| # taz.de -- Debatte Causa Guttenberg: Freut euch nicht zu früh | |
| > Was passiert, wenn die CSU weiter in Bayern verliert und sich erneuern | |
| > muss? Der Baron zu Guttenberg wird ein Comeback versuchen. | |
| Bild: Öffentlich mag sich niemand erinnern, dass er als künftiger Kanzler geh… | |
| Jetzt ist er endgültig erledigt, das war's jetzt wirklich für Karl-Theodor | |
| zu Guttenberg, so sehr hat ja wohl noch niemand sein Comeback ruiniert … | |
| Schon gut, das ist bekannt, es war ja überall nachzulesen: Der ist weg, | |
| über dessen Eitelkeit müssen wir uns hier nicht mehr ärgern, möge er da | |
| hinten in Brüssel nun gern die EU-Kommission beraten. | |
| Doch klingen in der Ode an die Schadenfreude Töne mit, die der | |
| Siegesgewissheit den Boden entziehen. Möglicherweise hat der Medienrummel | |
| dieser Tage zudem den Blick darauf getrübt, was ein Guttenberg in den | |
| Landtagswahlen in Bayern 2013 noch für eine Rolle spielen könnte. | |
| Zunächst einmal vermischen sich in der Kommentierung darüber, wie der Baron | |
| aus Franken sich vom Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo im Interview | |
| hat inszenieren lassen, mehrere Sentiments: Da ist nicht nur der Ekel über | |
| Guttenbergs falsche Demut, der di Lorenzo die Bühne bietet. Sondern da ist | |
| auch ein Quäntchen Genuss, sich an der publizistisch relativ erfolgreichen | |
| Wochenzeitung die Füße abzuputzen. | |
| Di Lorenzo hat die Auflage der Zeit mit reichlich Wellness auf dem | |
| Titelblatt gepäppelt. Das dürfte besonders solche Wochenmagazine ärgern, | |
| die auch immer wieder schöne Frauen oder Seelenpflege auf dem Titel haben - | |
| und trotzdem verlieren. | |
| ## Guttenberg'sche Banalowahrheiten | |
| Wichtiger aber ist: Viele, viele Guttenberg-Artikel umflort das Unbehagen | |
| darüber, dass di Lorenzo weder der erste noch der letzte leitende | |
| Journalist sein wird, der im kaum 40-jährigen Möchtegern-Juristen einen | |
| kommenden Kanzler erkennt. Nur mögen sich alle anderen gerade nicht mehr | |
| öffentlich daran erinnern. | |
| Das genau aber wäre notwendig. Man braucht dabei nicht weiter zurückgreifen | |
| als bis zum Auftritt auf jener Sicherheitskonferenz in Halifax, der ja im | |
| November den Start des Comebackversuchs bildete. Ein ganzer Schwung | |
| deutscher Journalisten hatte sich auf den Weg zu einer eher unbedeutenden | |
| Tagung in Kanada gemacht: Auf, auf, zum ersten Akt einer weiteren | |
| großartigen Guttenberg-Show! Und siehe da, selbst sonst ganz nüchterne | |
| Menschen großer Online-Nachrichtenportale erwärmten sich: Guttenbergs | |
| Thesen zum Versagen der Politiker (… können nicht erklären, sind nicht | |
| charismatisch …) seien zwar banal, aber doch wahr. | |
| Genau diese Guttenberg'schen Banalowahrheiten sind freilich nicht nur sein | |
| Markenzeichen, sondern auch das politische Erfolgsrezept dessen, der die | |
| Verantwortung fürs komplexe Detail nicht zu übernehmen braucht. In der | |
| Wissenschaft hat die Masche nur so lange funktioniert, bis jemand | |
| Guttenbergs Doktorarbeit las. In der Politik funktioniert solche Angeberei | |
| sehr gut - sofern andere die Arbeit machen: logische Zusammenhänge | |
| konstruieren, Argumente verbreiten und Mehrheiten für all das beschaffen. | |
| Dafür braucht es eine Partei. | |
| Nachdem sich nun die öffentliche Meinung so sehr einig ist, dass das | |
| Comeback gescheitert sei, scheint damit auch die Idee vom Tisch, Guttenberg | |
