# taz.de -- Causa Braun: Jetzt aber schnell, Michael! | |
> 5 Gründe, warum der neue Justizsenator zurücktreten wird - und so den | |
> rot-schwarzen Senat rettet. | |
Bild: Packt Justizsenator Michael Braun schon seine Sachen? | |
"Man kann sich vorstellen, dass wir als Koalition gerne einen anderen Start | |
hingelegt hätten." Das ist die nüchterne Bilanz des rechtspolitischen | |
Sprechers der SPD, Sven Kohlmeier. Es gibt aber noch eine andere Bilanz, | |
und die ist rekordverdächtig. Wenn Michael Braun nach dem Skandal um die | |
notarielle Beurkundung beim Verkauf von Schrottimmobilien zurücktreten | |
sollte, wäre er derjenige Senator der Nachkriegsgeschichte Berlins, der am | |
kürzesten im Amt war. | |
Und dass Braun zurücktritt, daran zweifeln inzwischen nicht einmal mehr | |
CDU-Politiker und Sozialdemokraten - nur offen darüber sprechen wollen sie | |
nicht. Dennoch gibt es eine Reihe von plausiblen Gründen für eine Demission | |
Brauns. | |
Der erste: Frank Henkel muss sich eine weiße Weste bewahren. Zwar stellte | |
sich der CDU-Innensenator und Landeschef am Freitag erneut vor seinen | |
Kollegen Braun: "Diejenigen, die ihm unterstellen, er habe es wissentlich | |
darauf angelegt, Verbraucher zu schädigen, müssen es nachweisen", sagte | |
Henkel. Was bislang über Brauns Geschäftspraktiken an die Öffentlichkeit | |
gelangte, reicht aber allemal aus, um am Image der runderneuerten CDU zu | |
kratzen. Frank Henkel wird freilich noch eine Weile warten, bis er Braun | |
zum Abflug drängt. Denn je mehr ans Tageslicht kommt, desto weniger kann | |
ihm der rechte CDU-Flügel, dem Braun angehört, vorwerfen, den Justizsenator | |
geopfert zu haben. | |
Der zweite Grund: Auch in der SPD ist man inzwischen nervös ob der | |
Berichte, die Betroffene über die Verkaufspraktiken der | |
Schrottimmobilienhändler geben. Die Beteiligten sollten möglichst schnell | |
von ihrer Schweigepflicht entbunden werden, heißt es nun. Einen Rücktritt | |
Brauns verlangt keiner, doch gleichzeitig ist zu hören, dass er sich wohl | |
nicht halten werde. | |
Auch die SPD hofft also auf die Selbstheilungskräfte der Christdemokraten. | |
Gleichzeitig hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit dem | |
CDU-Senator am Donnerstag im Parlament nur vordergründig den Rücken | |
gestärkt. In einem Interview sagte er am selben Tag: "Selbstverständlich | |
muss jeder zuständige Senator selbst dafür sorgen, dass er unabhängig die | |
Interessen des Verbraucherschutzes vertreten kann." Es sei an der CDU, die | |
offenen Fragen zu beantworten. | |
Je länger Michael Braun seinen Rücktritt hinauszögert, desto mehr wird er | |
zur Belastung für Rot-Schwarz. Der Verbraucherschutz, das wissen auch Klaus | |
Wowereit und Frank Henkel, ist ein Zukunftsthema. Hier werden zwar nicht | |
unbedingt Wahlen gewonnen, aber entscheidend ist die B-Note: Wie ernst | |
nimmt eine Regierung die Sorgen ihrer Bürger (und Wähler)? | |
## Den nimmt keiner ernst | |
Ein Senator, der Zweifel aufkommen lässt, ob er als Anwalt und Notar die | |
Rechte seiner Mandanten ernst nimmt, ist eine Katastrophe. Diesen Senator | |
wird künftig keiner mehr ernst nehmen. Rot-Schwarz kann es sich nicht | |
leisten, fünf Jahre mit einer Lame Duck weiterzuregieren. Das war Grund | |
drei. | |
Grund vier: Eigentlich war die Opposition beim Start von Rot-Schwarz nicht | |
vorhanden. Die Grünen haben sich pulverisiert, die Piraten wissen immer | |
noch nicht, welchen Kurs sie nehmen, die Linke starrte gebannt auf die | |
Irrungen und Wirrungen im Bundesverband. Plötzlich sind sie alle wieder da. | |
Der Grünen-Abgeordnete Dirk Behrendt forderte inzwischen, bis zur Klärung | |
der Vorwürfe Braun von seinen Aufgaben als Verbraucherschutzsenator zu | |
entbinden. Die Linke verlangt gar den Rücktritt des Zehlendorfers. Michael | |
Braun hat die Opposition gerettet. Das kann weder Wowereit noch Henkel | |
länger dulden. | |
Der letzte Grund hat wieder mit der SPD zu tun. Es ist etwas untergegangen, | |
dass die erste Amtshandlung des neuen Verkehrssenators fast ein Bruch des | |
Koalitionsvertrags gewesen wäre: In einem Interview stellte Michael Müller | |
(SPD) der Bahn AG die Verlängerung des S-Bahn-Vertrags in Aussicht. Im | |
Koalitionsvertrag steht aber, dass im - erwartbaren - Fall, dass die Bahn | |
ihr Tochterunternehmen nicht an das Land verkauft, Teilstrecken | |
ausgeschrieben werden. Inzwischen rudert Müller zurück. Er weiß: Die | |
S-Bahn-Sache wäre sonst ein Thema für den Koalitionsausschuss geworden. | |
Nicht zu vergessen: das neuerliche Desaster mit dem Polizeipräsidenten. | |
Michael Braun muss also auch zurücktreten, um Rot-Schwarz nach dem | |
rekordverdächtigen Stolperstart einen Neuanfang zu ermöglichen. | |
9 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
Uwe Rada | |
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