# taz.de -- Bild antwortet auf taz-Fragen: Diekmann wulfft sich raus | |
> Welche Rolle spielt Kai Diekmann in der Mailbox-Affäre? Die Bild | |
> versprach Aufklärung. Und wird zum Wulff: schweigen, leugnen, rausreden. | |
Bild: Wir hatten Fragen und er hat geantwortet. | |
BERLIN taz | Kai Diekmann hat Wort gehalten. Um 15:59 Uhr, eine Minute vor | |
Ablauf der Frist, schickte die Pressestelle des Axel-Springer-Verlags eine | |
Mail an die taz. Damit reagiert Bild auf eine öffentliche taz-Anfrage vom | |
Freitag. | |
Welche Rolle spielt Kai Diekmann in der Mailbox-Affäre um Bundespräsident | |
Christian Wulff? Wie gelangt der Inhalt der Nachricht des Bundespräsidenten | |
auf der Mailbox des Bild-Chefs an die Öffentlichkeit? Warum fragt Diekmann | |
bei Bundespräsident Christian Wulff um Erlaubnis zur Veröffentlichung der | |
Nachricht, während Redakteure der Bild gleichzeitig bereits Passagen daraus | |
weitergeben? | |
Die Antworten der Springer-Pressestelle kamen zwar pünktlich. Aber sie | |
fallen knapp aus – und bleiben an den entscheidenden Stellen vage. Man habe | |
bei Redaktionssitzungen Abschriften der Nachricht verteilt, Tondokumente | |
jedoch nicht. Die Büroleitung Diekmanns habe noch am Abend des 12. Dezember | |
eine Abschrift der Mailbox-Nachricht erstellt. | |
Warum berichtete die Bild nicht über den Anruf des Bundespräsident, wenn | |
dieser doch, wie es mancher Journalist in diesen Tagen formuliert, einen | |
"Angriff auf die Pressefreiheit" bedeutete? Gab es rechtliche Bedenken? Der | |
Fokus, so argumentiert Bild, habe zu diesem Zeitpunkt auf der | |
Hausfinanzierung gelegen – nicht auf dem sogenannten "Wut-Anruf" des | |
Bundespräsidenten beim Chefredakteur der größten deutschen Zeitung. Ging | |
Bild im entscheidenden Moment der journalistische Instinkt verloren? Merkte | |
die Redaktion nicht, welches Juwel sich auf der Mailbox ihres | |
Chefredakteurs befand? | |
## Was tun mit der Wut-Nachricht? | |
Passagen der Nachricht kamen trotzdem an die Öffentlichkeit. Die FAS und | |
die Süddeutsche berichteten Anfang des Jahres als erste. Wie kamen sie an | |
die Information und an Zitate? Interessant auch hier die Antwort. Kai | |
Diekmann war sich offenbar unsicher, was er mit der "Wut-Nachricht" des | |
Bundespräsidenten anfangen sollte – veröffentlichen oder nicht? Der | |
Bild-Chefredakteur habe seinerzeit persönlich mit zwei externen | |
Journalisten über den Anruf gesprochen und ihnen in diesem Zusammenhang | |
auch den Text zukommen lassen. | |
"Gerade aufgrund der eigenen Betroffenheit ging es ihm dabei um das | |
Einholen von Einschätzungen nicht betroffener Kollegen außerhalb der | |
Redaktion", so die Springer-Pressestelle. Ging auch ihm der journalistische | |
Instinkt verloren? Lässt er sich in heiklen Fragen tatsächlich von externen | |
Journalisten beraten? Oder lancierte er die Nachricht gezielt, damit andere | |
berichteten und sich die Bild nicht die Finger schmutzig machen musste? | |
Nachdem die Redaktion die Abschrift der Nachricht an das Büro des | |
Bundespräsidenten übermittelt hatte, hätten sich bei der Axel | |
Springer-Pressestelle Anfragen von Journalisten zum vollständigen Inhalt | |
der Nachricht gehäuft. "In Gesprächen wurden einige der bereits bekannten | |