| könnte es nach seinem Spott über die CSU - Stichworte Infektion, Spinnweben | |
| - mit einer neuen Partei noch einmal versuchen. "Zurzeit" sei er in der | |
| CSU, sagte Guttenberg, das lenkte die Debatte auf die herumwabernde Idee | |
| einer neuen Populistenpartei. | |
| ## Die CSU wird sich neu erfinden | |
| Was aber, wenn diese neue Partei doch die CSU wäre - und zwar nach einer | |
| Wahlniederlage 2013? Wenn dann, nachdem die CSU seit Kriegsende beinahe | |
| ununterbrochen regiert hätte, nicht nur der Seehofer-Horst, sondern auch | |
| seine Kronprinzen von der Wut der Basis weggefegt würden? | |
| Was in der CSU los sein wird, wenn sie die Macht an SPD, Grüne plus Freie | |
| Wähler abzugeben hätte, wird die SPD-Niederlage 2005 in Nordrhein-Westfalen | |
| übertreffen. Eher sollte man an den Untergang von DDR und SED denken. | |
| Ein Guttenberg, der Sich-neu-Erfinder, an der Spitze einer neu zu | |
| erfindenden CSU, er könnte in zwei Jahren als Messias gefeiert und medial | |
| geleitet werden - so, wie es sich erst vor wenigen Wochen, kaum acht Monate | |
| nachdem der des Betrugs Überführte sein Ministeramt endlich abgab, schon | |
| wieder andeutete. | |
| Und selbst wo die Presse auf denkbar weitestem Abstand bleibt, zeigt doch | |
| ein Blick auf der Leserbriefseiten der FAZ, dass so harsche Kritik selbst | |
| bei vielen Bildungsbürgern auf Widerwillen stößt: Guttenberg solle "Frau | |
| Merkel und die anderen Flachpfeifen ablösen", heißt es dort, oder: "Nur | |
| kleinbürgerliche Spießbürger haken sich an einem verzeihlichen Fehler | |
| fest." | |
| ## Aus Betrug wird ein Fehler | |
| Guttenbergs Erfolg beruht darauf, dass viele Wähler den Unterschied | |
| zwischen Fehler und Betrug nicht erkennen mögen. Ihnen ist ausgerechnet der | |
| deutsche Politiker, der in jüngerer Zeit wohl am dreistesten und | |
| ausschließlich zum persönlichen Vorteil gelogen hat, ein Wahrheitssprecher | |
| in einem Meer politischer Unehrlichkeiten. | |
| Der Adelige, der wissenschaftliche Standards korrumpierte - er gilt als | |
| unbestechlich, weil er reich geboren wurde. Darum hat übrigens auch die | |
| Staatsanwaltschaft Hof die Ermittlungen gegen ihn eingestellt: Der | |
| erschlichene Doktortitel habe ja erkennbar nicht dem Geldverdienen gedient. | |
| Die Personalie Guttenberg ist voller solcher Paradoxien. Schon das macht | |
| den Mann reizvoll. Deshalb werden die Zeitungen mit Guttenberg | |
| vollgeschrieben, kaum dass er irgendwo in ein Mikrofon spricht. Auch das | |
| nächste Mal wird die allgemeine Faszination über die Guttenberg'schen | |
| Widersprüche - und sei es bloß sein Größenwahn - wieder in die mediale | |
| Darstellung schwappen. | |
| Aktuell liegt es vermutlich einzig an den CSU-Ortsfürsten im | |
| oberfränkischen Kulmbach und ringsherum, ob Guttenberg die Rampe für den | |
| nächsten Neustart geputzt bekommt. Sie entscheiden, ob sie ihm seinen | |
| Wahlkreis warmhalten. Sie dürften derzeit die volle Aufmerksamkeit etwa | |
| eines Markus Söder genießen, der sicherlich selbst die CSU von Seehofer zu | |
| erben beabsichtigt - und sei es als Oppositionsführer. | |
| Eines Tages werden wir erfahren, was Söder & Co den Kulmbachern geboten | |
| haben, damit sie Guttenberg den Weg zurück abschneiden. Die demokratische | |
| Öffentlichkeit wird dies nicht vermocht haben. | |
| 15 Dec 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
| ## TAGS | |
| Nigeria | |
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