# taz.de -- Interview über Guttenberg-Comeback: "Guttenberg ist erledigt" | |
> Der Comeback-Versuch von Karl-Theodor zu Guttenberg ist eine glatte | |
> Fehlleistung, meint der Politikberater Schmidt-Deguelle. Er habe den | |
> Realitätsbezug nicht wiedergefunden. | |
Bild: Versucht er mit aller Macht ein neues Bild von sich zu kreeieren? | |
taz: Herr Schmidt-Deguelle, Brille ab, weniger Gel ins Haar plus neuer | |
Scheitel: Ist es mit dem Imagewandel in der Politik wirklich so simpel? | |
Klaus-Peter Schmidt-Deguelle: Der neue Look von Karl-Theodor zu Guttenberg | |
ist ja eher eine Petitesse im Vergleich zu seinen Äußerungen. Aber er | |
rundet den Eindruck natürlich ab, dass da jemand mit aller Macht ein neues | |
Bild von sich zu kreieren versucht. Dass das nicht unbedingt glaubwürdig | |
ist, liegt auf der Hand. In aller Fairness muss man aber auch sagen: Die | |
neue Frisur kann ja auch andere Gründe haben. | |
Sie haben lange den ehemaligen Finanzminister Hans Eichel "verkauft" - ist | |
zu Guttenberg hier bei seinem Comebackversuch via Interviewbuch mit dem | |
Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo gut beraten? | |
Nein, überhaupt nicht. Er hat den Realitätsbezug immer noch nicht | |
wiedergefunden, das sieht man an der überaus kritischen Distanz der Politik | |
- auch seiner eigenen Partei - und der Medien. Umso mehr verwundert es | |
mich, dass der Zeit-Chefredakteur sich, aber ja auch zu Guttenberg so etwas | |
"antut". | |
Aber zu Guttenberg ist doch absolut Realpolitiker: Er meldet sich doch so | |
prompt und wirkungsmächtig zurück, weil in der CSU Posten verteilt wurden | |
und sein Intimfreund Markus Söder aufgestiegen ist. Dass er sich nochmal | |
wegen des Plagiatsvorwurfs erklären wollte, ist doch vorgeschoben. | |
Das ist mehr als vorgeschoben: Das ist reine Hybris, zumal er sich ja immer | |
noch nicht erklärt, sondern weiter ganz banal mit Überforderung | |
argumentiert. Das nimmt ihm keiner ab. Und Demut hat er auch nicht wirklich | |
gezeigt – aber ein Mensch, der sich selbst als Zoon Politikon beschreibt, | |
muss wissen, dass er sich so höchstens Freunde bei der Regenbogenpresse | |
macht. | |
Ist zu Guttenberg politisch erledigt? | |
Wenn er zur Bundestagswahl antritt, würde er schon als Kandidat aufgestellt | |
und wohl auch seinen Wahlkreis gewinnen. Das garantiert ihm aber | |
keinesfalls neue Posten in der CSU oder gar in irgendwelchen Regierungen. | |
Auch strategisch gesehen ist dieser Comeback-Versuch also eine glatte | |
Fehlleistung. | |
Aber große Blätter warnen doch vor dem Populisten, ja dem Demagogen zu | |
Guttenberg, die FAS nennt ihn einen "gefährlichen Mann". | |
Dafür sehe ich in seinen politischen Aussagen bisher keine Belege. Dass er | |
damit kokettiert, liegt auf der Hand. Selbst wenn er an eine eigene Partei | |
denkt, müsste er aber dafür in der Bevölkerung vorhandene Grundstimmungen | |
aufgreifen - die Ablehnung der Euro-Rettungsschirme zum Beispiel. Davon ist | |
nichts zu sehen. | |
Zu Guttenberg hat sich aber beispielsweise auch nie kritisch zu Tilo | |
Sarrazins Thesen geäußert - wäre er nicht der passende Frontmann für die in | |
einigen Köpfen herumschwirrende Sarrazin-Partei? | |
Aber was wäre das für eine Partei? Eine Ansammlung von überwiegend alten | |
Männern, die ihren Bedeutungsverlust mit provokanten Thesen kompensieren. | |
Da kann man dann Herrn Henkel dazunehmen … | |
… der aber im aktuellen Stern ausrichten lässt, er möchte die Partei - wenn | |
- gleich mit Sarrazin machen und brauche zu Guttenberg nicht. | |
Was ein Fehler wäre, wenn Henkel das tatsächlich will. Aber eine Partei, | |
die sich nur auf Reizworte konzentriert, könnte auch höchstens ein | |
Strohfeuer entfachen. Für langfristigen Erfolg reicht es nicht, sich mit | |
Schwätzern und Wichtigtuern wie Herrn Henkel an einen Tisch zu setzen. | |
Wo aber gäbe es Platz für zu Guttenberg, wenn er die CSU verlässt? Der | |
geborene Pirat ist er ja nicht gerade. | |
Dafür steht möglicherweise eine ziemliche Metamorphose der FDP bevor: Wenn | |
der Mitgliederentscheid zum Euro Erfolg haben sollte, ist das nicht mehr | |
die alte FDP von Genscher & Co. Wenn ein Teil der Partei sich abspaltet und | |
dann einen populistischen Kurs einschlägt wie seinerzeit die | |
österreichischen Liberalen, könnte ein zu Guttenberg helfen, die | |
5-Prozent-Hürde anzupeilen. | |
Wie viel Haider steckt dann in zu Guttenberg? | |
Da maße ich mir kein Urteil an. Dass es aber in der Bevölkerung | |
entsprechende Grundstimmungen gibt, liegt auf der Hand. Und in einer | |
Partei, die solche Klischees bedient, hätten auch Herr Henkel und Herr zu | |
Guttenberg einen Platz. Die populistisch-demagogische Begabung ist | |
jedenfalls da. | |
Muss man sich also doch Sorgen machen? | |
Es gibt zum Glück keine Garantie, dass smarte Publikumslieblinge politisch | |
erfolgreich sein werden. Im Gegenteil: Winfried Kretschmann zeigt in | |
Baden-Württemberg, dass ein unaufgeregtes, an der Sache orientiertes | |
Gegenmodell sehr viel breitere Zustimmung findet - bis hinein in die | |
konservativen Kreise der Union. | |
Ernsthaftigkeit ist sexy? | |
Auf Dauer ja. Kretschmann inszeniert sich nicht und hat keine Inszenierung | |
geduldet, da gilt: Lieber ein Satz weniger als einer zu viel. Das ist | |
Politik auf den Teppich holen, weil sie nicht im Wolkenkuckucksheim spielt, | |
wo der Freiherr manchmal lebt. | |
Was würden Sie denn zu Guttenberg dann raten? "Wetten, dass ..?" zu | |
übernehmen? | |
Für das ZDF wäre das vielleicht sogar eine interessante Lösung. Aber ich | |
nehme schon ernst, dass er wieder in die Politik will. Da hilft nur, sich | |
zurückzunehmen und sich Zeit zu geben - er braucht viel mehr Zeit, um | |
wieder ernst genommen zu werden, als er selber glaubt. Jetzt ist er | |
jedenfalls beschädigt - und beschädigt sich weiter, weil er nicht | |
glaubwürdiger wird. | |
3 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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