# taz.de -- Grüne streiten über Koalitionen: Lieber die Roten oder die Schwar… | |
> Wie halten es die Grünen mit Schwarz-Grün? Plötzlich ist der Streit | |
> wieder da. Doch nach dem Eklat zwischen Cem Özdemir und Jürgen Trittin | |
> wiegeln beide Seiten ab. | |
Bild: Da scheinen alle sehr unterschiedliche Gedanken zu haben. | |
BERLIN taz | Es schien, als sei die Schwarz-Grün-Debatte bei den Grünen | |
beendet. Selbst Renate Künast empfahl ihrer Partei nach dem Schock der | |
verlorenen Berlin-Wahl, bei der sie mit einem Bündnis mit der CDU | |
geliebäugelt hatte, dies künftig kategorisch auszuschließen. Die | |
Grünen-Wähler bräuchten da „150 Prozent Klarheit“, sagte die bekehrte | |
Realo-Frau im Herbst. Seitdem werden sie und andere Spitzengrüne nicht müde | |
zu betonen, dass 2013 nur eine Koalition mit der SPD in Frage käme. | |
Doch jetzt hat die Partei ihr Lieblingsthema neu entdeckt: Legen wir uns | |
auf die SPD fest? Oder setzen wir auf Eigenständigkeit im Wahlkampf? Und | |
machen wir’s zur Not mit der CDU? | |
Im Zentrum der Debatte steht Cem Özdemir. Der Parteivorsitzende und Realo | |
warb immer dafür, die Grünen nicht nur im linken Lager zu verorten, und ist | |
stolz auf seine Kontakte zur Wirtschaft. Die grüne Eigenständigkeit sieht | |
er als Argument für Rot-Grün: „Wir müssen als eigenständige Partei | |
natürlich auch Wählerinnen und Wähler über das traditionelle rot-grüne | |
Wechselwählerlager hinaus von unseren Inhalten überzeugen.“ | |
Özdemir sieht sich als Letzter, der diese Position im Bund vertritt – | |
umgeben von lagerfixierten Rot-Grün-Fans. Denn neben Künast bekennen sich | |
auch seine Co-Vorsitzende Claudia Roth, Fraktionschef Jürgen Trittin und | |
Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke klar zur SPD. Sie halten das | |
Offenhalten einer Koalition mit der CDU für fatal, weil die grüne Klientel | |
dies übel nimmt. | |
Özdemir wird von jungen Spitzengrünen in den Ländern unterstützt, die es | |
leid sind, vom Wohlwollen der Sozialdemokraten abhängig zu sein. „Unsere | |
Grünen wollen und sollten jeweils vor Ort entscheiden können, mit wem sie | |
in der jeweiligen Situation am wirkungsvollsten grüne Inhalte umsetzen | |
können“, findet Özdemir dazu. | |
Boris Palmer weiß er hinter sich: „Eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl | |
gibt es überhaupt keinen Grund, sich auf eine Koalition festzulegen“, sagt | |
Tübingens Oberbürgermeister. Auch Robert Habeck, Spitzenkandidat in | |
Schleswig-Holstein, will sich nicht festlegen – und fährt damit bisher gut. | |
Sein Ergebnis bei der Wahl im Mai wird die Strategiedebatte beeinflussen. | |
„Holt Habeck ein sehr gutes Resultat, sitzt Özdemir im Parteirat und | |
grinst“, schwant es einem Parteilinken. | |
## Der Streit wird persönlich | |
Der Streit um die „Eigenständigkeit“ eskalierte bereits vor zwei Wochen. | |
Der Parteirat diskutierte bei seiner Klausur in Dresden über die | |
Wahlkampfstrategie für 2013 – doch schnell wurde es persönlich. Denn just | |
an dem Wochenende erschien ein Interview Özdemirs in der Welt am Sonntag. | |
Die Grünen „gehen nicht ideologisch fixiert an Koalitionen heran“, sagte er | |
darin – was das Rot-Grün-Lager als Werbung für ein Bündnis mit der CDU | |
auffasste. | |
In der Runde ging es laut Teilnehmern hoch her. Trittin unterbrach Özdemirs | |
Beiträge immer wieder. Der kofferte zurück, so lasse er sich als | |
Parteivorsitzender nicht behandeln, und hielt Trittin und Künast vor, sie | |
hätten sich nach der Berlin-Wahl in Interviews auf Rot-Grün festgelegt – | |
und das den unabhängigen Landesverbänden gleich mit nahegelegt. | |
Beide Seiten streuten nach dem Eklat munter ihre Versionen: Die | |
Rot-Grün-Fans ließen Özdemir als täppischen Möchtegern-Strategen dastehen, | |
der die Tür für Schwarz-Grün öffnen wolle. Ein Realo macht eine | |
„konzertierte Aktion“ der Linken im Parteirat aus, die ihre Linie | |
durchdrücken wollten. Und der aktuelle Spiegel breitet genüsslich Zitate | |
aus, wie sich die Streithähne Trittin und Özdemir angepampt haben sollen. | |
Seitdem herrscht Katerstimmung in der Partei. Özdemir will sein Plädoyer | |
für Eigenständigkeit keinesfalls als Anbiederung an die CDU verstanden | |
wissen. Er betonte gestern: „Schwarz-Grün ist im Bund 2013 keine ernsthafte | |
Perspektive.“ Will heißen: Es geht ihm um die Länder und um die | |
langfristige Sicht. | |
Die Grüne Jugend, die Özdemir in der vergangenen Woche „parteischädigendes | |
Verhalten“ vorwarf, will sich jetzt nicht mehr dazu äußern. Sprecherin Sina | |
Doughan sagte aber: „Das Gedankenspiel Schwarz-Grün demontiert das Profil | |
der Grünen. Wir würden dadurch massiv Wähler verlieren und unsere eigenen | |
Leute im Wahlkampf demotivieren.“ Die Debatte habe aber gezeigt, so ihr | |
Fazit, wie wichtig es sei, die Wahlkampfstrategie zu diskutieren. Zumindest | |
das dürfte bei den Grünen im Moment niemand bestreiten. | |
28 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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