# taz.de -- Wissenschaft diskutiert Plagiate: Vom Skandal zur Qualitätsoffensi… | |
> Der Fall Guttenberg löste einen Skandal unter Wissenschaftlern aus. Nun | |
> diskutieren die größten Wissenschaftsorganisationen wie sich Plagiate in | |
> Zukunft verhindern lassen. | |
Bild: Was macht man, damit niemand mehr von Buchstaben so überfordert ist wie … | |
BERLIN taz | Eine Krise birgt immer auch eine Chance: Nachdem ein Herr von | |
und zu Guttenberg den akademischen Betrieb in Verruf brachte, versuchen | |
Wissenschaftler nun aus dem Skandal konstruktive Impulse zu gewinnen. So | |
trafen sich unter diesem Motto Dienstagabend Vertreter großer deutscher | |
Wissenschaftsorganisationen. Dabei sollten "Prinzipien 'guter | |
wissenschaftlicher Praxis' im Lichte aktueller Ereignisse reflektiert" | |
werden. | |
Damit war vor allem der Fall des Plagiators Karl-Theodor zu Guttenberg | |
gemeint. "Ich finde es positiv, aus diesem Skandal eine Bewegung, also eine | |
Qualitätsoffensive, zu machen", beschrieb Matthias Kleiner, Präsident der | |
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die Marschrichtung. Wolfgang | |
Marquardt, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, bemerkte, er sei dankbar, | |
dass dieser prominente Fall die Wissenschaft aufgerüttelt habe. | |
Dass wohl niemand der rund 80 anwesenden Wissenschaftler deshalb | |
Dankbarkeit für den Plagiator selbst empfand, wurde schnell deutlich. Der | |
Berliner Doktorand Tobias Bunde war im Februar Initiator eines offenen | |
Briefes an Bundeskanzlerin Angela Merkel, der von über 60.000 Menschen | |
unterzeichnet wurde. Dort hieß es: "Zu Guttenberg hat große Teile seiner | |
Dissertation zusammenkopiert und Quellen vertuscht, um sich den Doktortitel | |
zu erschleichen." | |
In der Diskussion erinnerte sich Bunde, dass ihn vor allem die ersten | |
Reaktionen aus der Koalition verzweifeln ließen: Merkel hatte damals | |
gesagt, sie habe Guttenberg als Minister eingestellt "und nicht als | |
wissenschaftlichen Assistenten". Der Kritik Bundes stimmte Marquardt im | |
Folgenden zu: "Nach ein paar Tagen der Schockstarre wollten wir diesen | |
Angriff auf den Wissenschaftsethos nicht hinnehmen und eine Front gegen | |
eine Bagatellisierung dieser Sache bilden." | |
## Doktoranden-Status aufwerten | |
Eine andere Forderung an die Entscheidungsträger aus der Politik | |
formulierte Klaus Dicke, der Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz: | |
Er verlangte Rahmenbedingungen, die "den Status der Doktoranden aufwerten", | |
etwa durch eine bessere Vertretung in den Uni-Senaten. Denn, da waren sich | |
alle Beteiligten einig, die redlichen Doktoranden dürften nicht in die | |
Schusslinie gelangen. "Außerdem machen sie ja einen großen Teil der | |
wissenschaftlichen Forschungsarbeit", so Marquardt. | |
Tanjev Schultz, Berichterstatter über den Fall Guttenberg in der | |
Süddeutschen Zeitung, meinte, die Politiker hätten verstanden, dass "sie | |
sich nicht so äußern können, wie Angela Merkel". Er wollte den Fokus der | |
kritischen Betrachtung auf die Hochschulen legen: "Wenn es den Druck der | |
Medien nicht gäbe, würde dort viel mehr verschleiert." DFG-Präsident | |
Kleiner verwies auf die "teils fehlenden Ressourcen an den Unis", um eine | |
schnelle Aufarbeitung von Plagiatsfällen zu gewährleisten. Dennoch waren | |
alle Diskussionsteilnehmer gewillt, kritisch auf die Unis zu blicken. | |
Dies hatte zunächst eine weitere Kontroverse zwischen dem Wissenschaftler – | |
Kleiner ist Professor für Umformtechnik an der TU Dortmund – und dem | |
Journalisten zur Folge. Kleiner wies auf die Wichtigkeit der Qualität einer | |
Promotion und deren Kontrolle hin. Schultz hingegen gab zu Bedenken: "Man | |
darf aber nicht fördern, was zu Fehlverhalten führt, nämlich noch mehr | |
Überprüfungen und Evaluationen, die den Wissenschaftlern nur weiteren | |
Stress bereiten." | |
## "Geringe Bereitschaft" zur Veränderung | |
Einigkeit bestand schließlich darin, dass Redlichkeit die Basis guten | |
wissenschaftlichen Arbeitens sei. Wie die zu erreichen ist? "Man muss früh | |
die Lust am eigenen Schreiben wecken und den Wert eigener Gedanken | |
honorieren", sagte Schultz. Kleiner setzte vor allem auf verbindliche | |
Arbeitszusamenhänge in festen Gruppen, in denen "man sich in die Augen | |
schauen muss". | |
In der anschließenden zwar unterhaltsamen, aber teils ungeordneten | |
Fragerunde für das Publikum brillierte nur die SPD-Politikerin und | |
Vorsitzende des Bildungsausschusses, Ulla Burchardt, mit dem Bekenntnis: | |
"Politik ist mehr als Merkel." | |
Aus der Professorenschaft wurde "mehr Geld für die Unis" gefordert – wenn | |
sich diese nicht gerade darüber stritten, ob die Hochschulen die | |
gewünschten Veränderungen alleine stemmen können. "Die Bereitschaft zur | |
Veränderung bei uns ist sehr gering", bekannte der Matheprofessor Matthias | |
Kreck. Ein Raunen ging durch den Raum. Der "Gedankenaustausch" war beendet. | |
Mehr als das war die Diskussionsrunde auch nicht. | |
30 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Timo Reuter | |
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