# taz.de -- Protest-Camp: Occupy soll die Zelte abbrechen | |
> Das Occupy-Camp muss bis Freitag aufgelöst sein. So will es die | |
> Eigentümerin des Geländes, die Bundesimmobilienanstalt. Ihr Chef | |
> persönlich überbrachte die Nachricht. | |
Bild: Sie sollen weg vom Gelände des ehemaligen Bundespressestrands. | |
Um Viertel nach 12 hält der schwarze Mercedes mit dem schlichten | |
Nummerschild "B : 8", direkt auf dem Gehweg vorm Occupy-Camp. Heraus tritt | |
ein groß gewachsener Mann mit schwarzem Mantel und dunkelrotem Schal: | |
Jürgen Gehb, Chef der Bundesimmobilienanstalt (Bima). Wenig später ist | |
klar: Die Tage für das Zeltlager sind gezählt. Bis Freitag sollen die | |
Demokratieaktivisten ihr Camp auf dem ehemaligen Bundespressestrand | |
verlassen. Geschieht dies nicht, will die Bima als Eigentümerin des | |
Geländes auf Räumung klagen. | |
Dass der Montag eine besondere Asamblea bereithält, hatten die Aktivisten | |
geahnt: Tags zuvor kursierte ein Aufruf, das Zeltlager für einen Besuch der | |
Bima "gastlich herzurichten". Dass der Bima-Chef persönlich vorbeikomt, | |
ahnten die Occupisten nicht. Schnell werden am Montag noch Bierbänke unter | |
eine Hütte getragen, Gehb setzt sich mit zwei Gefolgsleuten ins Rund. | |
Draußen beginnt es zu regnen. | |
Ein frohes Neues wünsche er, sagt Gehb. "Ganz ernst gemeint." Mehr gute | |
Nachrichten hat er nicht dabei. "Wir müssen Sie leider auffordern, bis | |
Freitag, 12 Uhr, das Gelände zu übergeben." Sonst werde er "fünf nach | |
zwölf" Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs stellen und eine Räumung | |
beantragen. Die Asamblea bleibt ruhig. Vorerst. | |
Seit dem 9. November haben die Aktivisten das Gelände am Spreeufer mit | |
bunten Zelten besetzt - und so die Pläne der Bima durchkreuzt. Die wollte | |
das Areal bereits Mitte Dezember an ein Baukonsortium übergeben, damit dort | |
das neue Bundesbildungsministerium entstehen kann. Er sei von einem | |
Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium ins Camp geschickt worden, habe | |
eigens seinen Heimaturlaub in Kassel unterbrochen, erzählt Gehb. "Wir | |
wollten nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen." Nun müsse man handeln, um | |
nicht vertragsbrüchig gegenüber Partnern zu werden. Diese Position sei | |
"leider in keiner Weise verhandelbar". | |
Es ist ein Aufeinanderprallen zweier Welten. Hier Gehb, ehemaliger Richter | |
und CDU-Bundestagsabgeordneter, der auf Latein römische Sprichwörter | |
zitiert und seine Beiträge gerne mit "so ist nun mal die Rechtsordnung" | |
beendet. Dort die Occupisten, meist junge Leute, die ihre Repliken mit | |
zustimmenden, in der Luft wedelnden Händen quittieren. | |
"In meinem Wortschatz gibt es kein alternativlos", sagt ein junger Mann mit | |
Lederjacke. "Wir sind hier, um Kompromisse zu finden." Ein anderer betont, | |
auch die Position des Camps sei "nicht verhandelbar". "Wir wollen hier | |
keine Behörde ärgern, sondern ein berechtiges, demokratisches Interesse | |
vertreten." | |
Die Stimmung sinkt. Ein Mann mit Wollmütze beschwert sich, wie ein | |
Bittsteller dazustehen. "Bei allem Respekt, ich habe das Gefühl, die Bima | |
hat uns nie auf Augenhöhe behandelt." Wäre Gebh mit "friedlichen Absichten | |
gekommen", hätte er einen "adäquaten Ersatzplatz" angeboten. Gehb zieht die | |
Schultern empor. "Den habe ich nicht." | |
Bereits im Dezember hatte die Bima mit den Aktivisten über | |
Ersatzgrundstücke verhandelt: eine Etage im Haus der Statistik am | |
Alexanderplatz oder ein Biergartengelände am Spreeufer. Erfolglos. Weil | |
sich die Occupisten nie einig waren, sagt die Bima. Weil die Gelände nicht | |
für ein Zeltlager taugten, so die Occupisten. | |
Am Montag kritisieren die Aktivisten auch die Pläne für das | |
Bildungsministerium. Zu teuer seien diese, zu intransparent. Und zudem auch | |
noch erstmalig für einen Ministerialbau zusammen mit einem Privatkonsortium | |
entworfen. "Warum können wir da nicht mitreden?", fragt ein Aktivist. "Das | |
ist doch Volkseigentum, wir sind alle Eigentümer." Ein älterer Protestler | |
wittert ein "Millionengrab". Er jedenfalls werde nicht gehen, sondern alle | |
"demokratischen Möglichkeiten" für den Verbleib des Camps nutzen. Wirbelnde | |
Hände schnellen in die Luft. | |
Sonst bleibt es bemerkenswert höflich dafür, dass Gehb nichts anderes als | |
die Räumung anzubieten hat. Wiederholt danken die Occupisten "für den | |
offenen Austausch". Gehb nimmt sich Zeit, ganze zwei Stunden, am Ende | |
überreicht ihm jemand ein Geschenk: Ein aufgeweichtes Brett mit einem | |
angetackerten Foto vom Camp. Es dürfte das letzte Präsent bleiben. Am | |
Dienstagabend will das Camp über das weitere Vorgehen beraten. Die Stimmung | |
bisher: Wir bleiben. | |
2 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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