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# taz.de -- Protest gegen Castortransport: Polizei scheitert an Betonpyramide
> Ein Novum der Protestgeschichte: Die Polizei kapituliert vor einer
> Schienenblockade. Die Landwirte der "Bäuerlichen Notgemeinschaft" geben
> nach 15 Stunden auf.
Bild: Polizei ausgetrickst: Ein Mitglied der "Bäuerlichen Notgemeinschaft".
HITZACKER taz | Blockaden gab es im Wendland zur Castorzeit schon
unzählige, eine mehrstündige Herausforderung für die Polizei war schon so
manche davon. Doch das hat es in der Geschichte des Gorleben-Widerstands
noch nicht gegeben: Am späten Sonntagabend räumte die Staatsmacht erstmals
offiziell ein, technisch überfordert zu sein.
„Die Polizei sieht sich nach derzeitigem Stand in zumutbarer Zeit nicht in
der Lage, die Personen unverletzt zu befreien“, heißt es in einer
schriftlichen Erklärung der Einsatzleitung.
Das war Beobachtern schon vorher nicht verborgen geblieben. Nachdem sich
vier Mitglieder der „Bäuerlichen Notgemeinschaft“ – drei Männer und eine
Frau – in Hitzacker in einer Betonpyramide auf den Schienen angekettet
hatten, war die Polizei mit allem angerückt, was sie zu bieten hatte: Mit
Presslufthämmern und Meißeln, Bohrern und Trennschleifern arbeiteten sich
Techniker in die Pyramide vor; mit Endoskopkameras verfolgten sie dabei,
wie es im Inneren aussieht.
Doch sie kamen nicht nur extrem langsam voran, weil der Beton von reichlich
Stahl durchsetzt war; nach mehreren Stunden stellten sie ihre Arbeit ganz
ein, weil Gefahr für die Aktivisten bestand.
Das Prinzip der Pyramide beruht darauf, dass sie aus zwei Schichten besteht
und die Blockierer in der inneren befestigt sind. Bei jeder
Positionsveränderung eines Teiles werden die Arme eingeklemmt. Genau das
war geschehen: „Durch unsachgemäßes Vorgehen der Polizei hatte sich der
innere Block leicht abgesenkt“, berichtete Georg Janßen, der erfahrendste
unter den vier Blockierern, der taz.
„Jede weitere Arbeit hätte die Gefahr vergrößert, dass wir uns nicht mehr
selbst befreien können.“ Normalerweise kann der Mechanismus, mit dem die
Blockierer in der inneren Pyramide befestigt sind, von ihnen selbst gelöst
werden. Wie diese Technik genau funktioniert, bleibt ihr Geheimnis – ebenso
wie die Frage, wie die tonnenschwere Pyramide auf den Bahndamm gelangt ist.
Nach dem Scheitern der Techniker kamen die Verhandler der Polizei zum
Einsatz und versuchten, die Blockierer zur Aufgabe zu überreden. Nach über
15 Stunden Blockade stimmten diese schließlich zu. Ihre ursprünglich
genannten Bedingungen – dass der Castorzug zurückfährt und Gorleben als
Endlagerstandort aufgegeben wird – konnten die Landwirte dabei
erwartungsgemäß nicht durchsetzen.
Wohl aber, dass der Zug kurz vor ihrer Blockade zum Stehen kommen musste
und die Polizei ihre Ankennung für das „durchdachte, ausgeklügelte System“
aussprach.
Trotz dieses Lobs und eines insgesamt umsichtigen Vorgehens der Polizei
müssen die wendländischen Bauern nun mit einer Anklage rechnen – wie ein
Polizeisprecher mitteilte, wohl wegen „Störung öffentlicher Betriebe“. Ein
Vorwurf, der sich auch als Kompliment lesen lässt.
28 Nov 2011
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
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Castor
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