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# taz.de -- Abschluss des SPD-Bundesparteitags: Steinbrück zurück auf Los
> Die SPD bewegt sich auf ihrem Bundesparteitag nur moderat nach links.
> Peer Steinbrück war trotzdem nicht der Gewinner der Veranstaltung – im
> Gegenteil.
Bild: Nur verhaltener Applaus für Steinbrück: Den Nerv des Parteitags hat er …
BERLIN taz | Der Mann, der vor dem Bundesparteitag schon als der sichere
Kanzlerkandidat der SPD galt, hebt die Arme neben den Kopf und gestikuliert
wild. Es sieht ein bisschen aus, als würde Peer Steinbrück gleich vom
Podium auf dem SPD-Parteitag davonfliegen wollen. Seine Hände flattern.
"Ohne das Primat der Politik", ruft er, "wird es keine gerechte
Gesellschaft geben." Er gibt alles, aber der Applaus bleibt ein flaches
Rauschen.
Am Ende der Rede erheben sich die Delegierten mühsam aus ihren Stühlen. Es
scheint, als hätte der gesamte Parteitag plötzlich ein Rückenleiden.
Steinbrück, zu Zeiten der Großen Koalition bis 2009 Bundesfinanzminister,
hat sich nicht verstellt. So wie mancher Abgeordnete nach der Rede zur
Steuer- und Finanzpolitik kann man es natürlich auch sehen. Er ist nicht
prinzipiell gegen Leiharbeit, sagt Steinbrück. Er sieht die SPD als
Dienstleister für den Mittelstand und lobt die Agenda 2010. Den Nerv des
Parteitags trifft er damit nicht. Im Rennen um die Kanzlerkandidatur hat er
an Boden verloren, vor allem gegenüber Sigmar Gabriel. Auch wenn es
offiziell natürlich nicht um die Kandidatur ging.
## Gabriel nutzte sein Heimspiel
Die Parteitagsregie des SPD-Chefs Gabriel ist damit aufgegangen. Er hatte
am Montag bei seinem Auftritt die größte Aufmerksamkeit, während Steinbrück
am Dienstag vor verkaterten Genossen sprechen musste, denn am Vorabend
wurde bis in die Morgenstunden gefeiert. Und Fraktionschef Frank-Walter
Steinmeier blieb am Sonntag nur der Platz als zweiter Europa-Redner hinter
Helmut Schmidt. Auch nicht dankbar.
Gabriel hat sein Heimspiel genutzt, er hat seine Stärke, die
Parteitagsrede, voll ausgespielt. Er hat die Delegierten begeistert und mit
91,6 Prozent der Stimmen ein beachtliches Ergebnis eingefahren. Als am
Dienstag dann auch noch die kritischen Themen Steuer- und Rentenpolitik
ohne größere Überraschungen beschlossen waren, wurde Gabriel beim
anschließenden Pressestatement geradezu euphorisch: "Alle Kommentare, die
Sie geschrieben haben, stimmen", rief er der Presse entgegen. "Ich bin
einfach zu gut gelaunt." Das klang auch schon mal anders.
Es hätte schließlich auch schiefgehen können - zumindest aus der Sicht des
Chefs. Mehrfach musste Gabriel selber ans Rednerpult, um Korrekturen der
Parteilinken bei den Themen Rente und Steuern zu verhindern, auch die
Parteireform schien kurz auf der Kippe zu stehen.
Durchgesetzt hat sich die Linke aber nur in einem Bereich: bei der
Abgeltungssteuer. Die pauschale Besteuerung von Kapitalerträgen soll von 25
Prozent auf 32 Prozent angehoben werden. Zudem wird überprüft, ob mit einer
vollständigen Abschaffung der Steuer noch mehr Geld eingenommen werden
könnte. Nach drei Jahren könnte die Abgeltungssteuer dann ganz abgeschafft
werden.
## Nur einer fehlt am Ende
Aber nicht nur Gabriel war beschwingt von der ungewohnten SPD-Harmonie.
Denn die heimliche Siegerin des Parteitags heißt Hannelore Kraft. Mit 97,2
Prozent hat die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin das mit Abstand
beste Ergebnis in der Parteispitze bekommen. An manchem Getränkestand am
Veranstaltungsort "Station" wurde sie schon zu einer möglichen weiteren
Kandidatin für die Kanzlerkandidatur ausgerufen.
Und obwohl Kraft auf dem Parteitag selbst nicht übermäßig in Erscheinung
trat, zog sie hinter den Kulissen in wichtigen Fragen die Strippen: Der
mühsame Kompromiss in der Rente vom Montagabend, bei dem der Parteilinke
Ottmar Schreiner die geplante Absenkung des Rentenniveaus verhindern
wollte, kam aus ihrem Landesverband. Krafts Generalsekretär Michael
Groschek hatte ihn ausgehandelt. Durchgekämpft wurde er in den Stunden vor
dem Parteiabend.
Zum Abschluss des Parteitags am Dienstag gab es neben dem
sozialdemokratischen "Denn wir schreiten Seit an Seit" noch eine
Europahymne. Richtig, da war ja was. Die SPD wollte sich ja als die neue
Europa-Partei präsentieren.
Nur einer war da nicht mehr zu sehen. Peer Steinbrück.
6 Dec 2011
## AUTOREN
Gordon Repinski
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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