# taz.de -- Streit um Posten im Entwicklungsministerium: Das System Niebel | |
> Dirk Niebel wehrt sich gegen den Vorwurf, eigenen Leuten in seinem | |
> Ministerium Jobs zuzuschanzen. Doch er bastelt und besetzt viel mehr | |
> Posten als üblich ist. | |
Bild: Hat viele fachfremde Personen in sein Ministerium geholt: Dirk Niebel. | |
BERLIN taz | Wie unübersichtlich. Kritiker aus Opposition, Union und | |
Personalrat werfen Dirk Niebel vor, Stellen im Entwicklungsministerium mit | |
FDP-Leuten zu besetzen - unabhängig vom Fachwissen. Niebel kontert, es gehe | |
nach Kompetenz. Und bei den politischen Beamten sei es normal, dass man | |
sich loyal auf seine Leute verlassen kann. Wer hat nun recht: Niebel oder | |
seine Kritiker? | |
Um das zu klären, muss man eine kurze Schleife machen: Im | |
Entwicklungsministerium wird es in diesem Jahr einen Stellenaufwuchs von | |
182 Personen geben. Das ist das Ergebnis der Fusion dreier | |
Entwicklungsorganisationen zur Gesellschaft für internationale | |
Zusammenarbeit (GIZ). Da diese rund 17.000 MitarbeiterInnen hat, das | |
Ministerium aber nur einige hundert, besteht ein Problem: Die Steuerung von | |
Projekten entgleitet der Politik. Es besteht zu wenig Fachwissen im | |
Ministerium, ein Referent ist oft für mehrere Länder zuständig. Viele | |
sagen: "Der Schwanz wedelt mit dem Hund." Weil das geändert werden muss, | |
ist an dem Personalaufwuchs zunächst nichts falsch. | |
Das Problem ist aber: Viele der neuen 182 Stellen kommen dem Ministerium | |
nicht direkt zugute. 65 existieren schon, werden nun aber erst offiziell in | |
Ministeriumsjobs umgewandelt. 46 Stellen gehen in die Botschaften in aller | |
Welt. Weitere werden wieder weggekürzt. Deshalb folgert der Personalrat: | |
Der Stellenaufbau sei nur "ein Tropfen auf einen sehr heißen Stein". | |
## Zehn eigene Leute sind OK | |
Und gerade weil Niebel die wenigen verbleibenden Jobs für neue | |
Leitungsposten verbraucht, ärgern sich die Beamten: "Die Leitung begibt | |
sich mit ihrem Aufblähungskonzept in einen drastischen Widerspruch zu ihrem | |
eigenen Versprechen einer angemessenen Personalausstattung der Referate." | |
Kurz: Das Ziel der politischen Steuerung ist in Gefahr und damit auch der | |
Erfolg der Fusion, für die Dirk Niebel viel Lob bekommen hat. | |
Nun steht der Vorwurf im Raum, dass Niebel die Reform zur Versorgung der | |
eigenen Leute nutzt. In einem Punkt hat er recht: Die Besetzung der | |
politischen Beamten in einem Ministerium ist in Ordnung. Faustformel: 10 | |
eigene Leute sind okay. Hier ist es aber anders: Schon nach kurzer Zeit im | |
Amt hatte er weit mehr FDPler ins Haus gebracht, darunter vor allem | |
fachfremde Personen. | |
Vor die Tür gesetzt hat er dafür kompetente Personen wie die | |
Abteilungsleiter Adolf Kloke-Lesch und Ingrid Hoven. Beide haben | |
mittlerweile wieder Topjobs in Weltbank und GIZ, keine Frage. Aber dem | |
Ministerium wurden sie entzogen, weil sie als "Rot-Grün"-nah galten. | |
Jedoch: Beide haben ihr Leben lang in der Entwicklungspolitik gearbeitet | |
und wurden parteiübergreifend geschätzt. Niebels neue Leute schätzt in der | |
Regel vor allem er selbst. | |
## Leitungsjobs für die eigenen Leute? | |
An zwei weiteren Punkten ist die Personalpolitik Niebels kaum mit anderen | |
Fällen vergleichbar: Der FDP-Mann hat neue Leitungsposten geschaffen. Da | |
ist die Bilanz des ehemaligen Arbeitsvermittlers für einen eigentlich | |
staatsfernen Liberalen - man könnte sagen - untypisch: Seit Amtsantritt hat | |
er zwei neue Abteilungen (von 3 auf 5), vier neue Unterabteilungen (von 8 | |
auf 12) und 18 neue Referate geschaffen. Der Verdacht: Niebel bastelt sich | |
Leitungsjobs, die er dann mit eigenen Leuten besetzen kann, denn | |
Leitungsjobs sind ja Vertrauensjobs. | |
Damit ist es aber immer noch nicht genug. Denn ein weiterer Vorwurf ist, | |
dass Niebel auch unterhalb der Leitung fleißig seine Soldaten installiert. | |
Tatsächlich wurden offenbar bei der Einstellung verschiedener FDP-Leute | |
sogar die Mindestanforderungen an Bewerber im Ministerium unterlaufen (z. | |
B. müssen Juristen mindestens die Examensnote "befriedigend" haben, VWLer | |
"gut"). In einem anonymen Brief an Bundestagsabgeordnete erwähnt ein | |
Schreiber den Fall zweier FDP-Frauen, die trotz schwach ausreichender | |
juristischer Examina befristet eingestellt wurden. Eine davon ist nun | |
entfristet und nach zwei Jahren Referatsleiterin geworden. | |
Kurzum: Keiner kritisiert Niebel dafür, sich einige Vertraute in sein | |
Umfeld zu holen. Aber damit ist "das System Niebel" eben auch nicht | |
erklärt. | |
19 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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