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# taz.de -- Neue Bücher zur Buchmesse: Am Ende steht das Recht
> „Mit zweierlei Maß“: Der international tätige Berliner Anwalt Wolfgang
> Kaleck schreibt über die Sisyphusarbeit für ein universell gültiges
> Völkerstrafrecht.
Bild: Ein anderes Maß Menschenrecht: das Gefängnis Abu Ghraib im Jahr 2006.
Während die syrische Armee weiter militärisch gegen die eigene Bevölkerung
vorgeht, herrscht im Ausland dazu weitgehend Ratlosigkeit. Zwar sind die
Stimmen leiser geworden, die die vom Assad-Regime begangenen Verbrechen
gegen die Menschlichkeit bagatellisieren, doch ist man im
UNO-Sicherheitsrat nach wie vor weit von einer gemeinsamen Haltung
entfernt.
Russland deckt aus geostrategischen Eigeninteressen den syrischen Despoten,
der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt zwar, aber
bislang ohne Konsequenz. Syrien hat das Statut von Rom nicht unterzeichnet
und sich der Haager Gerichtsbarkeit nicht unterworfen.
Viele bezweifeln, ob militärische oder juristische Interventionen in
nationale Konflikte sinnvoll sind, da sie nur einseitig dem mächtigen
Westen dienen würden. Wie falsch diese Haltung ist, versucht der Berliner
Anwalt Wolfgang Kaleck in „Mit zweierlei Maß. Der Westen und das
Völkerrecht“ zu belegen.
## Strafanzeige gegen Mercedes-Manager
Kaleck hat sich einen Namen gemacht, als er im Gefolge der Inhaftierung
General Pinochets in London (1998–2000) auch in Deutschland gegen
südamerikanische Repressoren Anzeigen einreichte. Dies führte zu
Ermittlungen gegen den argentinischen General Jorge Rafael Videla, eine
weitere Strafanzeige richtete sich gegen Manager von Mercedes-Benz
Argentina wegen Beihilfe zur Ermordung von Gewerkschaftern.
Kaleck gehört zu einem Netzwerk international tätiger Anwälte, die – wie
der in Spanien gerade mit Berufsverbot belegte Richter Baltasar Garzón –
für die Durchsetzung eines universellen Weltstrafrechts kämpfen. Eines, das
dafür plädiert, Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Ausland (oder über
Internationale Strafgerichtshöfe) zur Anklage zu bringen, sofern die
nationale Justiz in den Täterstaaten blockiert oder selbst Teil des
Unrechtssystems ist.
## Unterschiede im Ausmaß der Verbrechen
Doch diese Sicht ist keine Einbahnstraße, wie antiimperialistische Kritiker
oder Despoten mit Eigeninteressen gerne behaupten. Kaleck brachte 2006 beim
Generalbundesanwalt in Karlsruhe eine Klage gegen den früheren
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und CIA-Chef George Tenet ein. Er
warf ihnen im Rahmen des Kriegs gegen das Regime Saddam Husseins im Irak
Verbrechen sowie Menschenrechtsverletzungen im Gefängnis von Abu Ghraib
vor.
Kaleck betont dabei den Unterschied im Ausmaß der Verbrechen, die etwa das
Regime eines Saddam Husseins zu verantworten hat, und jener, die das
US-geführte Besatzungsregimes begangen hat. Dennoch beharrt er darauf, alle
Verbrechen auch als solche zu benennen und nicht nach zweierlei Maß zu
bewerten.
## Das hohe Gut Glaubwürdigkeit
In historischen Exkursen führt er aus, wie der Kalte Krieg und das Gerede
von der Siegerjustiz nachteilig für die Implementierung allgemein gültiger
Menschenrechtsstandards nach 1945 war – und bis heute ist. Glaubwürdigkeit
ist ein hohes Gut und könne in internationalen Konflikten auch nur
behaupten, wer gleiches Recht für alle gelten lässt. Und da tue sich der
Westen bekanntlich historisch schwer, trotz oder gerade wegen Ruanda- oder
Jugoslawien-Tribunalen, deren positive Leistung Kaleck bei aller Ambivalenz
anerkennt.
Doch auch die USA selber gehören bislang nicht zu den 120
Unterzeichnerstaaten des Statuts von Rom, der Internationale
Strafgerichtshof in Den Haag könnte ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrats
nicht gegen sie ermitteln.
Dies macht es der zumeist – bigotten, wie Kaleck hervorhebt – Kritik von
notorischen Folterstaaten wie Iran oder Birma an der „imperialen“
Menschenrechtspolitik des Westens unnötig leicht. Dabei scheint die
Durchsetzung des Weltrechtsprinzips im Westen nur eine Frage der Zeit.
Entsprechende juristische Auseinandersetzungen werden überall geführt,
Kaleck nennt eine Fülle. Würden die „Doppelstandards“ endlich entfallen, …
wäre sicherlich leichter, auch im Falle Syriens, von außen vernünftig
einzuwirken.
Wolfgang Kaleck: "Mit zweierlei Maß. Der Westen und das Völkerstrafrecht".
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2012, 144 Seiten, 15,90 Euro
16 Mar 2012
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
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