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# taz.de -- Bundesparteitag der SPD: Die große Siggi-Show
> Mit Traumergebnissen hat die SPD ihren Vorsitzenden und den Vorstand
> wiedergewählt. Und Sigmar Gabriel zeigte, was er am besten kann: reden.
Bild: Kann sich mal selbst feiern: Sigmar Gabriel.
BERLIN taz | Er hatte sich die ganze Zeit um die Antwort gedrückt, und dann
stand auf einmal der Komödiant im glänzenden Anzug vor ihm. "Und, wirst Du
Kanzlerkandidat?", ruft Ingo Appelt dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel zu.
"Ach, lass mal", sagt Gabriel und dreht sich weg. Aber so leicht ist es
nicht. "Für mich bist Du der Kanzlerkandidat", ruft Appelt.
Da ist Gabriel schon hinter der weißen Wand verschwunden. Gabriel kann
diese Debatte nicht mehr hören - und konnte es dennoch nicht verhindern,
dass das Thema auf dem Parteitag allgegenwärtig war.
Alle drei Kandidaten hatten Zeit für große Reden erhalten: Am Sonntag der
Auftakt mit Frank-Walter Steinmeier, am Dienstag der Abschluss mit Peer
Steinbrück. Und in der Mitte, am Montag: Sigmar Gabriel. Und der befand
sich in einer schwierigeren Situation als seine Kollegen. Denn als Einziger
würde der Parteichef sich zur Wahl stellen müssen, die beiden anderen haben
keine Funktion in der Partei.
Um es vorwegzunehmen: Es gelang. Gabriel bekam 91,6 Prozent, etwas weniger
als vor zwei Jahren in Dresden. Aber doch ein gutes Ergebnis - schließlich
hatte Gabriel mit der Reform der Parteigremien viele der Delegierten im
Saal verärgert.
## Lob für alle
Dass sein Ergebnis so gut wurde, lag daran, dass Gabriel mit seiner Rede
den Nerv der Besucher in der "Station" in Berlin-Kreuzberg getroffen hat.
Und zwar in beiden Flügeln der Partei.
Zunächst lautete Gabriels Mission: neue Wählerinnen und Wähler gewinnen.
Die gibt es vor allem am wirtschaftsfreundlichen Rand der SPD. Also gab es
erst mal ein Lob für "die Politiker, die uns so gut durch die Krise
gebracht haben", für Steinbrück, Steinmeier, Olaf Scholz - und für Gerhard
Schröder. Alles Schöpfer der bei vielen Mitgliedern der Partei verhassten
Agenda 2010.
Damit nicht genug. Gabriel mutete dem Parteitag auch noch ein Bekenntnis
zum Liberalismus zu: "Die Idee Idee des Liberalismus ist zu wichtig für
unsere Gesellschaft, um sie einfach aufzugeben", sagte Gabriel. "Bei uns
hat sie ihre neue Heimat."
Und als alle dachten, nun würden die Linken verärgert sein, bekamen auch
die noch ein paar Streicheleinheiten. Kurioserweise mit Kritik an genau den
Personen, die er vorher verteidigt hatte. "Nie wieder darf eine
Sozialdemokratische Partei den Wert der Arbeit infrage stellen", sagte
Gabriel, unmissverständlich ging das in Richtung der Agenda. "Und nie
wieder dürfen wir uns in der Frage so weit von den Gewerkschaften
entfernen."
## Die K-Frage
Natürlich musste Gabriel sich auch zur Kanzlerkandidatur äußern. Hätte er
es nicht getan, hätte es geheißen, dass er sich davor drückt. Also sagte
er: Nur für eins kandidiere er an dem Tag: "Zum Vorsitzenden der
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands." Aber seinen Verzicht kundtun
wollte er auch nicht: "Das tue ich nicht", sagte er.
Nach 89 Minuten war die Gabriel-Show vorbei. Er hatte damit etwas
eingehalten, was sich seine Vertrauten vor dem Pateitag erfleht hatten:
Nicht zu lang reden, nicht die Delegierten langweilen, so wie es im Vorjahr
passiert war.
Im Gegenteil: Gabriel bewies, dass er ein Parteitagsmensch ist, ein guter
Redner ohnehin.
Nach der Rede war auch klar, dass wohl Generalsekretärin Andrea Nahles
abermals das schlechteste Wahlergebnis bekommen würde. Nahles hatte mit
Gabriel die Parteireform zu verantworten - und war in den Augen vieler
öffentlich viel zu wenig sichtbar gewesen.
## Traumergebnis für Kraft
Und Gabriel hatte sie in seiner Rede düpiert: Er nannte Hannelore Kraft und
Manuela Schwesig als starke Frauen, nicht Nahles. Und als er einen
"Extradank" an drei Frauen aus dem Vorstand aussprach, kam Nahles noch
hinter Schatzmeisterin Barbara Hendricks und Geschäftsführerin Astrid Klug.
"Eine Frechheit", sagte danach ein Bundestagsabgeordneter, "da sind alte
Rechnungen offen." Denn dass Nahles und Gabriel sich eher zusammenraufen
als wirklich miteinander zu harmonieren, ist schon lange klar.
Das Ergebnis war für die Generalsekretärin ein blaues Auge. Mit rund 73
Prozent der Stimmen konnte Nahles aufatmen. Auch Gabriels Stellvertreter
wurden alle mit guten Ergebnissen bestätigt, eine ragte sogar heraus: Die
nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erhielt 97,2
Prozent der Stimmen. Für einen Moment dachten die Delegierten, es seien
sogar 100 Prozent gewesen - doch die Ansagerin des Ergebnisses war in der
Zeile verrutscht.
Überhaupt, dieser zweite Tag des Parteitags kam bei allen wichtigen Wahlen
ohne große Überraschungen aus. Streitlustig zeigte sich keiner, die
demonstrativ verbreitete gute Laune hatte sich auf die Delegierten
übertragen. Am Ende konnten sogar Steinbrück und Gabriel miteinander
lachen.
Kurz nachdem Gabriel sich von Ingo Appelt abgesetzt hatte, traf er
Steinbrück am Rand im Gespräch mit Kollegen. Gabriel ging dazu und bekam
einen Kaffee gereicht. Dann wollte Steinbrück wissen, wie es bei Gabriel
gelaufen ist: "Und, wie war Dein Ergebnis?" - "91,6 Prozent." - "Mensch,
Spitze!"
So wollten sie es den ganzen Tag haben. Jubelmeldungen. Selbst zwischen den
beiden Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur. Aber, Moment: Um die ging es
ja gar nicht.
5 Dec 2011
## AUTOREN
Gordon Repinski
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