# taz.de -- Claudia Roth über Bundestagswahlkampf: „Ja, ich will ins Spitzen… | |
> Soll Jürgen Trittin die Grünen in den Wahlkampf 2013 führen? Ein Mann | |
> allein an der Spitze? Nicht mit mir, sagt Claudia Roth und fordert eine | |
> Urwahl für das Spitzenteam. | |
Bild: Gut gelaunt, aber uneinig: Die Spitze der Grünen. | |
taz: Frau Roth, die Grünen debattieren offenbar nichts leidenschaftlicher | |
als Personalien. Wie nehmen Sie den Streit über ein Spitzenteam für die | |
Bundestagswahl wahr? | |
Claudia Roth: Da lief in letzter Zeit einiges unter unserem Niveau. Es | |
wurden gezielt Informationen aus vertraulichen Runden gestreut, um | |
vermeintliche Gegner und Gegnerinnen zu attackieren. Selbst persönliche | |
Angriffe waren nicht mehr tabu. All dies schadet uns insgesamt als Partei | |
und steht gerade uns Grünen nicht gut zu Gesicht. Unser Erfolg gründet sich | |
auch auf einem fairen Umgang miteinander. | |
Inhalte geraten jedenfalls gerade ins Hintertreffen. | |
Da gibt es in der Tat gerade ein Missverhältnis. Im Moment überstrahlen | |
unsere Personaldebatten teilweise die inhaltliche Auseinandersetzung mit | |
dieser katastrophalen schwarz-gelben Bundesregierung. Das muss schleunigst | |
aufhören. Das interessiert weder unsere Wähler, noch unsere Mitglieder. Es | |
gibt wahrlich genug wichtige Themen, über die wir mit Schwarz-Gelb gerade | |
streiten müssen: den unzureichenden Fiskalpakt oder das Versagen der | |
Regierung bei der Energiewende, nur um zwei Beispiele zu nennen. | |
Was folgt daraus? | |
Ich rate uns dringend: Jetzt alle wieder runterkommen und ran an die | |
Inhalte. Und statt heftigem Flügelstreit zu einer Renaissance zu verhelfen, | |
müssen wir wieder einen anständigen Umgangston miteinander pflegen. | |
In der Personaldebatte gab es zuletzt viele, die einen alleinigen | |
Spitzenkandidaten Jürgen Trittin unterstützen würden. Ihre Meinung dazu? | |
Die Quote macht einen großen Teil unseres Erfolges aus. Die Lösung, dass | |
ein einzelner Mann die Grünen im nächsten Bundestagswahlkampf anführt, | |
völlig unabhängig davon, wer das dann wäre, die wird es deshalb mit mir als | |
Parteichefin nicht geben. Die Quote gehört sozusagen zum grünen | |
Grundgesetz. Auf dem letzten Parteitag in Kiel haben wir beschlossen, dass | |
sie auch bei einer Urwahl gelten würde. Die Grünen stehen wie keine andere | |
Partei dafür, dass Frauen die Hälfte der Macht zusteht. Es wäre verrückt, | |
dieses Prinzip ohne Not aufzugeben. | |
Bisher konnten Sie und Ihre drei KollegInnen Cem Özdemir, Renate Künast und | |
Jürgen Trittin sich nicht auf eine Wahlkampfaufstellung einigen. Wie lösen | |
Sie das scheinbar unlösbare Problem? | |
Die Personalfrage sollte - ebenso wie die inhaltliche Debatte - nicht in | |
Hinterzimmerklüngeln entschieden werden. Ich plädiere dafür, eine Urwahl | |
über die Frage der Spitzenformation abzuhalten. Diese Möglichkeit wurde | |
durch Beschluss auf dem letzten Parteitag geschaffen. Dann entscheiden | |
unsere Mitglieder in voller Transparenz darüber, wer die Partei am besten | |
im Bundestagswahlkampf vertritt. Die Basis ist der Souverän der Grünen, sie | |
wird eine kluge Entscheidung treffen. Außerdem können wir nicht glaubwürdig | |
für direkte Demokratie eintreten, wenn wir sie nicht auch in der Partei | |
praktizieren. | |
Beschädigen Kampfabstimmungen nicht die KandidatInnen? | |
Das glaube ich nicht. In einer Abstimmung auch verlieren zu können, gehört | |
zur Demokratie dazu. Das wäre ein fairer und offener Wettstreit, an dem | |
sich hoffentlich viele beteiligen würden. | |
Werden Sie sich selbst zur Wahl stellen? | |
Ja, ich stelle mich zur Wahl, wenn es um die Besetzung eines Spitzenteams | |
für die Grünen geht. | |
Was macht Sie zu einer guten Spitzenkandidatin? | |
Wir sind jetzt hier noch nicht im Bewerbungsverfahren, aber nach acht | |
Jahren als Parteivorsitzende kann meine Art, Politik zu machen, nicht ganz | |
falsch sein. | |
Wie groß schätzen Sie Ihre Chancen bei einer Urwahl ein? | |
Da maße ich mir keine Einschätzung an. Über meine Eignung müssten dann ja | |
die Mitglieder entscheiden. | |
Sind Sie für ein 4er-Team oder für die Tandem-Lösung? | |
Aus meiner Sicht wäre ein Quartett für uns Grüne eine sehr sinnvolle | |
Aufstellung, weil wir damit unsere personelle Vielfalt zur Stärke bringen | |
können. Vier Spitzenleute mit unterschiedlichen Themenprofilen und | |
Fähigkeiten würden die Breite der Grünen repräsentieren und viele | |
WählerInnen ansprechen können. | |
Die Realos in der Partei halten vier SpitzenkandidatInnen für nicht | |
kommunizierbar. | |
Ich weiß, dass es diese Bedenken in Teilen der Partei gibt. Dann bleibt | |
eben das Tandem - quotiert müsste also mindestens eine Frau daran beteiligt | |
sein. | |
Trittin hat innerparteilich eine starke Position. Wäre ein Duo | |
Roth/Trittin, also zwei Parteilinke, vermittelbar? | |
Ich glaube, die Flügelzugehörigkeit spielt für viele keine große Rolle, | |
auch unter den Mitgliedern. Und die Menschen in Deutschland interessieren | |
sich völlig zu Recht nicht wirklich dafür, welcher Spitzengrüne welchem | |
Flügel angehört. | |
Die Grünen wollen in der bürgerlichen Mitte dazugewinnen - und zielen auch | |
auf enttäuschte Konservative, die Öko gut finden. Gewinnen die Grünen in | |
der Mitte mit einer Spitzenkandidatin Roth? | |
Schauen Sie, ich bin oft in meiner Heimat, in Bayern, unterwegs. Die | |
Menschen denken nicht mehr in Klischees, auch auf dem Land nicht. Außerdem | |
darf man die Spitzenkandidatur nicht überschätzen. Für die Grünen wird | |
immer gelten: Das Programm ist der Star, nicht die KandidatInnen. | |
8 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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