas Jakobinisches", wenn die zu Guttenbergsche | |
"Fehlleistung mit seinem Adelstitel in Verbindung gebracht wird". | |
Für GdL zählt dieser KTG, der den Einzug von Feudalismus - Variante AC/DC - | |
in die demokratische Politik verkörpert, unverändert "zu den größten | |
politischen Talenten". Wenn GdL sich in Leitartikeln äußert, dann drehen | |
sich seine Gedanken um: die "furchterregende Entfremdung der Bürger von der | |
Politik", die in ihrer Existenz bedrohten Volksparteien, das Aufkommen von | |
Klientelparteien. | |
## Koch, Merz, Clement ... | |
Nur Politiker wie KTG seien in der Lage, diese Klüfte zwischen dem Volk und | |
den Parteien zu schließen. Und so wirbt er Mitte 2010 in seinen Texten für | |
die Rückkehr von Roland Koch, Friedrich Merz und Wolfgang Clement in die | |
Politik, wie er heute Peer Steinbrück und KTG befördert. | |
Was eint diese Politiker? Sie alle hätten immer wieder "Wahrheiten | |
ausgesprochen, wo andere Wählertäuschung im Sinne hatten". Und: Die | |
"ausgezehrten Volksparteien" hätten nichts Besseres zu tun, ausgerechnet | |
diese "ihre herausragenden Vertreter kleinzumachen". | |
Da haben diese Ausgezehrten jedoch ihre Rechnung ohne diesen Chefredakteur | |
und seine Zusatzgeschäfte gemacht. | |
6 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Storz | |
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