# taz.de -- Überschüsse der Krankenkassen: Kritik am Prämienjojo | |
> Bundesgesundheitsminister Bahr fordert, dass Krankenkassen ihre | |
> Überschüsse an ihre Mitglieder auszahlen. Das stößt bei den Kassen auf | |
> Widerstand. | |
Bild: Die Mitglieder würden sich über eine Rückzahlung sicherlich freuen. | |
BERLIN taz | Der Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), | |
nach dem Krankenkassen Überschüsse an ihre Mitglieder ausschütten sollen, | |
stößt auf Widerstand. "Jede einzelne Kasse muss im Interesse ihrer | |
Versicherten und Beitragszahler auf nachhaltige Stabilität setzen, statt | |
Prämienjojo zu spielen", sagte Jürgen Graalmann, Chef des | |
AOK-Bundesverbands. | |
Einen intensiven Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen gebe es | |
schon heute. "Es ist richtig, dass dabei die gute medizinische Versorgung | |
und der wirtschaftliche Einsatz von Beitragsgeldern im Mittelpunkt stehen." | |
Gutes Beispiel dafür seien Arzneimittel-Rabattverträge der AOK. | |
Kritik kommt auch von der Deutschen BKK. Die Kasse wehrt sich ohnehin gegen | |
den Zusatzbeitrag, den Kassen von ihren Mitgliedern erheben können, wenn | |
die regulären Beiträge nicht reichen. "Der Zusatzbeitrag lenkt den Fokus | |
der Versicherten auf den Preis", sagte Deutsche-BKK-Chef Achim Kolanoski. | |
Die Kasse ist eine von wenigen, die derzeit den Zusatzbeitrag erhebt, und | |
zwar 8 Euro pro Monat. Obwohl die Kasse im vergangenen Jahr einen | |
Überschuss von 58 Millionen Euro erzielte, will sie den Zusatzbeitrag noch | |
bis Ende September eintreiben. | |
Die Ersatzkassen warnen vor voreiligen Schritten. Mit Überschüssen sollte | |
man vorsichtig umgehen, sagte Ersatzkassenverbandschef Thomas Ballast. "Aus | |
schwarzen Zahlen können schnell rote Zahlen werden, insbesondere wenn die | |
wirtschaftliche Situation sich verschlechtert und gesetzliche | |
Kostenbegrenzungsmaßnahmen auslaufen." Die Überschüsse gingen den Kassen | |
auf keinen Fall verloren, sie kämen den Versicherten so oder so zugute. | |
## "Wir verlangen keine Rückzahlung" | |
Das Bundesgesundheitsministerium gibt sich gelassen. "Wir verlangen keine | |
Rückzahlung von Beiträgen", sagte Ministeriumssprecher Roland Jopp. "Wir | |
weisen nur auf die gesetzliche Möglichkeit hin, dass Kassen, die es sich | |
leisten können, Prämien zurückzahlen." Selbstverständlich müssten die | |
Kassen vorher ihre Rücklagen gebildet haben. Eine Rückzahlung von Beiträgen | |
würde ein Preissignal setzen und den Wettbewerb zwischen den Kassen | |
fördern. "Das ist im Interesse der Versicherten." | |
Rund 30 Krankenkassen könnten laut Branchenkennern in der Lage sein, | |
Rückzahlungen zu leisten. Ursache für die gute Lage der Kassen sind vor | |
allem Rabatte bei den Arzneimitteln und die gute Situation auf dem | |
Arbeitsmarkt, die den Kassen mehr Beitragszahler beschert. | |
Insgesamt erwartet die gesetzliche Krankenversicherung für 2011 im | |
Gesundheitsfonds ein positives Ergebnis von 4,4 Milliarden Euro, wie Zahlen | |
aus Krankenkassenkreisen zeigen. Zudem wird eine Liquiditätsreserve von 8,6 | |
Milliarden Euro kalkuliert, die sich aus der Mindestreserve in Höhe von 3 | |
Milliarden, dem Sozialausgleich in Höhe von 2 Milliarden und einer | |
Konjunkturrücklage in Höhe von 3,6 Milliarden Euro zusammensetzt. Dazu | |
kommen noch Überschüsse bei den Krankenkassen selbst, wobei die endgültigen | |
Zahlen für das vergangene Jahr erst Ende Februar vorliegen. | |
13 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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