# taz.de -- Di Lorenzo verteidigt sich und zu Guttenberg: Kapitän überraschen… | |
> Nach einem Guttenberg-Interview gerät der "Zeit"-Chefredakteur in die | |
> Kritik. Leser und Redaktion revoltieren. Doch Giovanni di Lorenzo hält | |
> sich derweil bedeckt. | |
Bild: Leser und Redaktion unterschätzt? "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Loren… | |
Der Chefredakteur klingt fast ein bisschen überrascht. Und vielleicht will | |
er so klingen. Vielleicht wird er gerade tatsächlich von einer Welle | |
überrollt, die er nicht erahnte, als er vergangene Woche die | |
Titelgeschichte seiner Zeitung plante. "Selten hat eine Geschichte in der | |
'Zeit' ein so großes Echo ausgelöst wie das Interview mit Karl-Theodor zu | |
Guttenberg", schreibt Giovanni di Lorenzo in der aktuellen Ausgabe des | |
Hamburger Blatts. | |
Im Oktober hatte er den gefallenen Verteidigungsminister in London | |
interviewt. Das Gespräch stand vergangene Woche in der Zeit, ganze vier | |
Seiten lang, unter der vielsagenden Überschrift: "Es war kein Betrug". Vom | |
Titel blickte ein ernster Guttenberg, ohne Brille und mit neuer Frisur. | |
Einige Tage später erschien das gesamte Gespräch in einem Buch. Der Titel: | |
"Vorerst gescheitert". | |
Der gefallene Minister im ersten Interview nach seinem Rücktritt? | |
Karl-Theodor zu Guttenberg, jener Baron aus Franken, der zuletzt | |
Deutschland teilte, in Anhänger und Kritiker, exklusiv und in voller Länge? | |
Was als journalistischer Scoop geplant war, wird für die Zeit nun zum | |
Bumerang. Wütende Onlinekommentare und Leserbriefe überschwemmen die | |
Redaktion. | |
## "Mit Ihrer Hilfe zurück auf die Bühne" | |
Viele Leser drohen an, ihr Abo zu kündigen. Ihre Briefe klingen wie der von | |
Ursula Bußler, einer Leserin aus Buchloe. "Dass ein Mann mit erstaunlich | |
wenig Unrechtsbewusstsein, kaum dass er an gerichtlichen Konsequenzen durch | |
viel Glück vorbeigekommen ist, mit Ihrer Hilfe zurück auf die Bühne gehoben | |
wird, war für mich bis heute Morgen unvorstellbar", schreibt sie. | |
Oder sie klingen wie die E-Mail von Margitta Guldin. "Ich finde es | |
unerträglich, wie gerade die 'Zeit' Herrn zu Guttenberg solch eine | |
Werbefläche bietet", schreibt sie. | |
Oder sie lesen sich wie die Zuschrift von Rasmus Thönnessen. "Das Interview | |
ist als ,Streitgespräch' angekündigt; es ist anfangs kritisch und wird dann | |
ein laues, wohlwollendes Gespräch", schreibt er. | |
## Weder Verbrecher noch Extremist | |
Die Zuschriften waren offenbar so massiv, dass sich die Redaktion | |
entschied, in der aktuellen Ausgabe eine Doppelseite freizuräumen. Neben | |
den gut 50 Leserbriefen rechtfertigt sich di Lorenzo in einem Zweispalter. | |
In der Überschrift fragt er "Warum dieses Interview?" und versucht | |
Antworten zu geben. | |
Ein Interview sei eine journalistische Form, kein politisches Bekenntnis, | |
so der Chefredakteur. Einzig Verbrechern und Extremisten, die ihre | |
Propaganda verbreiten wollten, werde keine vernünftige Zeitung ein Forum | |
bieten. Guttenberg sei weder das eine noch das andere. | |
Dass di Lorenzo sein Interview mit Guttenberg nun nachträglich begründen | |
muss (und sich das Interview nicht selbst begründet), zeigt, wie sehr er | |
sich verschätzt haben muss. Seine Zeitung hat offenbar andere Leser, als er | |
dachte. Sie sind verärgert über die Inszenierung Guttenbergs als | |
geläuterten und einsichtigen Minister und der gleichzeitigen Behauptung des | |
Barons, seine abgeschriebene Doktorarbeit sei kein Betrug gewesen. | |
Doch nicht nur die Leser revoltieren. In der Hamburger Redaktion der Zeit | |
gibt es offenbar massive Kritik an der Linie des Chefredakteurs. | |
Vergangenen Freitag, als die Redaktion in ihrer wöchentlichen Konferenz den | |
Guttenberg-Titel diskutierte, fehlte di Lorenzo. Eine Interviewanfrage des | |
NDR-Magazins Zapp lehnte der Chefredakteur ab. | |
Schon im Februar, als der Verteidigungsminister um sein Amt fürchten | |
musste, verteidigte di Lorenzo zu Guttenberg in einem Leitartikel: Sein | |
Doktor habe er verloren, sein Amt solle er behalten. Warum duckt er sich | |
nun weg? | |
1 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Dachsel | |
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