# taz.de -- Rüstungslobby trifft sich in Berlin: Nie wieder Haus-zu-Haus-Kampf | |
> Militärforscher Peter Lock über eine "peinlich provinzielle" | |
> Rüstungskonferenz und städtische Kriege der Zukunft. "Es wird | |
> Hungeraufstände geben", meint er. | |
Bild: Mitarbeiter des Rüstungskonzerns KMW bei der Mittagspause an ihrem Messe… | |
taz: Herr Lock, in Berlin konferierten diese Woche Rüstungslobby und | |
Bundeswehr über Militäreinsätze in Großstädten. Hat die Sicherheitsszene | |
hier Aufklärungsbedarf? | |
Peter Lock: Mit Sicherheit. Nur ist diese Konferenz ein rein | |
industriegesteuertes Ereignis. Da ist kein einziger vernünftiger Referent | |
aus dem englischsprachigen Raum dabei, das Programm ist peinlich | |
provinziell. Die in Berlin beschworene Vision von städtischer Kriegsführung | |
handelt bloß davon, wie sich die Wohlhabenden einen urbanen Panikraum | |
schaffen können - Vorbereitung auf den Klassenkampf, quasi. | |
Oder erfindet die Industrie hier einen Bedarf, weil die Militäretats der | |
Nato sinken und man neue Märkte braucht? | |
Die haben in der Tat kapiert, dass die Bundeswehr keine Kampfpanzer mehr | |
kaufen wird, und formulieren deshalb fleißig neue Bedrohungsszenarien. Man | |
merkt es schon daran, dass die Zeitschrift der deutschen Waffenindustrie, | |
Military Technology, wieder monatlich statt vierteljährlich erscheint. Doch | |
wäre es ja tatsächlich notwendig, über Strategien und Technologien zu | |
diskutieren, die international für die Kriege in den Städten entworfen | |
werden. | |
Afghanistan, der Krieg in Dörfern, gilt als nicht gewinnbar. Irak war ein | |
Krieg in Städten - er gilt für die USA als gewonnen. Wo ist also das | |
Problem? | |
Der Irak war singulär. Das Besondere an dem Krieg in den irakischen Städten | |
war, dass dort eine quasisowjetische, eine zentralverwaltete Versorgung mit | |
Nahrungsmitteln herrschte. Die Ressourcen aus dem Oil-for-Food-Programm | |
wurden halbwegs gleichmäßig verteilt. Es gab keine hochschießenden Preise, | |
keine Spekulation mit Lebensmitteln. In den Megastädten der Welt aber leben | |
die Bewohner von einer Just-in-time-Versorgung mit Nahrungsmitteln. Deren | |
Unterbrechung durch einen Militäreinsatz etwa in Mexiko-Stadt, São Paolo, | |
Lagos oder Bangkok wird Hungerkatastrophen und Hungeraufstände nach sich | |
ziehen. | |
Deswegen, meinen viele, wird es in den kapitalistischen Städten keine | |
Kriege geben - um den Waren- und Geldverkehr nicht zu stören. | |
So rational ticken die Militärapparate nicht - auch und gerade nicht das | |
US-Militär. Das ist ein viel zu geschlossener, unkooperativer Körper. | |
Rheinmetall stellte neulich in Dubai seinen neuen Stadtpanzer Leopard II | |
MBT "Revolution" vor - mit kurzer Kanone, Räumschild, verstärktem Dach | |
gegen Beschuss von oben: geeignetes Gerät, um die Folgen der Arabellion zu | |
bewältigen? | |
Ach, das sind Produkte, die für die Dummheit der Araber konzipiert wurden: | |
reparaturanfälliges Gerät mit Ketten. Die meisten dieser Waffen wurden nie | |
für irgendeinen operationellen Wirkungsgrad entwickelt. Man glaubt gar | |
nicht, was etwa Saudi-Arabien in den vergangenen 40 Jahren alles für | |
Gerätschaften gekauft hat, die dann allesamt dort fröhlich im Sand | |
vergammelt sind. | |
Was sind denn dann die Waffen für die städtischen Kriege der Zukunft? | |
Der Traum der urbanen Kriegsführung ist die total battlefield awareness, | |
die Komplettüberwachung des Einsatzgebietes mit Drohnen und Elektronik, die | |
Eliminierung des Feindes mit Robotern: am liebsten nichtkinetisch, also | |
ohne Spreng- und Schusswaffen. Das US-Militär will keinen | |
Von-Haus-zu-Haus-Kampf wie im irakischen Falludscha mehr führen. Dort | |
mussten die Amerikaner in dem Bemühen, Zivilisten nicht zu treffen, die | |
doch in Städten überall sind, relativ hohe eigene Verluste hinnehmen. Das | |
soll nie wieder passieren. | |
2 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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