# taz.de -- NPD in Mecklenburg-Vorpommern: Neonazis geben sich als Kümmerer | |
> Mecklenburg-Vorpommern gilt für die rechtsextreme NPD als Musterland. | |
> Hier macht sich die Partei breit. Mit Handarbeitskursen für Frauen und | |
> „Volksbüchereien“. | |
Bild: Im Land mit „Modellcharakter“ krempelt man auch schon mal die Ärmel … | |
LÜBTHEEN taz | Feierabendstimmung in der „Lindenstadt“ Lübtheen. Mit dem | |
Fahrrad oder zu Fuß erledigen einige Bewohner ihre letzten Einkäufe; kurz | |
grüßt man sich am zentralen Ernst-Thälmann-Platz. Gelassen erwartet dort | |
Andreas Theißen, Kreisvorsitzender der NPD Westmecklenburg, vor der offenen | |
Tür des Hotels Stadt Hamburg seine Gäste. Dort, im neuen „Kulturraum“ der | |
Partei, soll es politische Vorträge, aber auch Skat- und Spielabende, | |
gemeinsames Singen, Plattdeutschkurse und „gemütliche Frauenabende mit Zeit | |
zum Handarbeiten“ geben. Schon öfters ließen sich Anwohner zu solchen | |
Veranstaltungen locken. | |
Völlig unberührt von den Debatten über das Versagen der Behörden angesichts | |
der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds treiben die | |
Rechtsradikalen ihre Verankerung im kommunalen Alltag der Region voran. | |
Selbstsicher und Selbstbewusst tritt die Szene auf, von der NPD über die | |
Freien Kameradschaften und Hammerskins bis zum Ring Nationaler Frauen | |
(RNF). | |
Der „politische Abend“ mit dem verurteilten Volksverhetzer Rigolf Hennig | |
über die „derzeitige EU-Diktatur“ wurde offen beworben. In den Briefkästen | |
konnten die Bewohner von Lübtheen, wo Andreas Theißen und Marianne Pastörs, | |
die Frau des stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden, auch im Stadtrat | |
sitzen, die Einladung finden. | |
In Lübtheen sucht die NPD die Nähe zu den Menschen: Seit sie 2006 erstmals | |
in den Schweriner Landtag einzog, eröffnete sie hier ein Bürgerbüro, das | |
gerade in das ehemalige Hotel an den Thälmannplatz Nr. 1 umgezogen ist. | |
„Wir kümmern uns“, lautete das Versprechen auf ihren Plakaten. Und sie | |
lösen es ein: Gleich nebenan hat Pastörs’ Schwiegersohn ein Haus erworben, | |
Wohnungen werden geschaffen. Und noch ein Gebäude gehört Marianne Pastörs – | |
angeblich sollen dort ein Büro und ein NPD-Parteiarchiv eingerichtet | |
werden. „Den Ernst-Thälmann-Platz können wir bald in Adof-Hitler-Platz | |
umbenennen“, kommentiert ein Anwohner das Treiben der Neonazis wütend. | |
Dabei versucht die Stadt seit Jahren, den rechten Einfluss einzudämmen. | |
Bürgermeisterin Ute Lindenau hat die Verankerung der NPD in ihrem Ort nie | |
geleugnet. Doch rechtlich seien die Hauskäufe kaum zu unterbinden, sagt | |
sie. Alleine bei historisch wertvollen Gebäuden könnte die Stadt | |
intervenieren. „Die haben erreicht, was sie wollen“, zeigt sich ein | |
Mitglied von „Wir für Lübtheen“, einem Bündnis gegen rechts, resigniert: | |
„Keiner regt sich mehr auf. Die NPD ist Teil des Ganzen geworden.“ | |
## Eingezäunt und mit Wachturm | |
Auch in Grevesmühlen, knapp 80 Kilometer nördlich von Lübtheen gelegen, | |
ließen sich die Neonazis mit rechtlichen Mitteln allein nicht stoppen. | |
Mitten im Gewerbegebiet nutzt die Szene jetzt ihr „Thinghaus“ für | |
Veranstaltungen, Konzerte, Schulungen und Kinderfeste. Am Eingang des | |
einstöckigen Gebäudes, das mit einem blickdichten Palisadenzaum umzäunt und | |
mit einem Wachturm versehen ist, weist ein Schild darauf hin, dass hier ein | |
NPD-Bürgerbüro, das Szeneinternetportal „Mupinfo“ sowie die Gemeinschaft | |
Deutscher Frauen ansässig sind. | |
Baurechtlich sei das nicht zu beanstanden, heißt es beim Bürgermeister | |
Jürgen Ditz. Mit einheitlichen T-Shirts gut erkennbar, liefen zwölf | |
Kameraden des Freundeskreises Thinghaus beim letzten Stadtlauf im Juni mit. | |
„Als Gruppe haben die sich nicht angemeldet, sondern als Einzelpersonen“, | |
weiß Ditz. Gewusst wie. | |
In Anklam, knapp 250 Kilometer östlich von Lübtheen gelegen, setzt die | |
Szene auf eine sogenannte „Volksbücherei“, die sie mitten in der kleinen | |
Hansestadt betreibt. In Anklam sitzt der NPD-Landtagsabgeordnete Michael | |
Andrejewski im Stadtrat. Über das Internet-Portal „Mupinfo“, das der | |
NPD-Landtagsabgeordnete David Petereit verantwortet, werden T-Shirts | |
verkauft, mit denen der Ausbau der ehemaligen Kaufhalle finanziert wird. | |
Das Gelände einer früheren Bäckerei gehört Anhängern der Szene, auch einen | |
CD- und Modeladen nutzen die Neonazis. | |
„Hier wächst eine Kernmannschaft der nationalen Opposition zusammen mit den | |
Menschen, die hier leben“, prahlte der NPD-Landtagsfraktionschef Udo | |
Pastörs schon vor Jahren. Mecklenburg-Vorpommern besitzt für seine Partei | |
Modellcharakter. Auch Kader der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend | |
haben die Region jetzt für sich entdeckt. Mit ihren Kindern versuchen sie, | |
in den sozialen Einrichtungen Fuß zu fassen. „Ist Alltag hier“, klagt der | |
enttäuschte Anwohner achselzuckend. | |
17 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
A. Röpke | |
A. Speit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Feuer auf Gelände von NPD-Fest: Brandstiftung bei Rechtsextremen | |
Auf dem Gelände des „Pressefests“ der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ in | |
Mecklenburg-Vorpommern ist ein Stall abgebrannt. Nun ermittelt der | |
Staatsschutz wegen Brandstiftung. | |
Rechtsextreme Umweltschützer: Nazis gegen Braunkohle | |
Nationalistische Proteste gegen polnische Atomkraftwerke oder Biobauern in | |
der Tradition völkischer Siedler: Eine Studie zeigt wie Neonazis | |
Öko-Initiativen unterwandern. | |
NPD erneut im Schweriner Landtag: "Ein gemeinsamer Wille" | |
Trotz Verlusten kommt die NPD wieder in den Landtag. Dafür haben sie 80.000 | |
Plakate angebracht, 200.000 Euro investiert und eng mit den Kameradschaften | |
kooperiert. | |
NPD in Mecklenburg-Vorpommern: "Sehen sie, man spricht uns an" | |
Selbstsicher erwartet die NPD den Wiedereinzug in den Landtag. Ihre | |
Kandidaten sind in Plauderlaune und einer trägt ein T-Shirt mit der | |
Unterschrift vom Führer. |