# taz.de -- Rettungspaket für Griechenland: Pleite verhindert, Problem bleibt | |
> Im letzten Moment haben sich die Euroländer auf ein Rettungspaket für | |
> Athen geeinigt. Die "beispiellose Solidarität" der Europartner kommt den | |
> griechischen Staat teuer zu stehen. | |
Bild: Zum Wegschauen? Jean-Claude Juncker und Christine Lagarde verkünden die … | |
BRÜSSEL taz | Die Retter sind müde. Mehr als "das kann man gut | |
verantworten" war Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach dem | |
14-stündigen Brüssler Verhandlungsmarathon zur Stützung Griechenlands nicht | |
zu entlocken. Von "Rettung" wollte Berlins Kassenwart so wenig reden wie | |
Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Nur EU-Währungskommissar Olli Rehn | |
sprach von einer "beispiellosen Solidarität der Europartnerstaaten". | |
130 Milliarden Euro soll Athen nun erhalten, um die im März drohende | |
Staatspleite abzuwenden. Dazu kommt ein Forderungsverzicht in Höhe von 107 | |
Milliarden Euro der privaten Gläubiger, also von Banken, Versicherungen und | |
Hedgefonds. Doch die damit verbundene Umschuldung ist noch nicht in | |
trockenen Tüchern - erst Mitte März wird man wissen, ob sich genug Banken | |
daran beteiligen. Und ob das zweite Hilfspaket in nur zwei Jahren das | |
schafft, woran das erste scheiterte - Griechenland dauerhaft zu | |
stabilisieren -, steht in den Sternen. Zunächst hilft es vor allem den | |
Gläubigern. | |
Die müssen zwar auf mehr als die ursprünglich vereinbarten 50 Prozent ihrer | |
Forderungen verzichten. Der Schuldenschnitt wurde nach harten | |
Verhandlungen, an denen auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann beteiligt | |
war, auf 53,5 Prozent erhöht. Bei einer Pleite hätten sie jedoch 100 | |
Prozent abschreiben müssen. Außerdem erhalten sie noch nie dagewesene | |
Garantien. | |
So soll der Schuldendienst künftig von einem Sperrkonto abgewickelt werden | |
und Vorrang vor allen anderen staatlichen Aufgaben bekommen. Die Regierung | |
in Athen will dies sogar in der Verfassung verankern. Die prompte Zahlung | |
von Zinsen und Zinseszinsen wird von der internationalen Troika überwacht - | |
Schäubles "Sparkommissar" kommt modifiziert wieder. | |
Die meisten Griechen werden von der "Rettung" ihres Landes nicht viel | |
mitbekommen. Denn der Schuldendienst wird nach Schätzungen bis zu 80 | |
Prozent der Hilfen auffressen, nur 20 Prozent kommen dem Staat zugute. Doch | |
auch dieses Geld landet nicht in den Kassen der Griechen, im Gegenteil: Der | |
Mindestlohn wird gekürzt, die Tariflöhne werden gedeckelt, im | |
Gesundheitswesen und im öffentlichen Dienst wird massiv gespart. | |
All dies soll das Defizit verringern und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. | |
Mit Ergebnissen rechnen selbst die Experten der Troika aber frühestens in | |
zwei Jahren. Bis dahin erwarten die Griechen immer neue Zumutungen. Schon | |
in den nächsten zwei Wochen soll die Regierung in Athen neue | |
Sofortmaßnahmen beschließen, wozu auch unpopuläre Rentenkürzungen und | |
Privatisierungen gehören. | |
Ein Kurswechsel ist auch nach den Wahlen im April nicht zu erwarten: Die | |
großen griechischen Parteien wurden gezwungen, sich schriftlich zur | |
Umsetzung der Auflagen zu verpflichten. Schäuble brachte sogar eine | |
Verschiebung der Wahlen ins Spiel, ruderte nach massiven Protesten aus | |
Athen aber wieder zurück. Ob all dies dem offiziell verkündeten Ziel dient, | |
den griechischen Schuldenberg abzutragen, ist fraglich. Bisher haben die | |
Sparmaßnahmen nämlich nur die Konjunktur abgewürgt, die Rezession | |
verschärft - und den Schuldenstand im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt | |
erhöht. | |
Auf dem Papier soll die Schuldenratio nun zwar bis 2020 auf rund 120 | |
Prozent der Wirtschaftsleistung sinken - von derzeit mehr als 160 Prozent. | |
Aber dies wurde nur möglich durch Zahlentricks und überaus optimistische | |
Annahmen. So soll Athen bereits im nächsten Jahr wieder einen | |
Budgetüberschuss erwirtschaften. Doch selbst die Experten der Troika | |
zweifeln daran, dass es wirklich so kommt. | |
Noch während Schäuble und seine Ministerkollegen in Brüssel verhandelten, | |
sickerte eine vertrauliche Studie durch, die in eine ganz andere Richtung | |
weist (siehe Grafik). Wenn sich die Rezession weiter verschärft, könnte der | |
Schuldenstand 2020 auch wieder bei 160 Prozent liegen, heißt es darin. Dann | |
müssten die Griechenland-Retter wieder von vorne anfangen. | |
21 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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