Passagen erläutert. | |
Eine Abschrift der Nachricht wurde von der Pressestelle an keine Zeitung | |
oder Zeitschrift geschickt", so die Springer-Pressestelle. Was bedeutet | |
"erläutert"? In welchem Umfang wurden weitere Passagen verbreitet? Die taz | |
gibt sich mit der Antwort nicht zufrieden und wird weitere Nachfragen | |
stellen. | |
In der Causa Wulff gehe es nicht nur um die Verfehlungen, die dem | |
Bundespräsidenten angelastet werden, sondern auch darum, wie Medien immer | |
wieder versuchen, selbst zu Akteuren werden, so taz-Chefredakteurin Ines | |
Pohl. "Nicht die Aufklärung, sondern die quotenträchtige Hinrichtung | |
scheint doch in diesem Fall sehr offensichtlich eine große Rolle zu | |
spielen. | |
Deshalb [1][unsere öffentliche Anfrage] mit der wir nachvollziehbar machen | |
wollen, wie das System Bild-Zeitung funktioniert. Bild-Chefredakteur | |
Diekmann gelingt es mit seinen Antworten nicht, die Annahme zu entkräften, | |
dass er gezielt Teile der Mailboxabschrift gestreut hat", so Pohl. | |
## Die Antwort im Wortlaut: | |
1.) In der Sendung "Günther Jauch" vom 8. Januar 2012 behauptet Nikolaus | |
Blome, Leiter des Berliner Büros der Bild, die Nachricht Christian Wulffs | |
auf Ihrer Mailbox vom 12. Dezember 2011 sei bei Bild zunächst intern | |
diskutiert worden. Wer im Haus kannte zu diesem Zeitpunkt die | |
Mailbox-Nachricht? Haben Sie im Haus Abschriften der Nachricht verteilt | |
oder Tondokumente? An wen? Wer nahm an der Diskussion über eine mögliche | |
Veröffentlichung teil? | |
Zu 1.) Es ist richtig, dass die Nachricht, die der Bundespräsident auf die | |
Mailbox von Kai Diekmann gesprochen hat, und der Umgang damit ausführlich | |
in der Redaktion diskutiert wurden. Die Büroleitung von Kai Diekmann | |
erstellte noch am selben Abend, also am 12. Dezember 2011, eine Abschrift, | |
die in den folgenden zwei Tagen in den Redaktionskonferenzen vorlag. | |
Tondokumente wurden nicht weitergegeben. | |
2.) Warum entschied sich die Redaktion die Mailbox-Nachricht nicht zu | |
veröffentlichen? Was waren die Argumente gegen die Veröffentlichung, | |
beziehungsweise gegen eine Berichterstattung der Bild über den Anruf des | |
Bundespräsidenten – und was waren die Argumente dafür? Gab es in Ihrem Haus | |
rechtliche Bedenken, die Mailbox-Nachricht zu veröffentlichen? Wenn ja: | |
welche? | |
Zu 2.) Üblicherweise erklären wir Reaktionsentscheidungen nicht, in diesem | |
Fall machen wir eine Ausnahme: Zum damaligen Zeitpunkt ging es in erster | |
Linie um die umstrittenen Aussagen von Christian Wulff vor dem | |
Niedersächsischen Landtag, seine private Hausfinanzierung betreffend. Bild | |
war die erste Zeitung, die über eine mögliche Verschleierung der | |
Kreditgeberschaft geschrieben und den Namen des Kreditgebers veröffentlicht | |
hat. Am 13. und 14. Dezember 2011 stand dieses Thema im Focus der | |
Berichterstattung. Aus folgenden Gründen hat Bild über den Anruf nicht | |
berichtet. 1. Dem Ansinnen des Bundespräsidenten, die geplante Geschichte | |
nicht zu veröffentlichen, hat sich Bild nicht gefügt, sondern wie geplant | |
berichtet. 2. Kai Diekmann hat noch am Abend des 12. Dezember 2011, wie von | |
Christian Wulff erbeten, ausführlich mit dem Chef des Bundespräsidialamtes | |
