| # taz.de -- Neuer tunesischer Präsident in Libyen: Viel Lob für Revolutionäre | |
| > Sein erster Staatsbesuch führt den tunesischen Präsidenten Marzouki nach | |
| > Tripolis. Beiden Seiten liegt sehr daran, die traditionell guten | |
| > Beziehungen neu zu beleben. | |
| Bild: Der neue tunesische Präsident Marzouki (l.) mit dem Vorsitzenden des Lib… | |
| TRIPOLIS taz | Im Luxushotel Corintha in Tripolis sind am Montagabend mit | |
| dem Vorsitzenden des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, und | |
| dem tunesischen Präsidenten Moncef Marzouki erstmals zwei Repräsentanten | |
| der arabischen Umbruchstaaten zusammengetroffen. Auf einer gemeinsamen | |
| Pressekonferenz im Anschluss an die Gespräche betonte Dschalil vor | |
| Dutzenden aus dem gesamten arabischen Raum angereisten Journalisten: „Ich | |
| bin glücklich und froh, den obersten Vertreter der ersten demokratisch | |
| legitimierten Regierung Tunesiens begrüßen zu dürfen, und ich fühle mich | |
| sehr geehrt, dass ihn seine allererste Reise ins Ausland nach Libyen | |
| führt.“ | |
| Marzouki, der seit Mitte Dezember im Amt ist, wollte mit seiner Aufwartung | |
| die seit Jahrzehnten guten Beziehungen zwischen beiden Ländern auf eine | |
| neue Grundlage stellen. Vor allem das kleine Tunesien ist sehr an einem | |
| guten Klima mit seinem geografisch großen und wirtschaftlich starken | |
| Nachbarn gelegen. Dschalil würdigte in überschwänglichen Worten die | |
| Bedeutung des Ausbruchs des tunesischen Volksaufstandes für die libysche | |
| Demokratiebewegung: „Tunesien war uns ein leuchtendes Beispiel für den | |
| Kampf für Freiheit und Demokratie, der uns Libyer inspiriert hat, uns | |
| ebenfalls gegen den Tyrannen zu erheben.“ | |
| Marzouki äußerte seinen Respekt für die zahlreichen Opfer der libyschen | |
| Revolution, schraubte aber auch die Erwartungen herunter: „Ich appelliere | |
| an meine libyschen Brüder, sowie ich dies auch immer wieder meinem Volk in | |
| Tunesien in Erinnerung rufe: Habt Geduld mit den jungen Revolutionen in | |
| unseren beiden Ländern. Was wir anstreben, sind grundsätzliche politische | |
| Veränderungen nach den langen Jahrzehnten unter der Herrschaft der | |
| Tyrannen. So etwas passiert nicht über Nacht und braucht seine Zeit.“ | |
| ## Würdigung der Frauen | |
| Beide Staatsoberhäupter würdigten ausdrücklich die Rolle der Frauen, die | |
| „einen unverzichtbaren Anteil an der Überwindung der Diktaturen in unseren | |
| beiden Ländern haben“, so Dschalil. | |
| Für Tunesien ist Libyen der wichtigste Handelspartner. Zehntausende | |
| Tunesier arbeiten in Libyen, wo die Löhne um ein Vielfaches höher sind. | |
| Auch sind einige libysche Unternehmer mit großen Investitionen in Tunesien | |
| engagiert. Mohammed al-Montasser zum Beispiel, der Mitglied des | |
| Übergangsrates und dort Repräsentant der Stadt und Region Misurata ist, | |
| reist als libyscher Geschäftsmann regelmäßig nach Tunis, wo er einen | |
| Zweitwohnsitz hat. | |
| Al-Montasser, der bei dem Treffen zwischen Dschalil und Marzouki beratend | |
| beteiligt war, sagte am Rande der politischen Konsultationen: „Wir sind | |
| Tunesien zu tiefstem Dank verpflichtet. Auf humanitärem Gebiet, weil | |
| Tunesien auf dem Höhepunkt des Krieges bis zu einer Million libysche | |
| Flüchtlinge aufnahm, und zwar selbstlos und gastfreundlich.“ Aber auch auf | |
| militärischem Gebiet sei der Übergangsrat dem neuen Tunesien zu Dank | |
| verpflichtet. „Der Großteil der Waffen, die wir gegen die libysche Armee | |
| eingesetzt haben, kam über dem Land- und Seeweg aus Tunesien“, blickt | |
| al-Montasser zurück. | |
| ## Tunesien will sich als afrikanisches Land begreifen | |
| Marzouki reist am Dienstagnachmittag von Libyen nach Algerien und von dort | |
