# taz.de -- Bundestagswahlkampf der Grünen: Machtkampf der „Big Four“ | |
> Wer führt die Grünen in die Bundestagswahl? Indem Claudia Roth ihren | |
> Führungsanspruch anmeldet, wirft sie alle Kalkulationen über den Haufen. | |
Bild: Wer diese Frage stellt, sollte selbst gute Nerven haben. | |
BERLIN taz | Passend zum Frauentag hat Claudia Roth am Donnerstag ein | |
Plakat enthüllt, mit dem die Grünen mehr Frauen für sich gewinnen wollen. | |
Die Motive sind ironisch gemeint. „Wer nervt mehr als Claudia?“, lautet | |
etwa der Slogan neben dem Konterfei der lachenden Parteivorsitzenden. Manch | |
grüner Realo wird heute heimlich seufzen: Niemand nervt mehr. | |
Denn im taz-Interview machte Roth gestern drei Ankündigungen, die die seit | |
Wochen laufende Personaldebatte bei den Grünen grundlegend verändern: Roth | |
forderte eine Urwahl zu der Frage, wer die Partei im Bundestagswahlkampf | |
nach außen vertreten soll. Sie pochte auf die Quotierung des Teams. Und sie | |
meldete ihren Führungsanspruch an ([1][siehe Interview]). | |
Die Parteivorsitzende ist die erste Spitzengrüne, die sich bei diesem Thema | |
aus der Deckung wagt. Seit Wochen spekuliert die Partei, in welcher | |
Kombination ihre mächtigsten Politiker den Wahlkampf bestreiten wollen. Die | |
Vorsitzenden Roth und Cem Özdemir und die Fraktionschefs Renate Künast und | |
Jürgen Trittin – intern „Big Four“ genannt – haben in dem Machtkampf s… | |
unterschiedliche Chancen und Motive. Und Roths Ankündigung wirft bisherige | |
Kalkulationen über den Haufen. | |
Zwei Abläufe sind möglich: Wenn sich die Vier intern einigen, könnte ein | |
Parteitag die Spitzenkandidaten absegnen. Doch auch die Urwahl ist in der | |
Satzung ausdrücklich vorgesehen – seit einem Beschluss des Parteitags 2011 | |
in Kiel. Dabei würden alle Parteimitglieder befragt. Sie wird eingeleitet, | |
wenn sich entweder der Länderrat, der Bundesvorstand oder mindestens drei | |
Landesverbände dafür aussprechen. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke | |
sagte, das Verfahren werde bis zur Sommerpause festgelegt. „Voraussetzung | |
für eine Urwahl wäre natürlich, dass es mehr als zwei Bewerber gibt.“ Die | |
Organisation bis zum Ergebnis dauert 15 Wochen. Zeit bleibt also reichlich. | |
## Konkurrenz für Künast | |
Die klare Ansage Roths erhöht den Druck auf ihre Wettbewerber. Denn sie | |
hätte bei einer Urwahl sicher gute Chancen. Weil sie den Kontakt zur Basis | |
regelmäßig pflegt, und weil ihre emotionale Art bei vielen gut ankommt. | |
Dass alle Vier ins Team kommen, wird dabei zunehmend unwahrscheinlicher. | |
Ein Spitzen-Quartett halten Parteistrategen für zu unklar in der | |
Außenwirkung. Damit bliebe ein quotiertes Duo. Darin wäre Künast auf dem | |
Frauenplatz eine mögliche Konkurrentin für Roth. | |
Doch das Ansehen der Reala ist seit der verlorenen Berlin-Wahl gesunken. | |
Ihr wird intern eine unzureichende Fehleranalyse vorgeworfen. Außerdem | |
hatte sie kurz nach der Wahl in einem Interview Schwarz-Grün kategorisch | |
ausgeschlossen, was ihr viele im Realo-Lager bis heute übel nehmen. Wie | |
groß der Unmut ist, wurde bei einem Realo-Treffen am Samstag deutlich. Nach | |
dem Redebeitrag Künasts in der Strategiedebatte herrschte laut Teilnehmern | |
eisige Stille. Niemand applaudierte. Sie hätte es in einer Kampfabstimmung | |
gegen Roth sicher schwer. | |
Als gesetzter Mann in einem möglichen Spitzenteam gilt vielen in der Partei | |
Trittin, der wie Roth dem linken Flügel angehört. Die Fraktion ist seit | |
jeher das Machtzentrum der Grünen, Trittin hat sich in Finanz- und | |
Europafragen Expertise erarbeitet und ist bei aktuellen Themen die | |
wichtigste Stimme der Grünen. Zuletzt war ihm selbst von Realos die | |
Spitzenkandidatur angetragen worden. Mit Roths Einlassung – kein Mann | |
allein! – dürfte sich das aber erstmal erledigt haben. Obwohl die Partei | |
bei früheren Wahlkämpfen auch nur Joschka Fischer nominierte. | |
Sicher ist aber auch: Ein Duo der Parteilinken Roth und Trittin wäre für | |
die Realos eine Demütigung. Parteichef und Realo Özdemir feilt zwar an | |
seinem Führungsanspruch. Doch er betont, dass er wieder als Parteichef | |
antreten und 2013 in den Bundestag einziehen will. Zudem lobt er Trittin | |
stets in den höchsten Tönen. Dass er ihn also bei einer Urwahl | |
herausfordert, ist eher unwahrscheinlich. | |
8 Mar 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Claudia-Roth-ueber-Bundestagswahlkampf/!89239/ | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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