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# taz.de -- Großdemonstrationen in Moskau: Mit "Blutgeld" gegen Putin
> "Put-in 2000, Put-out 2012": In Moskau demonstrierten Hunderttausende
> gegen die Macht Putins. Auch seine Fans gingen auf die Straße – manche
> nicht ganz freiwillig.
Bild: Eine dritte Amtszeit für Putin? Ein Graus für die Menschen, die am Sams…
MOSKAU taz | Mürrische Putin-Fans auf der einen, kreative Putin-Gegner auf
der anderen Seite: Es war ein Wochenende der Großdemonstrationen, wie sie
Moskau seit zwanzig Jahren nicht mehr erlebt hatte. Insgesamt mindestens
200.000 Menschen sind am Samstag in Moskau auf die Straße gegangen. Selbst
die klirrende Kälte von minus 20 Grad hielt die Menschen nicht vom
Demonstrieren ab. Die Veranstalter der Anti-Putin-Demonstration "Für faire
Wahlen" hatten mit weit weniger Teilnehmern gerechnet. Nach offiziellen
Polizeiangaben nahmen an dem Protestmarsch im Zentrum und an einer
Kundgebung auf dem Bolotnaja-Platz in der Nähe des Kremls 36.000 Personen
teil. Tatsächlich dürften es aber an die 100.000 Demonstranten gewesen
sein, die mehr politische Freiheiten, die Freilassung aller politischen
Gefangenen und saubere Präsidentschaftswahlen forderten.
Am 4. März wählt Russland einen neuen Kremlchef, der voraussichtlich zum
dritten Mal Wladimir Putin heißen wird. Die Bewegung war nach massivem
Betrug der Staatspartei Einiges Russland bei den Dumawahlen im Dezember
spontan entstanden. Russische Beobachter hielten den aufflackernden Unmut
zunächst nur für eine vorübergehende Erscheinung. Stattdessen zogen nun,
zwei Monate nach der ersten Großdemonstration, noch mehr Bürger gegen eine
Rückkehr Putins in den Kreml auf die Straße.
"Demokratie fürchtet Frost nicht", "Put-in 2000, Put-out 2012" war auf
ihren Plakaten zu lesen. Junge Aktivisten verteilten unterdessen dem Dollar
ähnliche "100-Barack-Scheine" mit dem Vermerk "Blutgeld des State
Departments" in Anspielung an Putins Unterstellung, die Unzufriedenen seien
von Washington gekauft.
## Lehrer zur Demo gezwungen
Das Lager Putins hat sich unterdessen aus der anfänglichen Schockstarre
gelöst. Zum ersten Mal machten auch die Anhänger von Wladimir Putin mobil.
Nach offiziellen Angaben brachten sie am Samstag 140.000 Personen auf die
Straße. Unabhängige Medien schätzten die Zahl der Teilnehmer jedoch auf
nicht mehr als 70.000. Nicht alle kamen freiwillig zu der vom Kreml
inszenierten Gegenkundgebung. Lehrer, Ärzte und Angestellte von
Staatsbetrieben hatten sich im Internet und in den Medien beschwert, dass
sie von ihren Dienstherren zur Teilnahme gezwungen und ihnen Sanktionen
angedroht worden seien.
Die Stimmung war deutlich schlechter als auf der Anti-Putin-Demo. Die
Anhänger von Regierungschef Putin warteten unter maschinell gefertigten
Bannern wie "Wir haben etwas zu verlieren" mürrisch auf heißen Tee und
Verpflegung. Kreative Sprüche und selbstgebastelte Plakate? Fehlanzeige.
Viele Putinfans waren in einer generalstabsmäßig geplanten Aktion mit
Bussen aus der Umgebung nach Moskau gebracht worden. Die Kundgebung stand
unter dem Leitmotiv "Putin ja – Chaos nein", jegliche Formen der
Revolution, auch samtene wie in der Ukraine und Georgien lasse Russland
nicht zu. Falls die Organisatoren eine Strafe zahlen müssten, da mehr
Anhänger gekommen seien als angemeldet, werde er Geld beisteuern, meinte
Wahlkämpfer Putin noch am selben Abend.
Doch der Protest gegen Putin weitete sich aus. Nicht mehr nur die
Besserverdienenden demonstrierten. Viele Studenten aus einfachen
Verhältnissen forderten soziale Gerechtigkeit und mehr Forschungsmittel.
Käme Putin noch einmal an die Macht, würde Russland auf den Stand eines
Entwicklungslandes sinken, mahnten sie.
Auch die Armee war vertreten. Die Gruppe "Freie Fallschirmjäger", Veteranen
einer Eliteeinheit, stimmten unter lautem Beifall das Lied [1]["Hau ab,
Tyrann"] an. Ein Hit der letzten Wochen, der mehr als eine Million Mal auf
Youtube angeklickt wurde.
5 Feb 2012
## LINKS
[1] /Anti-Putin-Lied-wird-zum-Netz-Hit/!86605/
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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