# taz.de -- Kommentar Grüne: Wie wär's mit Inhalten, Grüne? | |
> Rot-Grün im Bund ist unwahrscheinlich. Eine inhaltliche | |
> Auseinandersetzung ist jetzt notwendig. Gegner wie die Piraten bieten | |
> offene Flanken. | |
Die Grünen stecken in einem Dilemma. Mag vor gar nicht so langer Zeit | |
mancher Parteistratege noch von einem eigenen Kanzlerkandidaten geträumt | |
haben, geben die Umfragen jetzt nicht mal mehr die Wunschkoalition her: So, | |
wie es im Moment aussieht, ist Rot-Grün im Bund unwahrscheinlich. Die SPD | |
schwächelt, die Piraten stabilisieren sich, Merkel sozialdemokratisiert | |
ihre CDU immer weiter – und in Krisen tendiert das Wahlvolk erfahrungsgemäß | |
zur großen Koalition. | |
Bisher fährt die Grünen-Spitze eine eindeutige strategische Linie: Wir | |
setzen auf Sieg. Und ausschließlich auf die SPD. Dahinter steckt die | |
berechtigte Befürchtung, dass das eigene Klientel ein Liebäugeln mit der | |
CDU hart bestraft – und lieber jemand anderen wählt. Wie empfindlich | |
Grünen-Wähler auf Avancen in Richtung Christdemokratie reagieren, musste | |
Renate Künast bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl bitter erfahren. | |
Schwarz-Grün-Fans mögen das als unfair empfinden, schließlich haben Wähler | |
der SPD auch kein Problem mit der CDU – doch ist dieser Effekt inzwischen | |
klar bewiesen. Dass jetzt auch Grünen-Chef Cem Özdemir erstaunlich klar für | |
diese Linie plädiert, zeigt nur, wie sehr sich diese Erkenntnis | |
durchgesetzt hat. | |
Diese Strategie birgt die Gefahr, irgendwann in die Lächerlichkeit | |
abzudriften: Schon jetzt wirkt die demonstrativ vorgetragene | |
Siegesgewissheit der Grünen-Spitzen manchmal realitätsfremd. Auch deshalb, | |
weil sie eben nicht dazu sagen, dass der Partei im Zweifel wieder die | |
Opposition droht. Denn genau dies ist die Wahl bei der derzeitigen | |
Strategie. Es geht um alles oder nichts. | |
Inhaltlich aber handeln die Grünen nur konsequent. In einer Koalition mit | |
der CDU müsste sich die Partei deutlich stärker verbiegen, als es in einem | |
Bündnis mit der SPD der Fall wäre. Sie liefen Gefahr, von Merkel | |
verschlissen zu werden, wie es bereits SPD und FDP passierte. Denn sicher | |
ist: Viele WählerInnen würden schlicht nicht verzeihen, dass sich die | |
Grünen Christdemokraten angedient hätten, die die Solarförderung für | |
verzichtbar, das Betreuungsgeld aber für eine emanzipatorische Großtat | |
halten. | |
Eine inhaltliche Auseinandersetzung ist jetzt notwendig. Gegner wie die | |
Piraten bieten offene Flanken. Wenn die Grünen ihre Stärken ausspielen, ist | |
Rot-Grün immerhin noch eine Möglichkeit. Und auch in der Opposition lässt | |
sich bekanntermaßen viel verändern. | |
28 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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