# taz.de -- Wulff und die Medien: Einmal Star und wieder zurück | |
> Christian Wulff stolperte auch über seinen Umgang mit Journalisten. Er | |
> war überzeugt, er habe bei der "Bild" echte Freunde gefunden. | |
Bild: Manche Freunde gehen bei dick mit, bei dünn dann doch nicht. | |
BERLIN taz | Einen Tag vor dem Rücktritt des Bundespräsidenten übte sich | |
Deutschlands größte Boulevardzeitung in seltsamer Harmonie mit der First | |
Lady. "Bella Bettina begeistert Italia - Die bessere Hälfte unseres | |
Bundespräsidenten", titelte die Bild am Donnerstag. Daneben ein Foto: | |
Bild-Rechercheur Martin Heidemanns und Bettina Wulff in Mailand, sie geben | |
sich die Hand. | |
Die Wulffs waren gerade auf Staatsbesuch in Italien, für Christian Wulff | |
sollte es die letzte Reise sein als Präsident der Bundesrepublik | |
Deutschland. Er wollte über Außenpolitik sprechen, über Italien. Über | |
alles, nur nicht über seine Affäre. Die mitgereisten Journalisten wollten | |
eher nicht über Italien sprechen. Sondern über alles andere. Christian | |
Wulff und die Medien. Christian Wulff und die Bild. Selten zuvor war der | |
Absturz eines Politikers so sehr verbunden mit seinem misslungenen Umgang | |
mit den Medien. | |
Letztendlich stolperte er auch über das Missverständnis, er habe in der | |
Redaktion der Bild Freunde gefunden. Freunde, mit denen er durch dick und | |
dünn geht. Freunde, mit denen man Unliebsames abseits der Öffentlichkeit | |
besprechen kann, oder, viel besser noch: diese journalistisch so dreht, | |
dass es zu einer schönen Geschichte wird. Es hatte alles so gut | |
funktioniert. Damals, in Hannover. | |
Die Bild ernannte Wulff immer wieder zum "Gewinner des Tages", sie verlieh | |
ihm den Orden für "Retter der deutschen Sprache", sie bejubelte seine neue | |
Freundin Bettina und erklärte den Lesern die unvermeidliche Trennung von | |
seiner Ehefrau: "So besonnen wie in der Politik, so besonnen trifft | |
Christian Wulff auch privat seine Entscheidungen". | |
Dazu kommentierte Bild: "Der bisher tadellose Wulff wird durch diese | |
Trennung sogar ein wenig menschlicher." Wulff hätte fast alles machen | |
können, die Bild hätte ihn dafür gelobt. Bemerkenswert: Den investigativen | |
Ehrgeiz, Wulffs Hannover-Sumpf auszuheben, entdeckte die Bild erst, als | |
Christian Wulff nach Berlin ging und Bundespräsident wurde. | |
Jetzt war er nicht mehr der Retter der deutschen Sprache, der Verfechter | |
der alten Rechtschreibung. Jetzt wurde er jener Präsident, der | |
proklamierte, dass auch der Islam zu Deutschland gehört. Jener Präsident, | |
der Thilo Sarrazin kritisierte für dessen biologistische und | |
volksverhetzende Thesen. | |
Die Bild fragte: "Warum hofieren Sie den Islam so, Herr Bundespräsident?" | |
Die Stimmung kippte. Es folgten die Kreditrecherchen der Bild, Wulffs | |
Anrufe bei Kai Diekmann, dem Chefredakteur der Bild, und bei Mathias | |
Döpfner, dem Springer-Chef. Es folgten Wochen der Schlagzeilen. | |
Es war nicht die Kampagne der Bild, die Wulff zu Fall brachte, sondern die | |
Summe der Verfehlungen. Eine Machtdemonstration Deutschlands größter | |
Boulevardzeitung waren die letzten Wochen sehr wohl. | |
18 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Dachsel | |
## TAGS | |
Christian Wulff | |
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