# taz.de -- Prozess in Ägypten: Unmut statt Beweisaufnahme | |
> Kaum begonnen, schon vertagt: Die ausländischen Beschuldigten im Prozess | |
> gegen die Konrad-Adenauer-Stiftung sind gar nicht erst vor dem Gericht in | |
> Kairo erschienen. | |
Bild: Einheimische Beschuldigte im Gericht in Kairo – samt Bewachern. | |
KAIRO taz | Der Ruf "Nieder mit der Militärherrschaft!" hallte beim ersten | |
Prozesstag durch den Gerichtssaal. Angeklagt sind 43 Mitarbeiter | |
ausländischer nichtstaatlicher Organisationen (NGOs), darunter auch der | |
Leiter des Kairoer Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, Andreas Jacobs, und | |
eine seiner Mitarbeiterinnen. 19 der Beschuldigten sind US-Amerikaner. Der | |
Vorwurf: Sie seien ohne Lizenz in Ägypten tätig und hätten illegal | |
ausländische Gelder angenommen, um Unruhe zu stiften. | |
Die ausländischen Angeklagten waren nicht erschienen und wurden nur durch | |
ihre Anwälte repräsentiert. Vertreter der deutschen Botschaft waren als | |
Beobachter zugegen. | |
Es ist kein Zufall, dass der Ärger der Gerichtsbesucher sich gegen Ägyptens | |
Militärführung richtete. Deren Vorgehen erinnert an alte Zeiten: Immer wenn | |
das Regime Mubaraks intern unter Druck geriet, hatte es die Karte des | |
ägyptischen Nationalismus ausgespielt und ausländische Einmischung oder die | |
in Ägypten legendäre "dritte Hand" angeprangert. So wurden hausgemachte | |
Probleme einfach anderen in die Schuhe geschoben. | |
Unter Druck geraten, sich endlich aus der Politik und der Führung des | |
Landes zurückzuziehen, zogen die Militärs nun einen besonders bizarren | |
Gerichtsprozess aus dem Hut. | |
Draußen vor dem Gebäude beschreibt der Menschenrechtsanwalt Hafez Abu Saada | |
das Ganze als politisch motiviertes Verfahren, mit der die Militärführung | |
von ihren Fehlern und Menschenrechtsverletzungen ablenken wolle. Was den | |
Ausgang des Verfahrens angeht, gibt er sich allerdings optimistisch, da es | |
überhaupt keine rechtliche Grundlage für den Prozess gebe. | |
Im Zentrum stehen vier US-Organisationen: das International Republican | |
Institute, das National Democratic Institute, beide jeweils mit den | |
US-Republikanern und Demokraten verbunden, sowie das Freedom House und die | |
Arab Press Freedom Watch (APFW), eine Gruppierung, die Journalisten | |
ausbildet. | |
## Arbeiten ohne Genehmigung | |
Dass die deutsche Adenauerstiftung ebenfalls unter Anklage steht, könnte | |
damit zu tun haben, dass die ägyptischen Behörden das Verfahren nicht als | |
eine rein ägyptisch-amerikanische Veranstaltung aussehen lassen wollen, | |
vermutet man im Umfeld der Stiftung. | |
Grundlage des Prozesses ist der unklare rechtliche Status von NGOs, die in | |
Ägypten tätig sind. Da es fast unmöglich ist, sich zu registrieren, | |
arbeiten die meisten von ihnen bisher ohne Genehmigung, aber mit | |
offensichtlicher Duldung der Regierung. Das heißt: Solange die | |
Organisationen nicht in Ungnade fallen, so lange lässt man sie arbeiten. | |
Sobald es politisch opportun scheint, ausländischen Institutionen den | |
schwarzen Peter zuzuschieben, werden sie von den Militärs an den Pranger | |
gestellt, weil sie ohne Genehmigung tätig sind. "Unsere Anfrage auf eine | |
Genehmigung wurde zu Mubaraks Zeiten nie positiv beschieden, aber das | |
Regime hat einfach in die andere Richtung gesehen und die NGOs arbeiten | |
lassen", erklärt Ibrahim Nawar, der Gründer der jetzt angeklagten Arab | |
Press Freedom Watch (APFW). | |
Menschenrechtsgruppen bewerten das Verfahren als einen Versuch, sie zum | |
Schweigen zu bringen. Süffisant weisen sie darauf hin, dass das ägyptische | |
Militär mit 1,5 Milliarden Dollar amerikanischer Militärhilfe der größte | |
Empfänger von ausländischen Hilfsgeldern sei. | |
Es gibt aber auch selbstkritische Stimmen. "Manche der Hilfsgelder der | |
letzten Jahrzehnten sind ohne sichtbare Gegenleistung in den Taschen | |
einiger schwarzer Schafe in der NGO-Szene verschwunden, auch weil die | |
ausländischen Geber das Geld zum Teil blind ausgegeben haben", meint ein | |
Menschenrechtsaktivist, der nicht namentlich genannt werden möchte. "Wir | |
fordern von der Regierung Transparenz", sagt er. "Da müssen wir bei uns | |
selbst beginnen und alle Hilfsgelder und Zwecke für die Öffentlichkeit | |
offenlegen, am besten im Internet." | |
Nach dem stürmischen Anfang vertagte der Richter das Verfahren auf den 26. | |
April. | |
26 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
## TAGS | |
Ägypten | |
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