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# taz.de -- Proteste in Russland: Moskauer Machtzentrum umzingelt
> Eine Menschenkette um den Kreml gegen Wladimir Putins Wiederwahl zum
> Präsidenten: Zehntausende Regierungsgegner demonstrieren in Moskau.
Bild: Weißes Band als Zeichen des Protests: Auch Hunde demonstrierten am Sonnt…
MOSKAU taz | Eine Woche vor den russischen Präsidentenwahlen am nächsten
Sonntag ging die Opposition in Moskau noch einmal auf die Straße. In einer
Flash-Mob-Aktion bildeten Putin-Gegner rund um das Moskauer Stadtzentrum
eine Menschenkette. Die Aktion lief unter dem Banner "Weißer Kreis".
Weiß ist die Farbe der Protestbewegung, die nach den manipulierten
Dumawahlen im Dezember spontan entstanden war. Die Strecke um den Moskauer
Gartenring, der auch die Machtzentrale des Kreml umschließt, ist 16
Kilometer lang. Kurz vor der Veranstaltung kamen Zweifel auf, ob die Aktion
gelingen würde. Rund 35.000 Teilnehmer hätten sich anschließen müssen.
Vierzig Minuten nach dem Start um 14 Uhr war der Kreis um den Kreml
geschlossen. Nach Polizeiangaben nahmen nur 11.000 Menschen teil.
Den Demonstranten geht es nicht mehr nur um faire Wahlen, sondern um den
Verzicht Wladimir Putins auf die Kandidatur. Zum dritten Mal und diesmal
gleich für sechs Jahre will der Premierminister in den Kreml einziehen.
Nach jüngsten Meinungsumfragen könnte Wladimir Putin die Wiederwahl bereits
im ersten Wahlgang schaffen.
Das tat der Stimmung am Straßenrand keinen Abbruch, die Aktion glich einem
Volksfest passend zur Jahreszeit. Denn Russland begeht das Fest der
"Masleniza", die russische Variante des Karnevals. An vielen Stellen der
Ringstraße standen die Demonstranten in Doppel- und Dreierreihen. Alle
trugen sie als Erkennungszeichen das weiße Band mit der Aufschrift
"Russland ohne Putin". Transparente und Spruchbänder waren offiziell nicht
erlaubt, da es sich um keine angemeldete Demonstration handelte.
## "04 03 2012 - Wir vermieten Putin"
Die Improvisationsfreude kannte jedoch keine Grenzen. Selbst Hunde mit
Maulkorb trugen weiße Schleifen um den Hals. Junge Frauen hatten sich die
Bänder um Stiefel oder ins Haar gebunden. Wie bei der letzten Demonstration
Anfang Februar waren nicht nur junge Leute aus der besserverdienenden
Mittelschicht auf den Beinen. Rentner mit Krückstock und weißen Luftballons
säumten ebenfalls die Straße. Auf dem Rücken vieler Demonstranten klebte
die Anzeige "04 03 2012 - Wir vermieten Putin" als Anspielung auf den
Wahltag.
"Ich hatte Angst, dass nicht genügend Leute kommen", sagt die
Bibliothekarin Olga. Sie war deshalb mit ihren Kolleginnen an eine Stelle
gegangen, wo nicht so viele Teilnehmer erwartet wurden. "Putin reicht uns.
Zwar wird er wieder gewählt, aber er macht es nicht mehr lange, sechs
gemeinsame Jahre halten wir und er nicht mehr durch", lacht sie.
Die vorbeifahrenden Autos begrüßten die Menschenkette mit einem Hupkonzert.
Auch sie hielten weiße Bänder, Schals, Plastiktüten und was sich sonst noch
als Zeichen spontaner Solidarität auftreiben ließ aus heruntergekurbelten
Fenstern. Die Aktion verlief ohne Zwischenfälle. Selbst die Polizei konnte
sich das Schmunzeln nicht verkneifen, als eine Putinbüste hinter
Gitterstäben auf einem Pick-up vorbeifuhr. Karneval eben.
Es ist diese Entspanntheit, die dem Protest immer mehr Stärke verleiht.
Bislang war Russland kein Land des Lächelns. Aggressiver ging es denn auch
am Subowskij-Boulevard zu. Dort hatten sich junge Leute von der Kremljugend
eingefunden. Ein Einpeitscher brüllte im Kommisston : "Wer wählt Putin?" -
"Ich wähle Putin", schrie die Menge daraufhin. Auf den roten Herzen, die
sie vor sich her trugen, stand: "Putin liebt alle". Für sie ist der
angeschlagene "nationale Lider" noch immer die Inkarnation des lieben
Gottes. Andere hatten Filmklappen dabei. Der Streifen, den sie drehten,
hieß: " Putins Sieg."
26 Feb 2012
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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