# taz.de -- "Bild"-Chef verhinderte Berichterstattung: Als Diekmann noch wie Wu… | |
> Im Jahr 2005 schrieb "Bild"-Chef Kai Diekmann an Giovanni di Lorenzo von | |
> der "Zeit", um die Veröffentlichung einer Studie zu verhindern. Mit | |
> Erfolg. | |
Bild: Briefe schreiben kann er, der Diekmann: Brief an Wulff. | |
Vielleicht war ja in Wirklichkeit auch alles ganz anders. Denn es gab | |
Zeiten, da hat sich auch Kai Diekmann wie Christian Wulff gefühlt. Ein | |
bisschen jedenfalls. Und sich ebenfalls gegen Berichterstattung gewehrt, | |
die zwar völlig in Ordnung ging, aber dem Herrn Diekmann eben nicht kommod | |
war. | |
Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Diekmann war damals kein | |
Bundesvorsitzender oder -präsident von irgendwas, sondern wie heute | |
Bild-Chefredakteur. Außerdem ging es 2005 – Mobiltelefone waren zwar schon | |
erfunden – nicht um eine Mailbox. Sondern hübsch altmodisch um ein Telefax. | |
Und eine Studie zum Thema "Journalismus in Deutschland". | |
Die hatte der Medienwissenschaftler und Leiter des Instituts für | |
Journalistik an der Universität Hamburg, Siegfried Weischenberg, betrieben | |
und Anfang Oktober 2005 in einem länglichen Beitrag für die Wochenzeitung | |
Die Zeit erste Ergebnisse zusammengefasst. | |
Darin sah sich Diekmann eingemeindet in eine Phalanx von Journalisten, die | |
sich "inzwischen öffentlich vorführen", wie Weischenberg schrieb: "Das | |
Fernsehen präsentiert sie uns jeden Tag – auch solche, die eigentlich bei | |
der Presse arbeiten. Insbesondere durch Talkshows werden sie zu Stars, | |
deren Bekanntheitsgrad dem von […] Politikern in nichts nachsteht." | |
## Es ging um Respekt vor dem Amt | |
Etwas später im Text, im nächsten Absatz, da, wo es um JournalistInnen | |
ging, die "in den letzten Wochen" um die Bundestagswahl 2005 stärker | |
beachtet wurden, "als ihnen im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit lieb | |
sein kann", fand sich in einer Liste neben dem damaligen Ersatzkanzler | |
Jörges (Stern) oder dem Apokalyptiker Schirrmacher (FAZ) und dem | |
Damals-noch-Spiegel-Chef Stefan Aust auch der Chefredakteur von Bild. | |
Zur Erinnerung: Zur Wahl 2005 hatten viele gedruckte Leitmedien die SPD und | |
ihren Kanzler Gerhard Schröder ganz offensiv abgeschrieben – und der sich | |
mit einem unerwartet guten Ergebnis bedankt, Folge: die Große Koalition | |
2005-2009. | |
Doch Diekmann ging es nicht ums Wahlergebnis, sondern ähnlich wie Wulff | |
sozusagen um Respekt vor seinem Amt: Denn der Bild-Chef geht nicht in | |
Fernsehtalkshows, weder damals noch heute. Diekmann bezog also den | |
Talkshow- auf den "Beachtungs"-Passus, fühlte sich durch Weischenbergs | |
Artikel schlimm in seiner geliebten Glaubwürdigkeit angegriffen und faxte | |
an den Zeit-Chefredakteur. | |
## Di Lorenzo reagierte prompt | |
Damit war – Vorsicht, fürchterlich kalauernder Sprachwitz – das Dovenfleet | |
endgültig überschritten. Denn Giovanni die Lorenzo faxte umgehend zurück – | |
und gab Diekmann Recht. Der Text sei an diesen Stellen "ungenau, | |
unvollständig und ungerecht", schrieb di Lorenzo an den "lieben Kai". Daher | |
müsse "ersatzlos gestrichen werden". Das erledigte sein Blatt auf zeit.de | |