Staatssekretär Hagebölling telefoniert und ihm ausführlich erläutert, warum | |
wir veröffentlichen und warum es keinen Anlass für eine nochmalige | |
Verschiebung gibt. 3. Gerade weil Bild direkt betroffen war, hat sich die | |
Redaktion in den Diskussionen die Entscheidung nicht leicht gemacht und | |
auch andere Meinungen extern eingeholt. Bevor ein abschließendes Urteil zum | |
Umgang mit dem Anruf gefällt wurde, kam nach zweieinhalb Tagen die | |
telefonische Entschuldigung des Bundespräsidenten. Von diesem Zeitpunkt an | |
wurde der Vorgang in der Redaktion nicht weiterverfolgt. Rechtliche | |
Bedenken gegen eine Veröffentlichung gab es nicht. | |
3.) In der oben erwähnten Sendung sagte Nikolaus Blome "manche Journalisten | |
aus anderen Redaktionen“ hätten sich "in Teilen vielleicht ein ganz kleines | |
Bild" von der Mailbox-Nachricht machen können, bevor am 1. Januar 2012 das | |
erste Mal in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" explizit über | |
die Nachricht berichtet wurde. Wie vielen und welchen Journalisten wurde | |
die Nachricht weitergegeben? Wurde sie als Ganzes oder "in Teilen" | |
weitergeben? Wurde sie als Tondokument oder in schriftlicher Form | |
weitergegeben? | |
Zu 3.) Der Bild-Chefredakteur hat seinerzeit persönlich mit zwei externen | |
Journalisten über den Anruf gesprochen und ihnen in diesem Zusammenhang | |
auch den Text zukommen lassen. Gerade aufgrund der eigenen Betroffenheit | |
ging es ihm dabei um das Einholen von Einschätzungen nicht betroffener | |
Kollegen außerhalb der Redaktion. Der eine Journalist empfahl übrigens, die | |
Geschichte zu veröffentlichen, der andere riet davon ab. Schon daran können | |
Sie erkennen, dass der richtige Umgang mit dieser Situation alles andere | |
als eindeutig war. Als Tondokument wurde die Mailbox-Nachricht nicht | |
weitergegeben. | |
4.) Wussten Sie von dieser Weitergabe, von der Nikolaus Blome berichtet? | |
Zu 4.) Siehe Antwort 3. | |
5.) Was war der ausschlaggebende Grund für die Weitergabe der Nachricht an | |
andere Medien? | |
Zu 5.) Siehe Antwort 3. | |
6.) Am 5. Januar 2012 baten Sie Bundespräsident Christian Wulff in einem | |
Brief um Erlaubnis zur Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht. Wulff lehnte | |
die Veröffentlichung noch am selben Tag ab. In derselben Woche, in der Sie | |
um Erlaubnis für den Abdruck baten, gaben Bild-Redakteure Passagen der | |
Nachricht an andere Medien weiter. Können Sie das bestätigen? Wenn ja: | |
Warum fragen Sie den Bundespräsidenten um Erlaubnis, obwohl Redakteure der | |
Bild gleichzeitig bereits Teile der Nachricht weitergaben? | |
Zu 6.) Nachdem die Redaktion die Abschrift der Nachricht an das Büro des | |
Bundespräsidenten übermittelt hatte, häuften sich bei der Axel | |
Springer-Pressestelle Anfragen von Journalisten zum vollständigen Inhalt | |
der Nachricht. In Gesprächen wurden einige der bereits bekannten Passagen | |
erläutert. Eine Abschrift der Nachricht wurde von der Pressestelle an keine | |
Zeitung oder Zeitschrift geschickt. Es gab keinen Auftrag an Redakteure von | |
Bild, die Nachricht oder Passagen daraus weiterzugeben. | |
16 Jan 2012 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Felix Dachsel | |
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