| aus weiter nach Marokko sowie anschließend nach Mauretanien. „Mit dieser | |
| Reiseroute wollen wir ausdrücken, dass sich Tunesien als afrikanisches Land | |
| begreift“, sagte der neue tunesische Außenminister Rafik Abdessalem, der | |
| Marzouki auf seiner Rundreise begleitet, gegenüber der taz. Für etwas | |
| Missmut auf libyscher Seite sorgte während des Treffens ein sich seit | |
| Monaten hinziehendes Auslieferungsbegehren Libyens an Tunesien. | |
| Der frühere libysche Ministerpräsident al-Bagdadi al-Mahmoudi war am 21. | |
| September im Südwesten von Tunesien an der Grenze zu Algerien aufgrund | |
| einer fehlenden Einreisegenehmigung festgenommen worden und kämpft vor | |
| Gericht in Tunis gegen seine Auslieferung. Er soll wegen Korruption, | |
| Angriffen auf Demonstranten sowie wegen Vergewaltigung von Frauen in Suara | |
| im Westen des Landes in Libyen angeklagt werden. | |
| Amnesty International hatte Tunis aufgefordert, Mahmoudi nicht | |
| auszuliefern, da er dort Folter zu befürchten habe. In tunesischen | |
| Regierungskreisen hieß es jetzt aber, dass eine Auslieferung des | |
| Exregierungschefs an Libyen kurz bevorstehe. Marzouki wolle gleich nach | |
| seiner Rückkehr die fehlende Unterschrift unter den Auslieferungsantrag | |
| setzten. | |
| 3 Jan 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Lejeune | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Deniz Yücel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tunesien liefert Gaddafi-Vertrauten aus: „Ein Staatsverbrechen“ | |
| Nach der Auslieferung des libyschen Ex-Regierungschefs Al-Mahmoudi an sein | |
| Heimatland wird in Tunesien Kritik laut. Der Staatspräsident fühlt sich | |
| übergangen. | |
| Gefangenenlager in Libyen: Berichte über Folter von Häftlingen | |
| Menschenrechtler und die UNO kritisieren illegale Gefangenenlager in | |
| Libyen. Die Insassen sind angeblich Gaddafi-Anhänger, unter ihnen sind | |
| viele Schwarzafrikaner. | |
| Kämpfe in Libyen: Gaddafi-Anhänger erorbern Wüstenstadt | |
| Über der Wüstenstadt Bani Walid weht wieder die grüne Fahne Gaddafis. Nach | |
| schweren Kämpfen eroberten seine Anhänger die strategisch wichtige Stadt. | |
| Ein Jahr nach Beginn der Arabellion: Wieder Selbstverbrennungen in Tunesien | |
| Ein Familienvater starb, nachdem er sich selbst angezündet hatte. Er wollte | |
| gegen die Arbeitslosigkeit protestieren. Insgesamt wurden fünf | |
| Selbstverbrennungen aus ganz Tunesien gemeldet. | |
| Nach der Revolution in Libyen: Strittige Schritte zum Aufbau des Militärs | |
| Ein General aus Misurata wird zum Oberbefehlshaber ernannt. Doch zahlreiche | |
| Ex-Rebellen wollen ihre Waffen nicht so bald abgeben. Das führt jedoch zu | |
| gelegentlichen Protesten. | |
| Arabischer TV-Sender "Al-Dschasira": Das Fenster zur Revolution | |
| Als der Arabische Frühling begann, war al-Dschasira immer dabei. Für die | |
| Revolutionäre wurde er zur Hauptinformationsquelle. Doch die Anerkennung | |
| durch den Westen ist labil. | |
| Amnesty zum Arabischen Frühling: "Weit entfernt" von glaubwürdig | |
| Die Gewalt des syrischen Regimes gegen Demonstranten ist in den Augen von | |
| Amnesty International ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und die | |
| Bundesregierung sei halbherzig. | |
| Tunesien auf dem Weg zur neuen Verfassung: Frauenrechte und Meinungsfreiheit | |
| Erstmals trat jetzt die gewählte verfassungsgebende Versammlung in Tunesien | |
| zusammen. Demonstranten fordern den Erhalt von Frauenrechten. | |
| Kommentar UNO und Libyen: Einer muss den Job ja machen | |
| Die Türkei, Südafrika, Brasilien, Indien, Ägypten, Tunesien – all diese | |
| Staaten wären berufen gewesen, an der Seite der Aufständischen in Libyen | |
| einzugreifen. Die USA tun es. |