auch prompt, wie gewünscht wurde der Name Diekmann aus den entscheidenden | |
Absätzen des Artikels getilgt, ohne den Autor Weischenberg auch nur in | |
Kenntnis zu setzen. | |
Mehr noch: "Ich bedaure das sehr", hatte sich di Lorenzo beim Bild-Chef | |
noch ausdrücklich entschuldigt – und sich mit dem Schlusssatz endgültig zum | |
Wulff gemacht: "Ich gehe davon aus, dass dies ein persönliches Fax an Dich | |
ist", schrieb der erste Mann der Zeit an den Bild-Chefredakteur. | |
Was der so persönlich nahm, dass sich das Dokument als "Anlage K 4 B" bei | |
seinen Anwälten wiederfand. Denn das scheue Reh von Bild hatte anders als | |
der heutige Bundespräsident nicht nur mit Klage gedroht, sondern vor der | |
der Hamburger Pressekammer tatsächlich einen Prozess gegen Weischenberg | |
angestrengt. Bei dem durfte dann di Lorenzos Fax, einer aktuellen | |
Voicemail-Nachricht nicht unähnlich, als Beweismittel für alles Mögliche | |
herhalten. Wulff hätte also wissen können, was ihm blüht. | |
Allein: Die Pressefreiheit hat auch diese Posse locker überlebt, der | |
Prozess ging über zwei Instanzen verloren, beide Chefredakteure sind weiter | |
in Amt (und Würden?) – und selbst den Professor gibt es noch. | |
15 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wulff und die Medien: Einmal Star und wieder zurück | |
Christian Wulff stolperte auch über seinen Umgang mit Journalisten. Er war | |
überzeugt, er habe bei der "Bild" echte Freunde gefunden. | |
taz-Anfrage an die "Bild": Wulff schickte Weihnachtspost | |
Welche Rolle spielt Bild-Chef Kai Diekmann in der Mailbox-Affäre? Die taz | |
hat nachgehakt. Die "Bild" antwortet mit einer Flut aus Details. Im Anhang: | |
die vollständige Dokumentation. | |
Fragen an den Bundespräsidenten: Wulff stellt Antworten ins Netz | |
Lange gefordert, nun geliefert: Die Anwälte des Bundespräsidenten stellen | |
239 Seiten mit Antworten auf Journalistenfragen ins Netz. Erkenntnisse | |
bringt das nicht. | |
Bild antwortet auf taz-Fragen: Diekmann wulfft sich raus | |
Welche Rolle spielt Kai Diekmann in der Mailbox-Affäre? Die Bild versprach | |
Aufklärung. Und wird zum Wulff: schweigen, leugnen, rausreden. | |
"Bild", taz und Wulff: Aufklären – ohne Witz | |
Die "Bild" befasst sich mit ihrer Rolle in der Wulff-Affäre. Der | |
Chefredakteur verspricht Antworten. An wen gab er die Mailbox-Nachricht des | |
Bundespräsidenten weiter? | |
Diekmann an taz: Wulff-Spott und eine Zeile Ernst | |
Die taz schickt dem "Bild"-Chef einen Fragenkatalog zur Mailbox-Affäre. Kai | |
Diekmann antwortet mit Präsi-Witzen und einem Versprechen. | |
taz-Mail an Bild: Mit Bitte um rasche Antwort | |
An wen haben Sie Wulffs Mailbox-Nachricht weitergegeben? Als Tondokument | |
oder schriftlich? Wann? 15 Fragen an den Chefredakteur. | |
Ex-"Bild"-Chef Röbel über Schlagzeilen: "Wulff ist für 'Bild' ein Sechser im… | |
Der Krimi-Autor und frühere "Bild"-Chef Udo Röbel über die Folgen der | |
Wulff-Affäre, wütende Anrufe Mächtiger und die Strategie seines Nachfolgers | |
Diekmann. | |
Der Mailbox-Spruch des Bundespräsidenten: Die Crowd klärt auf | |
Journalisten rätseln: Wieviel von Wulffs Mailbox-Nachricht an "Bild"-Chef | |
Diekmann ist bisher bekannt? Netzaktivisten sorgen nun in einem Wiki für | |
ein wenig Klarheit. |