# taz.de -- Fiktive Video-Reportage: Putin im Knast | |
> Ein Video, das Wladimir Putin vor Gericht zeigt, macht Werbung für eine | |
> Doku über den Tschetschenienkrieg. Für die Macher könnte das gefährlich | |
> werden. | |
Bild: Nur Fiktion: Putin hinter Gittern. | |
"Seit drei Stunden wissen wir, dass der frühere Premierminister Wladimir | |
Putin von Polizisten in das Chamownitscheskij Gericht geführt wurde." So | |
beginnt das Video "Die Verhaftung von Wladimir Putin – eine Reportage aus | |
dem Gerichtssaal". Putin müsse sich wegen Veruntreuung staatlichen | |
Eigentums, Geldschiebereien und Amtsanmaßung verantworten. | |
Als Beweis zeigt die Kamera einen Mann im Käfig des Gerichtssaals, der an | |
Wladimir Putin erinnert. Die Macher der sehr professionellen, aber fiktiven | |
"Reportage" hatten im Bildmaterial von Prozessen gegen Michail | |
Chodorkowskij auf den Körper von Chodorkowskij den Kopf von Putin montiert. | |
Und auf die Frage des Richters, wer er sei, antwortet der Gefangene: "Putin | |
Wladimir Wladimirowitsch, Staatsbürger der Russischen Föderation". | |
Offensichtlich hatte man diese Sequenz mit Putins Worten unterlegt, die er | |
bei der Volkszählung vor laufender Kamera gesagt hatte. | |
Der gerade einmal 50 Sekunden dauernde Video-Clip entpuppte sich schnell | |
als Reklame-Gag der Videoverleihfirma "Lancelot" für einen Dokumentarfilm. | |
Dieser Film stellt die Behauptung auf, dass es nicht Tschetschenen waren, | |
die die Sprengstoffanschläge auf russische Wohnhäuser 1999 zu verantworten | |
haben, sondern dass diese Terroranschläge, bei denen über 300 Menschen ihr | |
Leben verloren, auf das Konto des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB | |
gehen. | |
Wenige Wochen nach diesen Sprengstoffanschlägen herrschte Krieg in | |
Tschetschenien. Ohne diese Terroranschläge wäre Putin wohl nicht Präsident | |
geworden, hätte auch kein Krieg in Tschetschenien geführt werden können. | |
## Autor des Films vergiftet | |
Der Werbegag mag erfolgreich sein – seit das Video am Montag bei YouTube | |
erschien, haben es knapp zwei Millionen Menschen gesehen. Es ist jedoch | |
fraglich, ob Lancelot seine Freude an den Filmrechten haben wird. Einer der | |
Autoren dieses Films, der frühere FSB-Offizier Alexander Litwinenko, war | |
2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet worden. | |
Bereits 2003 hatte der Duma-Abgeordnete Sergej Juschenkow versucht, den | |
Film nach Russland zu bringen. Juschenkow wurde im April 2003 auf | |
mysteriöse Weise ermordet. Ähnlich erging es dem Journalisten der Nowaja | |
Gaseta, Jurij Tschekotschichin, der eigene Untersuchungen zu einer | |
möglichen Verwicklung des FSB in die Terroranschläge angestellt hatte. Er | |
wurde am 3. Juli 2003 vergiftet. | |
Die Nachricht von der angeblichen Verhaftung Wladimir Putins ist nicht die | |
erste Falschmeldung über ein angeblich bitteres Ende des derzeitigen | |
russischen Premierministers. "Soll man Wladimir Putin beerdigen?" fragte am | |
27. Januar Maria Buchtujewa, Nachrichtensprecherin und Chefin der | |
Nachrichtenredaktion des Krasnojarsker Fernsehsenders TVK6, zur besten | |
Fernsehzeit. Natürlich habe sie Wladimir Lenin gemeint, als sie von der | |
Initiative des Präsidentschaftskandidaten Prochorow berichtete, den am | |
Roten Platz einbalsamierten Lenin endlich zu beerdigen, entschuldigte sie | |
sich anschließend. | |
Doch möglicherweise war ihr Versprecher auch eine Freudsche Fehlleistung. | |
Auf ihrer Facebook Seite verkündet sie, dass sie am 10. März in Krasnojarsk | |
für ehrliche Wahlen demonstrieren werde. Dort, so die Veranstalter, wolle | |
man Putin mitteilen, dass man ihn nicht mehr ertragen könne. | |
15 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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