# taz.de -- NPD in Mecklenburg-Vorpommern: "Sehen sie, man spricht uns an" | |
> Selbstsicher erwartet die NPD den Wiedereinzug in den Landtag. Ihre | |
> Kandidaten sind in Plauderlaune und einer trägt ein T-Shirt mit der | |
> Unterschrift vom Führer. | |
Bild: NPD-Direktkandidat Stephan Jandzinsky mit Hitler-Signatur auf der Brust. | |
Boizenburg taz | Der Wiedereinzug der NPD in das Schweriner Schloss scheint | |
möglich. Nach neuesten Umfragen könnte die Partei bei der Landtagswahl in | |
Mecklenburg-Vorpommern über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Ihr | |
Spitzenkandidat und Fraktionschef Udo Pastörs erwartet gar ein besseres | |
Wahlergebnis als 2006: "Ich persönlich bleibe bei meiner Prognose von acht | |
Prozent". | |
Auch die Politikwissenschaftlerin Gudrun Heinrich will nicht ausschließen, | |
dass die NPD im Parlament des nordöstlichen Bundeslandes verbleibt. Die | |
Partei hat sich eine Stammwählerpotential erarbeitet, sagt die | |
Extremismus-Expertin der Universität Rostock und betont: "Diese Wähler - | |
meist junge Männer mit mittlerer Bildung und häufig aus ländlichen Regionen | |
- entscheiden sich aus Überzeugung für die Rechtsextremisten". | |
Ganz gelassen wirkt Udo Pastörs denn auch gut eine Woche vor dem Wahltag am | |
4. September. In Boizenburg, auf dem Wochenmarkt am Rathaus, sucht er mit | |
seiner Frau, die für die Partei zur Landtags- und Kommunalwahl antritt, das | |
Gespräch mit potenziellen Wählern. Die beiden müssen sich nicht aufdrängen. | |
Mit NPD-Flyern geht Marianne Pastörs über den Markt, grüßt und wird | |
gegrüßt. Ihr Mann bestaunt derweil ein Kind im Kinderwagen, das eine junge | |
Familie ihm vorzeigt. Lobende Worte fallen. "Deutsche Kinder braucht das | |
Land" ist einer der NPD-Wahlslogans. Im Plauderton beklagt Udo Pastörs, | |
unter Zustimmung der Umstehenden, mit Kaffee in der Hand, den möglichen | |
Rauswurf von 150 "deutschen Arbeitern" in einer Torgelower Eisengießerei, | |
um "polnische Kolonnen" einzustellen. | |
"Sehen sie, man hört uns zu, spricht uns an", sagt Stefan Köster. Der | |
NPD-Landesvorsitzende und –Landtagsabgeordnete hatte zuvor gefragt, ob er | |
sich mit an den Tisch des Bäckereiwagens stellen dürfe. "Stört sie nicht?" | |
fragt auch gleich Michael Grewe, NPD-Fraktionsgeschäftsführer und | |
–Landtagskandidat. Die Wahlmannschaft ist in bester Laune. Der Zuspruch auf | |
dem Markt scheint Köster und Grewe zu ermutigen, von sich aus das Gespräch | |
zu suchen. | |
## "Von Paris Hilton" | |
Im westlichen Mecklenburg-Vorpommern, in der Region zwischen Grevesmühlen | |
und Lübtheen, ist die NPD, ähnlich wie in der Region Anklam und | |
Uecker-Randow, fest verankert. Dort holten sie entscheidende Wählerstimmen | |
für den Landtag und Kommunalvertretungen. Pastörs und Köster unterhalten | |
Bürgerbüros in Lübtheen und Grevesmühlen. "Wir kümmern uns" steht in | |
Lübtheen am am Eingang des Büros, das nicht nur NPD-Kader besuchen. In | |
Grevesmühlen, im dem mehrere "nationale" Projekte ansässig sind, prangte | |
"Todesstrafe für Kinderschänder" am Giebel. Das "Thing-Haus" nutzt die | |
Partei als Schlafmöglichkeit für Wahlhelfer und Lager für Wahlmaterialien. | |
Der NPD-Direktkandidat Stephan Jandzinsky läuft auf dem Gelände mit einen | |
besonderem T-Shirt rum – ganz in Braun und als Aufdruck: die Unterschrift | |
von Adolf Hitler. Auf den Schriftzug angesprochen sagt er nur: "von Paris | |
Hilton" und geht weg. | |
An die 20 Veranstaltungen wie Kinderfeste oder Konzerte fanden bisher in | |
dem Gebäude statt, das der Neonazi Sven Krüger, gerade wegen Waffenbesitz | |
und Hehlerei verurteilt, der Partei zur Nutzung überlässt. Um der NPD nicht | |
zu schaden, hatte Krüger vor seinem Gerichtsverfahren sein | |
NPD-Kommunalmandat abgegeben. | |
