# taz.de -- Nach der Revolution in Libyen: Strittige Schritte zum Aufbau des Mi… | |
> Ein General aus Misurata wird zum Oberbefehlshaber ernannt. Doch | |
> zahlreiche Ex-Rebellen wollen ihre Waffen nicht so bald abgeben. Das | |
> führt jedoch zu gelegentlichen Protesten. | |
Bild: Die meisten Libyer haben keine Lust mehr auf diese Szenen vor der Haus- o… | |
BERLIN taz | Libyen hat wieder einen militärischen Oberbefehlshaber. Die | |
Ernennung von Yusef al-Manqusch am Dienstagabend ist ein Schritt hin zum | |
Aufbau regulärer Streitkräfte. Vorausgegangen war ein Gefecht zwischen | |
Milizen in der Hauptstadt Tripolis, bei dem fünf Kämpfer ums Leben kamen. | |
Ehemalige Rebellen aus Tripolis und Misurata lieferten sich stundenlange | |
Feuergefechte im Stadtzentrum und setzten Maschinengewehre, Granaten und | |
Flugabwehrgeschütze ein, wie Oberst Walid Schuaib vom Militärrat Tripolis | |
gegenüber der Nachrichtenagentur dapd sagte. Auslöser der Gefechte sei die | |
Festnahme eines Kämpfers aus Misurata gewesen, der von ehemaligen Rebellen | |
aus Tripolis gefangen genommen worden sei. Ihm werde ein Raub zur Last | |
gelegt. Die Männer aus Misurata wollten den Mann befreien und eröffneten | |
das Feuer auf ein Gebäude, das vom Militärrat genutzt wird. | |
Seit dem Ende des Bürgerkrieges im Oktober ist es immer wieder zu | |
bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Milizen gekommen. In der | |
Hauptstadt kontrollieren ehemalige Rebellen aus Tripolis, Sintan und | |
Misurata bestimmte Gebiete. Kämpfer aus Sintan spielten eine wichtige Rolle | |
bei der Eroberung der Hauptstadt im August, während Misurata wochenlang von | |
Einheiten Muammar al-Gaddafis belagert war. Nun fordern die Bewaffneten aus | |
beiden Orten ihren Anteil am neuen Libyen. | |
## Manqusch ist desertierter General a.D. | |
Dem trägt der Übergangsrat Rechnung. Der Verteidigungsminister Osama | |
al-Juwali stammt aus Sintan, sein bisheriger Stellvertreter und neuer | |
Militärchef aus Misurata. Manqusch ist General der Armee im Ruhestand. Er | |
schloss sich früh dem Aufstand gegen das Regime an, wurde von | |
Gaddafi-Truppen festgenommen und von Rebellen wieder befreit. | |
Dennoch ist die Frage, ob Manqusch von den ehemaligen Rebellen akzeptiert | |
werden wird. Viele von ihnen lehnen Personen ab, die früher unter Gaddafi | |
gearbeitet haben. Andere ihrer Anführer sagen, dass sie das Kommando über | |
ihre Einheiten erst dann abgeben, wenn es eine reguläre Armee und Polizei | |
gibt. | |
Dies zeigte sich im Fall des Stabschefs der im Aufbau befindlichen Armee, | |
Oberst Khalifa Hifter. Sein Konvoi wurde Mitte Dezember an einem Wochenende | |
gleich zwei Mal von ehemaligen Rebellen aus Sintan am Flughafen von | |
Tripolis angegriffen; Hifter wurde nicht verletzt. Unter Gaddafi war er | |
einer der Kommandanten im Krieg zwischen Libyen und dem Tschad in den | |
achtziger Jahren, danach setzte sich Hifter ins Exil ab und kehrte nach | |
Beginn des Aufstands nach Libyen zurück. | |
## Milizen hielten sich nicht an Waffenabgabefrist | |
Ein Sprecher der Bewaffneten wurde nach dem Vorfall am Flughafen in den | |
Medien mit den Worten zitiert: "Bis jetzt wissen wir nichts über eine | |
nationale libysche Armee. Wer kommandiert sie, wo sind die militärischen | |
Basen, was ist ihre Befehlskette und wie können Rebellen sich ihr | |
anschließen? Vor Ort ist die sogenannte nationale Armee noch gar nichts." | |
Der Chef des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, kündigte | |
Mitte Dezember an, binnen 100 Tagen werde ein funktionsfähiger | |
Sicherheitsapparat aufgebaut. Allen Milizen in Tripolis wurde eine Frist | |
bis zum 31. Dezember gesetzt, ihre Waffen abzugeben oder aus der Hauptstadt | |
abzuziehen, doch sie sind noch da. | |
Die Milizen unterhalten in den Straßen Kontrollposten und übernehmen zum | |
Teil polizeiliche Aufgaben, ohne sich groß mit der Bevölkerung anzulegen, | |
oder arbeiten in Nachbarschaftsinitiativen mit. Andere jedoch geraten in | |
Konflikt mit der Polizei und der Justiz, wenn ihre Kameraden festgenommen | |
und vor Gericht gestellt werden. Dies und die gelegentlichen meist | |
kleineren Gefechte führten jedoch dazu, dass es Demonstrationen gab, in | |
denen die Entwaffnung der Milizen gefordert wurde. So wird es zumindest ein | |
Teil der Bevölkerung begrüßen, wenn die Stunde der Milizen in ihrer | |
Hauptstadt vorbei ist. | |
4 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Beate Seel | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
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