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# taz.de -- Rechtsextreme Umweltschützer: Nazis gegen Braunkohle
> Nationalistische Proteste gegen polnische Atomkraftwerke oder Biobauern
> in der Tradition völkischer Siedler: Eine Studie zeigt wie Neonazis
> Öko-Initiativen unterwandern.
Bild: Was steckt hinter der Liebe zur Natur?
BERLIN taz | Grün. Das ist die Farbe, die untrennbar mit der Öko-Bewegung
verknüpft ist. Doch hinter dem Anliegen, das vielen Menschen als links
erscheint, stecken oft "Braune Ökologen", die mit ihrer
Umweltfreundlichkeit rechtsextreme Ideen verbreiten. [1][Eine neue Studie
der Heinrich-Böll-Stiftung] zeigt nun wie Umweltinitiativen immer häufiger
werden durch Neonazis unterwandert werden.
"Es besteht eine reale Gefahr durch diese Art von Rechtsextremen, deshalb
müssen wir der Öffentlichkeit die Chance geben, sie zu erkennen", sagt
Susan Schulz, Geschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung in Mecklenburg
Vorpommern.
Auf 96 Seiten beleuchten die sechs Autoren rechte Aktivitäten im
Öko-Spektrum am Beispiel des Bundeslandes Mecklenburg Vorpommern. Vom
nationalistischen Protest gegen polnische Atomkraftpläne bis hin zur NPD
als vermeintlichem Anwalt ökologischer Fragen – die qualitativ angelegte
Sammlung von historischen Betrachtungen, Erfahrungsberichten und Analysen
will nicht abschließend sein, gibt aber einen Überblick über das Problem.
## Das Bio-Gemüse der völkischen Siedler
Heraus stechen Informationen über knapp 60 völkische Siedler in der
mecklenburgischen Schweiz, die als Bio-Bauern in der Tradition rechter
Siedlerbewegungen wie den 1924 gegründeten Artamanen auftreten. Diese
verfolgten damals die Ziele, Polnische Landarbeiter zu verdrängen und den
eigenen Körper und Geist bei der Landarbeit zu trainieren. Die aktuellen
Ansiedlungen waren auch Auslöser der Studie.
"Wir bekamen Berichte, dass die Lehrer der örtlichen Schulen in regelrechte
Angstzustände verfallen, weil sie miterleben müssen, wie diese Eltern die
Organisationsstrukturen übernehmen", sagt Schulz von der
Heinrich-Böll-Stiftung. "Die Privatleute und Biobetriebe sollen zumindest
einmal kritisch prüfen, welche Hintergründe die Biobauern haben, bei denen
sie kaufen." Sie fordert zudem einen Leitfaden des
Landesbildungsministeriums für Lehrer in den betroffenen Gemeinden Güstrow
und Teterow.
## Kohle-Protest von Nazis unterwandert
Doch nicht nur Pädagogen vor Ort werden von der rechten Themensetzung im
Umweltbereich überrumpelt. "Wir waren am Anfang so blauäugig", sagt Thomas
Blaudszun, der stellvertretende Vorsitzende des Bundes für Umwelt und
Naturschutz (BUND) Mecklenburg-Vorpommern. "Wir haben niemals damit
gerechnet, dass uns jemand so vereinnahmen könnte, wie diese Rechten."
Dennoch passierte genau dies bei der Gründung der Bürgerinitiative
"Braunkohle nein!" im mecklenburgischen Lübtheen 2005. Wie seine
Mitstreiter erkannte Blaudszun zunächst nicht, was der heutige
mecklenburgische NPD-Fraktionschef Udo Pastörs mit seinem Protest gegen die
amerikanischen Kohlekonzerne vor hatte: Radikalen Antiamerikanismus
verbreiten
"Ich glaube, am Anfang ging es ihm wirklich um die Braunkohle und Kritik an
Amerikanischen Großkonzernen ist per se ja nichts Schlechtes", sagt
Bladszun. Doch als Pastörs die Mobilisierungskraft des Naturschutzthemas
voll erfasste, habe er sie für sich und die rechten Inhalte nutzen wollen,
glaubt der Rechtsanwalt. Da die NPD erst 2006 in den Schweriner Landtag
einzog, war Pastörs noch relativ unbekannt.
So unterwanderten Pastörs und einige Sympathisanten die Bürgerintiative
"Braunkohle nein!". In der Studie veranschaulicht der anschließende
monatelange Kampf der Bürgerinitiative gegen die Neonazis in ihren Reihen
als eines von vielen Beispielen dafür, wie subtil die Unterwanderung
abläuft.
## Antiamerikanismus und Heimatschutz
"Die meisten Menschen denken bei Umweltschutz oder lokalen
Landwirtschaftsinitiativen zuerst an die Traditionslinie der alten 68er",
sagt Johannes Melchert. Der Politikwissenschaftler vom Göttinger Institut
für Demokratieforschung schreibt in "Braune Ökologen" über die
Themensetzung der mecklenburgischen NPD-Landtagsfraktion, die sich bis zum
Parlamentseinzug der Grünen im vergangenen Herbst als alleinige
Verfechterin ökologischer Fragen geriert habe.
Laut Melchert gab es schon vor den 68ern rechtskonservative bis
nationalistische Ökobewegungen. „Dahinter steckt der simple Gedanke des
Heimatschutzes und des Bewahrens der eigenen Umwelt“, sagt der 29-Jährige.
Damit könne auch die NPD nach wie vor lokal und regional politisch punkten
– zum Beispiel mit zweideutigen Slogans wie "Regional ist erste Wahl" für
den Erhalt der regionalen Landwirtschaft. Gefährlich sei an dieser
"Ökologie à la NPD" wie Melchert es nennt, nicht nur die unfreiwillige
Plattform für die Rechtsextremen.
Zusätzlich würden die tatsächlichen ökologischen Probleme überdeckt. So
verbinde sich Kritik an Gen-Technologie immer nur mit Anti-Amerikanismus;
Anti-Kohle-Protest hingegen niemals mit globalen Klimaschutzzielen, sondern
nur regionalen Umweltinteressen. "Eine völkische, raumbezogene Antwort auf
die ökologische Frage ist weder zielführend, noch zeugt sie von einem
Verständnis für die Dimension heutiger Umwelt-Herausforderungen",
bilanziert Melchert in der Studie.
13 Jan 2012
## LINKS
[1] http://www.boell.de/presse/presse-buch-braune-oekologie-rechtsextremismus-1…
## AUTOREN
Karen Grass
## TAGS
Lehrerinnen
Naturschutz
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Bioland
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