## "Wir sind ja Freiluftfreunde" | |
An den Infoständen würden ihnen Verurteilungen und Verfahren aber nicht | |
vorgehalten, versichert Michael Grewe, der ebenfalls schon vor Gericht | |
stand - wegen mehrerer Angriffe auf Gegendemonstranten. "Der Wahlkampf | |
macht Spaß. Wir sind ja Freiluftfreunde und froh, aus der Schwatzbude | |
rauszukommen", erklärt Stefan Köster. Grewes Frau legt den Markteinkauf auf | |
den Stelltisch. "Was Frauen so alles kaufen", sagt Grewe in die Tüte | |
schauend. Kurz darauf räumt er ein, nicht erwartet zu haben einmal | |
"Fraktionsgeschäftsführer" zu werden. "Meine Schulbildung, nicht einfache | |
Kindheit, na ja" sagt er. | |
Im alltäglichen Leben – zwischen Beruf und Ehrenamt - seien die | |
"Vorurteile" langsam abgebaut worden, behauptet derweil Köster und | |
unterbricht das Gespräch erneut, weil eine Frau ihn grüßt: " Geht's gut?". | |
"Ja, danke, grüß schön!". Nicht überall im Westen des Landes würden die | |
NPD-Wahlkämpfer so einen Zuspruch erfahren, sagt Karl-Georg Ohse, Leiter | |
des Regionalzentrums für demokratische Kultur Westmecklenburg. "Die | |
Situation ist in dieser Region speziell", betont er. | |
In der Öffentlichkeit sind während der gesamten Legislaturperiode kaum | |
Interna über Parteiquerelen oder Personaldebatten bekannt geworden. "Wir | |
haben da unsere Kommunikation sehr genau abgestimmt", sagt Stefan Köster. | |
So was wie in Sachsen-Anhalt, könne nicht passieren, behauptet Michael | |
Grewe. Dort wurden kurz vor der Wahl verfängliche Mails und Forenbeiträge | |
des Spitzenkandidaten Matthias Heyder über Bombenattentate an Bahnhöfen und | |
die Schändung von Frauen der Links-Partei öffentlich. "Wie dumm kann man | |
nur sein. Selbst ein besoffener Skinhead hätte das nicht mal im Scherz | |
gebracht", sagt er kopfschüttelnd. | |
In sechsstelliger Zahl will die NPD ihre Plakate "sei kein Frosch – wähl | |
deutsch" oder "Gegen Blitzerabzocke" in Mecklenburg-Vorpommern aufhängen. | |
"Wir können vieles selber stemmen", sagt Köster. Die engen Verbindungen zu | |
den Kameradschaften helfen der Partei. Udo Pastörs betont, dass "der | |
gemeinsame Wille" die Zusammenarbeit bestimme. Sollte der Wiedereinzug in | |
den Landtag gelingen, wäre auch Kameradschaftskader David Petereit mit | |
Sicherheit unter den NPD-Abgeordneten. | |
## "Meine Stimme bekommt Voigt nicht" | |
Rund 200.000 Euro umfasse der Wahlkampfetat. In 2006 betrug dieser noch | |
330.000 Euro. Etwa wegen Verstimmungen mit dem NPD-Bundesvorstand um Udo | |
Voigt oder wegen Geldproblemen? "Nein", erwidert Stefan Köster. Peter Marx, | |
einem Mitarbeiter der Fraktion und früherer NPD-Bundesvize, rutscht es dann | |
aber doch raus: "Gehen sie davon aus, dass Udo Voigt nicht alleine für den | |
Bundesvorsitz kandidiert. Meine Stimme bekommt er nicht". | |
Vor den letzten Parteitagen war der Landesverband nicht immer auf | |
Bundeslinie. Den Bundesvorsitz versuchte Pastörs Voigt streitig zu machen. | |
Seit Jahren bemühen sich Pastörs und Co. ein bürgernahes Image zu | |
entwickeln - ohne ihre radikalen Positionen zu abzuschwächen. "Deutscher | |
Weg, Sächsischer Weg, ach wir verbinden diese Konzepte", sagt Stefan | |
Köster. | |
Das Positionspapier des Bundesvorstandes in Berlin, in dem vor einem | |
moderaten Kurs gewarnt wird und der Strategietext der Landtagsfraktion in | |
Sachsen, in dem indes von einem radikalen Weg abgeraten wird, hätte sich | |
für sie "im Alltag, in der Praxis" längst "erledigt". Das ihr Wahlprogramm | |
mit seinen 25-Punkten an das 25-Punkte-Programm der NSDAP erinnert, sei | |
ihnen schon bewusst gewesen. "Aber 23 oder 26 Punkte, da hätte der Wähler | |
doch gedacht, das wäre alles willkürlich", erklärt Köster lächelnd. | |
28 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Andrea Röpke | |
Andreas Speit | |
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