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# taz.de -- Samar Yazbek „Schrei nach Freiheit“: Was in Syrien wirklich ges…
> Samar Yazbek stellte in der Berliner Volksbühne ihr eindringliches
> Tagebuch „Schrei nach Freiheit“ von der syrischen Revolution vor.
> Sachlich und gefasst – trotz des erlebten Grauens.
Bild: Blick auf Damaskus im März 2012.
Es gibt immer noch Menschen, die behaupten, in Syrien sei mit Assad alles
halb so schlimm, der Aufstand sei vom Westen, von Saudi-Arabien oder
al-Qaida angezettelt. Doch dem ist nicht so. Selbst wo unabhängiger
Journalismus verboten ist und ausländische Berichterstatter ermordet
werden, gelangen immer wieder – Tag für Tag, Stunde um Stunde –
Informationen nach draußen, die das Gegenteil belegen. Privatleute
(„Bürgerjournalisten“) filmen laizistisch orientierte Demonstrationen,
dokumentieren Übergriffe und Zerstörungen durch Assads Armee. Die hat nie
etwas anderes gelernt, als Bürgerkrieg zu führen. Doch die neuen digitalen
Medien kriegt das Regime mit militärischen Mitteln nicht unter seine
Kontrolle. Ebenso wenig wie den tiefen Wunsch nach Reformen. Zehntausende
Bild- und Schriftdokumente belegen dies.
Auch Samar Yazbek veröffentlichte ihre Eindrücke teilweise im Internet.
„Jeder, der das Haus verlässt, ist ein potenzielles Todesopfer“, sagte
Yazbek am Freitagabend in Berlin. In der Berliner Volksbühne am
Rosa-Luxemburg-Platz berichtet sie über ihre Erlebnisse seit Ausbruch des
Aufstands im März 2011, die Schauspielerin Anne Ratte-Polle las vor über
200 Gästen aus Yazbeks berührender Chronik „aus dem Inneren der syrischen
Revolution“. Die ist nun ganz fälschungssicher und traditionell als Buch
bei Nagel & Kimche in hervorragend zu lesender deutscher Übersetzung
erschienen.
Yazbek war, bis sie immer stärker in den Sog der Ereignisse geriet, in
ihrer Heimat eine etablierte Kulturjournalistin, die fürs Fernsehen
arbeitete und auch Drehbücher schrieb. Doch nun ist die 1970 im syrischen
Dschabla Geborene mit ihrer Tochter ins französische Exil geflüchtet. Trotz
Drohungen der Behörden hatte sie sich nicht davon abbringen lassen, die
Ereignisse in Syrien aus nächster Nähe und aus ihrer subjektiven
Perspektive zu dokumentieren. Sie ging auf Demonstrationen, fuhr heimlich
in aufständische Gebiete und berichtete möglichst unideologisch über das,
was sie sah und was im ganzen Land geschah. So wurde sie zu einer der
zentralen ChronistInnen der syrischen Rebellion, authentisch in Sprache und
Position, selber aus einer gut situierten alawitischen Familie stammend.
## 20 Jahre alte Aktivisten – zu Brei geschlagen
In der Volksbühne schilderte die ganz und gar weltoffen wirkende Frau die
Einschüchterungsversuche seitens des Regimes, denen sie sich ausgesetzt
sah. Wie sie eines Tages von Assads Staatssicherheit verschleppt und mit
verbundenen Augen in ein Gebäude der Geheimpolizei gebracht wurde. „Eine
Hand löste die Binde von meinen Augen“, schildert sie die gespenstische
Situation. Denn unten im geheimen Folterkeller, da sollte sie wieder sehen:
„Es war das Grauen.“ „Sie stießen mich von Zelle zu Zelle.“ Yazbek sah…
Jahre alte Aktivisten, manche kannte sie. Sie hingen an Haken von den
Decken herab, gefoltert und zu Brei geschlagen. „Es war die Hölle, ich
werde das nie vergessen.“ Das sagt sie und wirkt dabei sachlich, gefasst,
ohne emotionalisierendes Gebaren. Was sie erfahren musste, lässt sich durch
Ausschmückungen nicht steigern.
Yazbek steht für eine Generation gut ausgebildeter, gut integrierter
SyrerInnen, die sich erst über die Ereignisse radikalisierten und sich
gänzlich vom Assad-Regime abwandten. In literarisch reflektierter Weise
macht sie in „Schrei nach Freiheit“ anhand des eigenen Erlebens diese
Entwicklung deutlich. Ihr Buch ist eine gelungene Mischung aus Reportage
und innerem Monolog.
Es klingt glaubwürdig, wenn sie berichtet, wie sie tief geschockt war, als
sie zum ersten Mal sah, wie Leute ermordet wurden, nur weil sie friedlich
auf der Straße für Reformen protestierten. Samar Yazbek besteht auch
darauf, dass der Aufstand in Syrien zunächst friedlich und rein laizistisch
orientiert war. „Es ist“, sagt sie, „ein Aufstand der Armen gewesen“, d…
sich nach und nach Vertreter aus allen Gruppen, Schichten und Landesteilen
anschlossen. Die Befürworter des alten Regimes schätzt sie auf etwa ein
Drittel der Bevölkerung. Wer das Abgleiten in Konfessions- und Bürgerkrieg
verhindern wolle, müsse den Sturz Assads vorantreiben. Dieser setze auf
eine Ethnisierungsstrategie, die teilweise schon verfangen habe.
26 Mar 2012
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
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