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# taz.de -- Opposition in Russland: "Ich habe Angst, dass Blut fließen wird"
> Olga Romanowa, Journalistin und Mitglied der oppositionellen Wählerliga,
> fürchtet, dass Putin durchdreht. Dennoch will sie ihm die Chance für
> Gespräche geben.
Bild: Trotz klirrender Kälte demonstrierten am Wochenende Tausende in Moskau u…
taz: Frau Romanowa, Putin hat die Mitglieder der Wählerliga zum Gespräch
aufgefordert. Gehen Sie darauf ein?
Olga Romanowa: Als Frau gebe ich ihm eine Chance, obwohl ich glaube, dass
sie uns nur einwickeln wollen. Putins Motivation ist klar: Wir sollen
aufhören, seinen Rücktritt zu fordern. Er kann uns aber nichts anbieten.
Dennoch, ich bin für das Gespräch, die Chance soll er bekommen.
Die Gefahr einer Spaltung der Bewegung besteht nicht?
Putins Klientel will nichts ändern, dennoch will sie sich mit uns
verständigen. Sie ist überzeugt, sie könne uns mit Posten locken, weil wir
nichts anderes wollten als sie: stehlen. Die Mitglieder der Liga haben
alles, Geld, Immobilien, Anerkennung … Es sind Schriftsteller, Journalisten
oder eine Ärztin, die Obdachlose betreut. Freundschaft, Mitleid und
Empathie sind den Leuten an der Macht fremd. Für sie ist alles käuflich,
nur das Materielle zählt.
Putin reagiert hilflos, er wirkt manchmal wie ein Getriebener.
Putin hat ein Problem: Er will als Lichtgestalt in die Geschichte eingehen,
und das ist jetzt gefährdet. Er kann Historiker späterer Generationen weder
bestechen, noch haben diese Angst. Der Platz in der Geschichte ist für
solche Menschen das Teuerste.
Wie geht es nach den Präsidentschaftswahlen weiter? Putins Sieg steht außer
Frage.
Blut wird fließen, fürchte ich. Aus Putins Umkreis ist zu hören, dass er
durchdreht. Niemand weiß dem entgegenzusteuern. Ich möchte kein Blut. Dann
verliert auch unser Protest an Legitimität. Unsere Revolution hat wie in
Ägypten und Syrien keine Führer, sie kommt aus dem Volk. Als die Proteste
begannen, gab es auch in unserem Komitee harte Auseinandersetzungen. Doch
wir haben uns zusammengerauft: Erst gemeinsam siegen, dann zerfleischen,
scherzen wir.
Hat sich die Zivilgesellschaft konsolidiert und ist zu einem politischen
Faktor geworden?
Putin zwingt den kreativen Teil der Gesellschaft in die Emigration.
Entweder verlässt du das Land oder du landest im Gefängnis, lautet die
Ansage. Das Fernsehen unterstützt ihn, indem es moralischen und geistigen
Zerfall fördert. Die satten Bürger gehen demonstrieren, und sie sind
zornig. Nicht weil sie die ganze Bandbreite des Übels erkannt hätten. Die
jungen Leute verstehen noch wenig. Freiheit als solche ist für sie noch zu
abstrakt: Persönliche Freiheit ja, um Freiheit als solche geht es ihr noch
nicht. Doch das ist schon etwas.
Sind die jungen Leute der Kern der neuen Mittelschicht?
Wagen Sie nicht, diese Jugend Mittelklasse zu nennen! Sie ist dann
beleidigt, weil sie in ihrem Selbstverständnis mehr ist: die "kreative
Schicht". Net-Hamster, die Mut fassen und Selbstbewusstsein zeigen. Sie
sind nach den Wahlen aufgewacht. Für meine Studenten waren Lügen, das
Abhören von Gegnern und Korruption das Normalste von der Welt. Hervorragend
ausgebildete Studenten im Aufbaustudium. Auch Schüler wollen Beamte Putins
werden, der alle Vergehen deckt … Diese Generation will von Politik
eigentlich nichts wissen.
Sind Sie Revolutionärin?
Was begonnen hat, muss weitergeführt werden. Ein Sieg, wie im Falle meines
Mannes, den ich nach drei Jahren aus dem Gefängnis befreien konnte, reicht
nicht. Wir brauchen eine andere Justiz. Als mein Mann eingebuchtet wurde,
bin ich tagsüber zu den Gerichten gelaufen und habe nachts als Journalistin
gearbeitet. Wenig schlafen ist zur Gewohnheit geworden. In der Kindheit las
ich viel über Revolutionäre, die nur drei Stunden am Tag schliefen. Sie
kippten um, starben früh, die Sache lief weiter …
6 Feb 2012
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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